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Ausgabe:

1904 Nr. 5

Spalte:

149-150

Autor/Hrsg.:

Schmidtke, Alfred

Titel/Untertitel:

Das Klosterland des Athos 1904

Rezensent:

Meyer, Philipp

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Seite 1

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149

Theologifche Literaturzeitung. 1904. Nr. 5.

Oriens Christianus. Römifche Halbjahrhefte für die Kunde
des chriftlichen Orients. Herausgegeben vom Priefter-
collegium des deutfchen Campo Santo unter der
Schriftleitung von Dr. Anton Baumftark. Zweiter
Jahrgang. Rom 1902. Leipzig, O. Harraffowitz in
Komm. (V, 519 S. hoch 4.) M. 20. —

Indem Referent hiemit den zweiten Jahrgang diefer
neuen Zeitfchrift zur Anzeige bringt (vgl. die Anzeige
des erften Jahrgangs in Nr. 4 diefer Zeitfchrift Jahrgang
1903), darf er im voraus bemerken, daß der neue Band
an Reichhaltigkeit dem erften nicht nachfteht, ihn vielleicht
hierin noch übertrifft. Dabei ift befonders auch
hinzuweifen auf den Literaturbericht der dritten Abteilung
, der umfaffend und forgfältig gearbeitet ift. Vielleicht
aber wäre zu wünfchen, daß die Namen der dort
genannten Schriftfteller und die ihrer Werke mit noch
ftärkerem Druck in dem fortlaufenden Texte kenntlich
gemacht würden. Das würde den Lefer, der doch meiftens
nur das ihn Intereffierende finden will, leichter orientieren.
Sonft iß übrigens gegen die Ausftattung des Werkes
nichts zu erinnern.

Wie bei der Anzeige des erflen Bandes betrachtet
Ref. es nur als feine Aufgabe, auf die befonders in
theologifcher Hinficht bemerkenswerten Artikel des
Werkes hinzuweifen. Oscar Braun fährt fort, Texte aus
der Zeit des neftorianifchen Katholikos Timotheos I.
zu veröffentlichen. Es find 3 Briefe und Kanones von
zwei Synoden, die unter diefem ftattfanden, wozu ein ausführlicher
Kommentar gegeben wird. Anton Baumftark
bietet neben Anderm eine fehr inftruktive Gefchichte der
Evangelienexegefe der fyrifchen Monophyfiten. Über
die Bekehrung der Geogier handelt Aurelio Palmieri.
Befonders reich ift diefes Mal die Ausbeute für das
kanonifche und außerkanonifche Neue Teftament und
die älteften chriftlichen Jahrhunderte. Hier ift zu nennen
M. Kmosko mit feinem Artikel: Analecta Syriaca ex codd.
Musei Britannici excerpta, in denen auf einige alte Texte
hingewiefen wird, die bemerkenswerte Zitate aus den
Evangelien enthalten. Baumftark bringt ein neues Verzeichnis
der 70 Jünger und zwei unbekannte Papias-
fragmente, deren eines auch die Stellung diefes Mannes
zum Apoftel Johannes berührt. Theodor Schermann
macht eine neue Handfchrift zur apoftolifchen Kirchenordnung
bekannt, welche auch die Didache angeht.
Ignaz Goldziher weift neuteftamentliche Elemente in der
Traditions-Literatur des Islam nach. Hier ift auch zu
nennen das neue Fragment der Didaskalia des Petrus
von Alexandrien, das Michael Heer veröffentlicht. Aus
dem älteren Mönchtum fei noch der griechifche Text
der Berichte des Anaftafius Sinai'ta über die Väter
diefes Berges erwähnt, der eine Reihe von unbekannten
Einzelheiten bringt und wie alle Erzählungen der Art
recht in das Leben diefer alten Heiligen einführt.

Endlich hebt Ref. zwar beiläufig aber gern hervor,
wie der Verfaffer des Literaturberichts S. 239 energifch
gegen jede ,polemifche Herbheit' namentlich in der
Polemik zwifchen den Vertretern der verfchiedenen
Kirchen Front macht.

Hannover. Ph. Meyer.

Schmidtke, Alfred, Das Klosterland des Athos. Mit 16 Abbildungen
. Leipzig 1903, J. C. Hinrichs'fche Buchh.
(167 S. gr. 8.) M. 2.20; geb. M. 3.—

Der Verfaffer hat fich gelegentlich einer Studienreife
im Jahre 1900 fieben Monate lang in den Athosklöftern
aufgehalten. Er gibt in dem vorliegenden Buche eine für
weitere Kreife berechnete, auf gute Vorftudien fich
ftützende, lebhaft empfundene und höchft anziehend ge-
fchriebene Darfteilung jener wunderbaren Welt des Ha-
gionoros, wo fich ein Stück lebendiges Mittelalter in wohl

einzigartiger Weife erhalten hat. Zuweilen find in den
Schilderungen die Farben wohl etwas kräftig aufgetragen,
wie Verfaffer in der Vorrede auch vorausbemerkt. Ebenfalls
hätte Referent hie und da die Sprache etwas weniger
realiftifch gewünfcht. Trotzdem glaubt er das Buch allen
denen, die fich für griechifches Mönchtum intereffieren, auf
das wärmfte empfehlen zu können.

VeHaffer beginnt mit einer überfichtlichen richtigen
Darlegung der Gefchichte des chriftlichen Athos, die in
die Schilderung der Gegenwart einmündet und dabei auch
die Nationalitätenfrage, d. h. für jetzt die drohende Ruffi-
fizierung der Klöfter behandelt. Er fieht hier fehr fchwarz,
aber er kann recht haben. Es ift zwar noch nie die
griechifche Nationalität anders als durch Gewalt unterdrückt
. Aber der ruffifche Rubel ift eine Gewalt, der die
Griechen auf die Dauer fchwer Widerftand leiften können.
Es folgt dann eine wirklich fehr lefenswerte Darfteilung
der verfchiedenartigften Reifeeindrücke und Beobachtungen
. Ref. macht dabei befonders auf die prächtigen
Naturfchilderungen, auf die ftimmungsvolle Beschreibung
der Klöfter und Kirchen, wie auf die nächtliche Feier
der großen Panegyris von Watopädi aufmerkfam. Jedem,
der auf dem Athos gewefen ift, wird das Herz warm
werden, wenn er diefe Bilder an fich vorüberziehen fieht.
Es findet fich in dem Buch auch manches treffliche Wort
zur prinzipiellen Würdigung des griechifchen und befonders
des hagioritifchen Mönchtums. Es hat den Ref. gefreut
, dabei auch den Satz lefen zu können: ,Der wert-
vollfte Dienft, welchen das morgenländifche Mönchtum
feiner Kirche leiftet, befteht in der Erhaltung einer ver-
geiftigten, von Hierarchie und gottesdienftlichen Aufführung
befreiten Frömmigkeit'. Diefe Schätzung ift um fo
wertvoller, als der Verfaffer in den vorangehenden Darlegungen
klar hat erkennen laffen, daß er auf gut evange-
lifchem Standpunkt fleht.

Hannover. Ph. Meyer.

Sabatier, Prof. Auguste, Les religions d'autorite et la
religion de l'esprit. Paris 1904, Fischbacher. (XII,
570 p. gr. 8.)

Mit wehmütigem Danke begrüßen wir diefes Werk
des am 12. April 1901 der theologifchen Wiffenfchaft und
der evangelifchen Kirche zu früh entriffenen Dekans der
theologifchen Fakultät zu Paris. Es bildet die Fortfetzung
der vor fechs Jahren erfchienenen Esquissc d'une Philosophie
de la religion d'apres la Psychologie et l'hstoire,
die bereits acht Auflagen erlebt hat und auch in mehrere
Sprachen überfetzt worden ift (Theol. Literaturzeitung,
1897, Nr. 7; 1899, Nr. 1). Das Buch ift von dem
Verfaffer felbft noch fertig geftellt worden; am 2. Dezember
1900 konnte er mit dankbarer Freude den Ab-
fchluß desfelben anzeigen. Er wollte nur feine Schrift
noch ruhen laffen, um fie nach einer längft beabfichtigten
Reife nach Ägypten und Paläftina wieder aufzunehmen
und einer letzten ftihftifchen Revifion zu unterwerfen.
Es war für ihn ein überaus fchweres Opfer, auf die Erfüllung
des lang gehegten Lieblingswunfches verzichten zu
müffen. Am 5. Februar 1901 hielt er feine letzte Vor-
lefung; am folgenden Tag ftreckte ihn eine bösartige
Krankheit auf das Schmerzenslager, das er durch mannhaften
Heldenmut und kindlichen Glaubensgehorfam zu
einer Stätte des Friedens und des Sieges verklärte. Aus
dem fchlichten und ergreifenden Vorwort, in welchem
Sabatiers Lebensgefährtin über die letzten Jahre und
Tage ihres Gatten berichtet, entnehmen wir, daß die
Veröffentlichung des Buches unter allen Umftänden in
der Abficht des Verfaffers lag. Sollte ihm auf der Orientreife
ein Unglück begegnen, fo war dafür geforgt, daß
treue Freunde das Werk in der Geftalt, die ihm Sabatier
noch gegeben hatte, herausgeben konnten. Diefer Aufgabe
find drei feiner auch unter uns bekannten Kollegen,