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Ausgabe:

1904 Nr. 5

Spalte:

143

Autor/Hrsg.:

Scheel, O.

Titel/Untertitel:

Augustins Enchiridion. 2. Reihe 1904

Rezensent:

Dobschütz, Ernst

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i43

Theologifche Literaturzeitung. 1904. Nr. 5.

144

Scheel, Priv.-Doz. Lic. theol. O., Augustins Enchiridion.

(Sammlung ausgewählter kirchen- und dogmen-
gefchichtlicher Quellenfchriften als Grundlage für
Seminarübungen herausgegeben unter Leitung von
Profeffor D. G. Krüger. Zweite Reihe. Viertes Hefe.)
Tübingen 1903, J. C. B. Mohr. (X, 98 S. gr. 8.)

M. 2.—

Auguftins Enchiridion in die Sammlung ausgewählter
Quellenfchriften aufzunehmen, war eine gute Idee; gibt
es doch die befte Überficht über die Gedankenwelt des
größten abendländifchen Theologen der alten Kirche.
O. Scheel hat fich im Text hauptfächlich an Krabinger
[1861] angefchloffen; nur einigemal weicht er zu den
Maurinern hin von Kr. ab, wie eine Überficht der Differenzen
diefer 3 Ausgaben S. 78—80 lehrt. Ganz vereinzelt
nur entfeheidet fich Sch. gegen jene beiden Ausgaben
, z. B. 1310 adhibita fideli patientia (t. fidelis, worüber
fich ftreiten läßt. Bei zwei wichtigeren Stellen begründet
Sch. feine Entfcheidung ausführlich: bei der einen
c. 95 (5821) Nec utique deus iniuste noluit salvos fieri, cum
possentsalviesse, .kz^/zW handelt es fich nur um einen Buchflaben
: vellent oder vellet; aber der Sinnunterfchied ift
groß: erfteres macht das salvi esse von dem Willen
der Menfchen, letzteres von dem Gottes abhängig. Die
Stelle hat zu einem lebhaften Streit zwifchen den Maurinern
und Jefuiten geführt. Sch. fcheint uns mit Recht gegen
die Mauriner und Krabinger vellet aufzunehmen. In dem
andern Fall wird eine Konjektur der Mauriner in den
Text eingeführt auf Grund der Beftätigung, die fie durch
ein Selbftzitat Auguftins erfährt: c. 67 (4229) puniti ft.
puniri. Große Sorgfalt ift auf die Nachweifung der
Bibelftellen verwendet; man würde dazu gern in der Einleitung
einige Bemerkungen über den von Auguftin benutzten
Bibeltext gefehen haben. Für den Unterrichtszweck
, zur Einführung in Auguftins Theologie, wären
auch Hinweife auf Parallelen in anderen Schriften fehr
dankenswert gewefen. Doch greift das wohl fchon über
die dem Herausgeber gefleckte Aufgabe hinaus, der durch
ein genaues Zitaten- und ein gründliches Wortregifter
das Studium der Schrift fehr erleichtert hat. Eine kurze
gediegene Einleitung orientiert über den Titel der Schrift,
deren Veranlaffung und die Perfon des Adreffaten
Laurentius, die Abfaffungszeit und die bisherigen Ausgaben
. Über die theol. Bedeutung der Schrift, die nur
aus Auguftins andern Ausführungen ganz verftändlich
fei, handelt der Herausgeber in der Zeitfchrift fürKirchen-
gefchichte 1903 Heft 3. S. V no. 4 ift wohl etwas ausgefallen
. 6112 1. saluberrimo. Ift 3 o potuerunt richtig ?

Jena. von Dobfchütz.

Brooks, E. W., M. A., The sixth book of the select letters
of Severus, Patriarch of Antioch, in the Syriac Version
of Athanasius of Nisibis. Edited and translated. 2 vol.
London, Williams & Norgate. (gr. 8.) 30 s.

Vol. I. (Text.) Part I. (IX, 259 p.) 1902. — Vol. II.
(Translation.) (XIV, 229 p.) 1903.

Aus einer Vergleichung des trefflichen Artikels
,Monophyfiten' von G. Krüger in dem 13. eben erfchie-
nenen Bande der 3. Auflage der Proteft. Real-Encyklo-
pädie mit dem gleichen Artikel der 2. Auflage kann man
erfehen, ein wie bedeutender Zuwachs an Material aus
fyrifchen Quellen in den letzten zwanzig Jahren unterer
Kenntnis der Gefchichte des Monophyfitismus zu gute
gekommen ift. Auch die vorliegende Publikation von
Briefen des Severus bietet uns wieder neues gefchicht-
liches Material zu weiterem Eindringen in die wechfel-
vollen Schickfale der monophyfitifchen Lehre während
des Lebens des berühmten Patriarchen von Antiochien
Severus, deffen perfönliche Schickfale mit denen feiner

Kirche aufs engfte verknüpft find. Nachdem Severus
fchon während feines erften Aufenthaltes in Konftanti-
nopel 508—511 fchriftftellerifch für die Sache des Monophyfitismus
tätig gewefen war, wurde er nach der von
ihm felbft betriebenen Abfetzung des Flavian am 6. Nov.
512 zum Patriarchen von Antiochien ernannt, aber fchon
518, nach dem Tode des Kaifers Anaftafius, wieder abgefetzt
und am 29. September 518 zur Flucht aus
Antiochien nach Ägypten genötigt. Von den Seinen als
der rechtmäßige Patriarch Antiochiens anerkannt, wirkte
er auch aus der Verbannung unabläffig, leitend und

j fchriftftellernd, für die monophyfitifche Sache. So kam
es, daß 531 bei der Einberufung eines Konzils nach
Konftantinopel auch er mit eingeladen wurde; doch er-
fchien er erft 535 in der Reichshauptftadt, als der wach-
fende Einfluß der Kaiferin Theodora ihm genügende
Garantie für feine Sicherheit bot. Aber fchon 536 wurden
Severus und der Günftling der Theodora Anthimus, der
neuernannte Patriarch von Konftantinopel, wieder aus der
Stadt vertrieben. Am 8. Febr. 538 ftarb Severus in Ägypten.

Während wir nun über das Leben des Severus bis
zu feiner Ernennung zum Patriarchen von Antiochien
512 durch die Biographie feines Freundes, des Scholaftikus
Zacharias von Gaza, deren fyrifche Überfetzung Spanuth
1893 herausgab, näher unterrichtet find, indem diefer
feinen Studienaufenthalt in Alexandrien und Berytus, feine

j Taufe in Tripolis, die Reife nach Jerufalem, den Aufenthalt
im Klofter Petrus des Iberers und in feinem eigenen

; Klofter bei Majuma, der Hafenftadt von Gaza, iowie feine
Reife nach Konftantinopel und die Wahl zum Patriarchen
ausführlich befchreibt, fehlt eine folche Quelle für die

j letzten 26 Jahre feines Lebens. Zwar findet fich auf der

[ Königl. Bibliothek zu Berlin eine zweite Vita, die das

j ganze Leben bis zum Tode und der Beerdigung umfaßt
und die gerade von 512 an ausführlicher wird. Aber
fie harrt noch ihrer Veröffentlichung.l) Immerhin würde
fie fich an Unmittelbarkeit und Zuverläffigkeit wohl nicht
mit der uns jetzt durch Brooks erfchloffenen Gefchichts-
quelle, den eigenen Briefen des Severus, meffen können.
Schon bald nach feinem Tode hatte man in 23 Büchern
eine Zufammenftellung feiner Briefe ■— wir wiffen nicht,
nach welchem Prinzipe geordnet — veranftaltet, deren
Summe wir auf etwa 3—4000 berechnen können. Von
diefer Sammlung veranftaltete man aus praktifchen
Gründen, zu bequemererer Handhabung der in den
Briefen enthaltenen, maßgebenden Entfeheide des berühmten
Patriarchen, einen Auszug, der etwa den 5. Teil
aller Briefe umfaßt haben wird. Ünd von diefem Auszuge
in der Urfprache der Briefe verfaßte Athanafius
von Nifibis i. J. 669 eine fyrifche Überfetzung des
123 Briefe enthaltenden 6. Buches, die uns zum größten
Teile noch erhalten ift. Der 1. Teil der Brooks'fchen
Veröffentlichung, dem ein 2. Teil mit den Indides folgen
foll, bietet uns 66 Briefe. Von diefen gehören allein
63 dem erften Abfchnitte ,über Bifchöfe und Geiftliche
und ihre Ordination' an, während die übrigen 3 den
2. Abfchnitt bilden, der die Überfchrift hat; ,über feine
(sc. des Severus) Ordination vor feiner Ernennung zum
Bifchof, und über den Vorrang von Bifchöfen und eine
andere fie betreffende Streitfrage, und über Leute, die
fich felbft als Bifchöfe bezeichnen und ordinieren, und
über die eigene Ordination der Bifchöfe'.

Um einen Überblick über den reichen Inhalt der
Briefe zu geben, heben wir nun in zwanglofer F'orm und

I kürzefter Faffung die wichtigern der behandelten Fragen
heraus, wobei fich die in Parenthefe gefetzten Zahlen auf
die Seiten der englifchen Überfetzung beziehen. Rück-
fichtlich der Ordination ftellt Severus folgende Grund-
fätze auf: Jeder kann fich ordinieren laffen, wenn jemand

1) Mittlerweile ift von Kugeners Überfetzung der Vita des Severus
das 1. Heft und eine Halle'fche Doktor-Differtation von Peisker über Severus
von Antiochien' erfchienen, f. Theol. Litztg. Nr. 4 Sp. 126, 125.
(Anm. d. Ref.)