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Ausgabe:

1904

Spalte:

141-142

Autor/Hrsg.:

Morin, Germain

Titel/Untertitel:

Un symbole inêdit attribue a S. Jérôme 1904

Rezensent:

Harnack, Adolf

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I4i

Theologüche Literaturzeitung 1904. Nr. 5.

142

des Urtextes wegfallen, halten wir eine richtige Erfaffung
und Wiedergabe der fyrifchen Überfetzung durchaus für
möglich, da fie doch, wie Greßmann mit Recht urteilt,
.trotz der mancherlei Mangel volles Lob wegen ihrer
peinlichen Akribie und Treue, die kaum größer fein
könnte, verdient'. Ref. glaubt fogar, daß von der Zu-
fammenftellung der unrichtigen Erfaffung der Bedeutung
einzelner Wörter, die Greßmann S. 47 bietet, noch Ver-
fchiedenes in Abzug zu bringen ift, infofern u. a. 5, 22
in der Wiedergabe von sgyaOT^giov durch ,Kunft' (ftatt
,Kunftwerkftatt') wohl nur Ausfall von 2^ vorliegt, wie
denn auch angemerkt fein könnte, daß der Syrer bei
öiazQißrj, das er 99, 6 falfch durch .Lebenswrife' (ftatt
.Wohnung') wiedergibt, 97, 12 die Bedeutung .Wohnung'
richtig erkannt hat (ebenfo hatte der Verf. auch zu S. 59
Z. 10 angeben können, daß ftch die Verbindung Vs? ]o^?
fonft häufig, z. B. 7, s v. u.; 8, 17; 13, i V. u.; 14, 2 etc.
findet). Für die Beurteilung des uns vorliegenden fyrifchen
Textes muß man überhaupt im Auge behalte n, daß die
zahlreichen Textfehler nicht etwa bloß auf zufällige
Korruption zurückgehen, daß vielmehr viele davon (vgl.
die Zufammenftellung S. 52) darin ihren Grund haben,
daß der Abfchreiber der uns einzig erhaltenen Hand-
fchrift den Sinn des von ihm Kopierten einfach nicht ver-
ftand, weil es über feinen Horizont hinausging. Daß
man bei der von Greßmann beobachteten forgfaltigen
Berückfichtigung der Ausdrucksmittel des Syrers der
richtigen Erfaffung des Sinnes und Zufammenhanges weit
näher kommen kann als Lee, das beweifen vor allem
die Stellen (f. z. B. S. 93), wo Lee feine Überfetzung
nur mit Hilfe einiger Texiänderungen zuftande gebracht
hat, während fich bei der richtigen Erfaffung des Linnes
der Textvorlage ergibt, daß diefe völlig in Ordnung
ift. Ferner kann man die Beobachtung machen, daß man
im ganzen in der Kenntnis desSyrifchen weitergekommen
ift; denn z. B. die falfche Auffaffung der Stelle I, 15 (vgl.
S. 56), wo Lee bei fta^ nur an die Bedeutung ,Berg'
dachte, während es doch hier (mit anderer Vokalifation!)
Maß" = .Zeitraum' bedeutet, wäre heutzutage kaum
mehr denkbar. Bei der Überfetzung diefer Stelle hätte
aber Greßmann fchärfer zwilchen wortgetreuer und finngemäßer
Übertragung fcheiden müffen. Denn feine
Wiedergabe: ,die Gewichte, die (uch zeigen) in den
gleichen Schwankungen der Ausdehnungen der Tage und
Nächte' fchwebt in der Mitte zwifchen beiden Möglichkeiten
, während bei finngemaßer (durchaus nicht etwa
freier!) Wiedergabe zu fagen war: .die regelmäßigen
Schwankungen der Tag- und Nachtgleichen', bei wörtlicher
Wiedergabe aber lo: ,die Regeln (eig. Gewichte)
der Schwankungen der gleichen Zeiträume der Tage und
Nächte'. Das fich als Üoerfetzung von zoJictQXtca findende
fyrifche Wort |_^| ift aus etymologifch getreuer
Wiedergabe des ins Griechifche übergegangenen Titels
patricius (als ob= patricus) abzuleiten, alfo nicht mit dem
Verf. (S. 85) als .Väterchen' zu faffen. Bei der Diskrepanz
in dem Wortlaute der Stelle 1421 || Pfeudo-Ariftoteles
xegl xoopov ed. Bekker 398a (vgl. den fyrifchen Wortlaut
bei Lagarde, Analccta Syriaca 150, 28 ff.) ift wohl
kaum an literarifche Abhängigkeit zu denken; zum
wenigften würde, wenn nicht bloß ein zufälliges Zu-
fammentreffen in der Ausprägung diefes Bildes oder
eine ftereotyp gewordene Vergleichung vorliegt, nicht
ein Citat, fondern nur freie Wiedergabe des Sinnes der
Stelle zu konftatieren fein.

Zürich. V. Ryffel.

Morin, Germain D., Un Symbole inedit attribue a S. Jeröme

(Revue Benedictine 1904, Janv. p. I—9).

Der unermüdliche und erfolgreiche Handfchriften
forfcher Morin hat den Freunden der Symbolgefchichte
ein uberrafchendes Gefchenk auf den Weihnachtstifch

gelegt. Er hat ein altes Symbol entdeckt und publiziert
(aus 4 Handfchriften saec. IX., XII. und XIV.), welches
faft fo viele Rätfei aufgibt, als es Sätzchen umfaßt, ein
symbolum mixtum, wie es feltfamer nicht erdacht werden
konnte. Orient und Occident, Karthago und Rom,
Nicänum und Apoftolicum fchwirren in ihm durcheinander
und dazu enthält es Sätze, die man noch
nie in einem förmlichen Symbol gefunden hat,
von denen ich aber zwei als Beftandteile alter
regulae fidei (in Hahn's Bibliothek der Symbole3
S. 378. 381) angemerkt hatte. Würde fich heute
Jemand die Aufgabe ftellen, ein gemifchtes Symbol aus
den bei Hahn flehenden orthodoxen Symbolen des
2.—4. Jahrhunderts zufammenzuftellen, fo könnte das
Ergebnis nicht wefentlich anders ausfallen (abgefehen
von den zwei Sätzen). Der Redaktor des neuentdeckten
Symbols muß fich eine ähnliche Aufgabe geftellt haben.
Jeder Kenner der Symbolgefchichte wird mit grenzen-
lofem St.iunen folgende Formel lefen:
Credo in unum deum patrem omnipotentem, visibilium et

invisibilium factorem.
Credo in unum dominum Jhesum Christum filium dei,
natum de deo, deum de deo, lumen de lumine,
omnipotentem de omnipotente,
deum verum de deo vero,

natum ante saecula, non factum, per quem facta sunt omnia

in caclo et in terra;
qui propter nostram salutem descendit de caelo,
coneeptus [est] de spiritu saneto, natus ex Maria virgine,
passus est passione sub Pontio Pilato, sub Herode rege

crueifixus,

sepultus, descendit ad inferna, calcavit aculeum mortis,

tertia die resurrexit, apparuit apostolis,

post haec ascendit od caelos, sedet ad dexteram dei patris,

inde venturus iudicare vivos et mortuos.
Credo et in spiritum sanetum, deum non ingenitum

neque genitum, non creatum neque factum, sedpatri

et filio coaeternum.
Ci'edo remissionem pecatorum in saneta ecclesia

catholica,
sanetorum communionem,

carnis resurrectionem ad vitam aeternam. Amen.

Morin hat bereits das Symbol Satz für Satz hiftorifch
kommentiert d.h. die wichtigften ParallelfiVllen bez.Fundorte
angemerkt. Ich habe die auffallendften Stellen gefperrt
gegeben. Das Symbol will von Hieronymus herrühren,
und es fpricht viel dafür, daß es wirklich von ihm herrührt
bez. aus dem Kreife des Damafus und aus Erwägungen
flammt, deren Urheber man in Rom am Ende
des 4. Jahrhunderts oder vielleicht erft am Anfang des
5. zu fuchen hat. Das altrömifche und das nieänifche
Symbol erfcheinen hier verbunden unter dem Zeichen
der Entfcheidung für die volle Gottheit des h. Geiftes.
Aber warum fehlt oßoovoioq und ex xinq ovoiag xov
jrarpoc? Man muß an ein abfichtliches Vermeiden des
Begiiffs ,substantial denken. Und wie taucht hier auf
einmal das afrikanifche ,remissionem in saneta ecclesia
catholica1 auf und das cyrillifche ,ad vitam aeternam''?
Was foll man zu dem ,sanclorum communionem' fagen
das uns im Abendland zuerft der Dacier Nicetas bietet?
Wie kommt ,omnipotentem de omnipotente' hieher, das
bisher nur für Athanafius belegt ift (Hahn § 194)? Und
endlich — ,sub Herode rege' und ,apparuit apostolis',
Sätze, die bisher nur in Glaubensregeln gefunden find!
Was bezweckte das Symbol? Ift es ein Entwurf, eine
Privatarbeit oder was fonft? Hr. Kattenbufch ift vor
Allem berufen, uns darüber Auffchlüffe zu geben.

Berlin. A. Harnack.