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Ausgabe:

1904 Nr. 4

Spalte:

123-124

Titel/Untertitel:

Zwingliana. Mitteilungen zur Geschichte Zwinglis und der Reformation. 1903. (Bd. I, Nr. 13 u. 14.) 1904

Rezensent:

Bossert, Gustav

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123

Theologifche Literaturzeitung. 1904. Nr. 4.

124

fichtspunkten erwogen, welche die gegenwärtige Sachlage
nahe legt'. Auch die im letzten Abfchnitt enthaltenen
,Bedenken wider die unter uns herkömmliche
Art der kirchlichen Behandlung bringen nicht von ihm
allein Gefundenes'. ,Doch fchien es mir für unfre Kirche
dienlich, fie einmal offen auszufprechen. Es gefchieht
aus Antrieben, welche der Seelforge, der eignen Erfahrung
und der theologifchen Umfchau entflammen'.
Mögen diefe Anregungen, für welche wir allen Grund
haben dem Verf. dankbar zu fein, die gebührende Achtung
finden!

Straßburg i. E. P. Lobftein.

Zwingt iana. Mitteilungen zur Gefchichte Zwingiis und
der Reformation. Herausgegeben von der Vereinigung
für das Zwinglimufeum in Zürich. Redaktion: Prof.
Dr. Emil Egli. 1903. Nr. 1 und 2. (Nr. 13 und 14.]
(S. 323—386 gr. 8. m. 4 Taf., 1 Abbildg. u. 1 Fkfm.)

Fr. 1.50

Wiederum bietet die kleine Zeitfchrift, die nur 64
Seiten in 2 Heften umfaßt, eine reiche Fülle von Beiträgen
zur Gefchichte der Schweizer Reformation. Allgemeine
Beachtung bei allen Freunden der Reformations-
gefchichte verdient die Arbeit E. Eglis ,Zur Einführung
des Schriftprinzips in der Schweiz', der die Bedeutung
Zwingiis und der Züricher Reformation für die ganze
Schweiz an dem Gebot der fchriftgemäßen Predigt als
einer Frucht der erften Züricher Disputation nachweift,
das durch die ganze Schweiz ein Echo findet. Denn
dem Beifpiel Zürichs, das am 29. Jan. 1523 das Gebot
erließ, folgten anfangs April Schaffhaufen, April oder
Mai (vgl. S. 384) Bafel, 15. Juli Bern, 29. Juli Mülhaufen
im Elfaß, 4. April 1524 St. Gallen, Ende April 1524
Appenzell, Sommer 1524 Toggenburg. Dabei wird noch
zu fragen fein, wie weit die Verhandlungen des Nürnberger
Reichstags, befonders das Gutachten vom 13. Januar
1523, fchon in Zürich bekannt war. Baiter behandelt
die Zwingliftätten in Alt-Zürich, während Egli einige
Lebensbilder aus dem Kreife der Reformatoren der
Schweiz gibt, fo von Regula Zwingli, der älteften Tochter
Ulrichs, der Gattin Rudolf Gwalthers (vgl. das
hübfehe Titelbild Nr. 1) und von Walter Klarer, dem
Reformationshiftoriker von Appenzell, für deffen Reformation
das Verbot der Disputation am 7. Juli 1524 durch
Bifchof Hugo von Konftanz beachtenswert ift. Auch
fonft findet (ich viel neues biographifches Material, welches
auch der neuen Zwingli-Ausgabe zu gut kommen wird,
fo über Hans Klarer, gen. Schneck, welcher Ulr. v. Hutten
bei fich aufnahm, Fridolin Hirudäus, d. h. Egli, dem
Erasmus einen Zettel, etwa ein Stammbuchblatt, widmet,
Jak. Heer von Glarus, Joh. Haller, Pfarrer zu Bulach, der
neben Zwingli bei Kappel fiel und ihn nach einer guten
Quelle zu der letzten Anfprache an die Seinen veran-
laßtc, während nach Bullinger Bernh. Sprüngli fie hervorrief
. Ein Stimmungsbild aus der Zeit der konfeffionellen
Kämpfe gibt Rahn nach erhaltenen Glasgemälden (vgl.
die Bilder in Nr. 2). Dankenswert ift der Nachweis von
Hahn, daß Zwingli bei feiner Äußerung über Erasmus,
der in Matth. 10, 29. 30 Hyperbeln fah, die op. tont. IX(Lugd.
Batav. 1706), col. 1240 t?. u. D. im Auge hatte. Logodae-
dalus wird ihn Zwingli nicht als ,Denkkünftler'(Schweizer),
noch als ,Vernunftdaedalus' (Baur), fondern als Wort-
künftler bezeichnen, der die Worte wendet und dreht
wie Daedalus fein Wachs, ftatt fie einfach flehen zu
laffen. Dazu ftimmt allein logodaedalia, ein Wort, das
fich bei Aufonius findet (Georges), und die von Hahn
angezogene Stelle bei LucretiUS, De rerum natura IV,
551, aber auch die Analogie von Zoyouaxog. Hochwillkommen
ift der Vorfchlag Eglis, daß Zürich den Druck
der von ihm fchön gekennzeichneten Konftanzer Reformationschronik
Jörg Vögelis, des Konftanzer Stadt-

j fchreibers, übernimmt, da diefer in Zürich 1546 feine Zuflucht
gefunden, während das heutige Konftanz kein
Intereffe dafür haben dürfte. Für die Zeitgefchichte, wie
für die Gefchichte der Krankheit Zwingiis ift die Zu-
fammenftellung der verfchiedenen Berichte über die in
der Schweiz gewaltig auftretende Peft 1519 wertvoll.
Den Stand der Durchfchnittsbildung in Vadians und
Keßlers St. Gallen beleuchtet das von einem Sattler
chiellariusf) gefertigte Stadtbild aus dem Jahre 1545 (vgl.

j das Titelbild Nr. 1). Der eigentliche Name des Künft-

I lers verdient noch feflgeftellt zu werden.

Nabern. G. Boffert.

Erklärung.

In Nr. 1 der Theologifchen Literaturzeitung hat Giefebrecht am
j Schlaffe feiner Befprechung meiner Studien über den .heiligen Reff mir
in erregter Weife 2 grobe Verftöße gegen die hebräifche Grammatik vor-
! geworfen. Ich halte es für richtig, dagegen Folgendes zu bemerken:

i) Daß die Syntax die perfektifche Auffaffung von Jef. 97fr. fordere,
die futurifche verbiete, hat Giefebrecht, wie ich es ja auch S. 101 angemerkt
habe, fchon früher behauptet. Die Wiederholung macht feine
Behauptung nicht richtiger. Ich flimme, was mein Rezenfent verfchweigt,
in der futurifchen Deutung mit Hitzig, Gefenius, Umbreit, Duhm und Marti
I überein, denen man doch kaum Kenntnis der hebräifchen Syntax abfprechen
I kann. Wie die futurifche Auffaffung hier (und Arnos 4»ff.) fprachlich
möglich ift, fo erfcheint fie mir auch fachlich als die paffendere. 2) Ich
I foll trotz der Form nVop vor den Suffixen im Hebräifchen bei der 3 Perf.
f. fing., trotz des PI am Ende diefer Form im Syrifchen und Arabifchcn
die Exiftenz der alten Femininform H3Mp im Hebräifchen — ,da hört fich
I doch alles auf — in Frage geftellt haben. Wer meine Erörterungen zu
I Jef. 714 (S. Iiöff. meiner Schrift) ruhig lieft, wird leicht erkennen, daß
Giefebrecht hier einen Stoß in die Luft macht. Es handelt fich dort natürlich
garnicht um die Leugnung diefer alten Form in einer für uns nicht
mehr erreichbaren Stufe des Hebräifchen; das kann niemand einfallen,
und es ift mir verwunderlich, daß mir mein ehemaliger Greifswalder Fa-
kultätsgenoffe und Freund Derartiges hat zutrauen können. Die Frage ift
vielmehr die, ob die im allgemeinen durchgedrungene Abfchleifung des P
in der einfachen (fuffixlofen) Femininform fich in dem uns vorliegenden
1 Hebräifch vollkommen durchgefetzt hat oder nicht. Ich habe mir er-
! laubt, jene wenigen textuell anftößigen Stellen, die für Erhaltung jener Form
j aufgeführt werden, als morfche Stützen anzufehn und demgemäß die über-
I fetzung PR"lp mit ,fie wird nennen' (Jef. 714) als irrig zu bezeichnen,
t Andere mögen anders urteilen, ein Grund zur Erregung liegt m. E. nicht vor.

Bonn. Meinhold.

Klarstellung.

Hierauf erwidere ich, daß ich meine Kritik an M. pflichtmäßig glaubte
in energifcher Form üben zu muffen.

ad I. Die hebräifche Synatax ift zu fchwierig, als daß man ein fo
wichtiges Indiz, wie es faft durch ein halbes Kap. in regelmäßiger Korre-
| fpondenz wiederkehrende Perfecta bieten, in ein paar Zeilen aus der Welt
| fchaffen dürfte, wie es M. zu Am. 4, 6—11 verfucht. Es wird ihm nach-
J träglich (warum nicht vorher?) wohl klar geworden fein, daß er fich zu
diefer Stelle eines faft einftimmigen Widerfpruchs der Fachgenoffen
| des 19. Jahrhunderts erfreut. Denn er ift in feiner .Erklärung' ängftlich
bemüht, diefes Kap. zu vermeiden und fucht die Streitfrage auf Jef. 9, 7 ff.
; hinüberzufpielen, wo er 4 Eideshelfer für fich anführen kann. Aber grade
| diefe Eideshelfer find fein Verderben, denn keiner von ihnen wagt es
(wie er von dreien von ihnen bei Nicderfchrift feines Buches wohl wiffen
konnte) Arnos 4,6—11 auf die Zukunft zu beziehen! Auch ich hatte
die Steigerung des Irrtums bei M. durch ein ,nicht nur Jef. 9 . . . fondern

auch Am. 4.....' angedeutet. Das ift ein typifcher Fall exegetifchen

Aberglaubens, den feine Urheber felbft nicht mitmachen wollen. Immerhin
: warum wird von Duhm und Marti keine Widerlegung ihrer Gegner
I beliebt, fondern ohne gründliche Motivierung über fie abgefprochen ? Das
hat Meinhold nur zu gut von ihnen gelernt.

ad 2. Bei dem geringen Umfang des A.T.s haben wir für vieh-
Sprachformen nur wenige Belege. Wer eine folche Form aus der Grammatik
ftreicht, obgleich fie nach feiner Anficht ficher einmal vorhanden war
und mit Suffixen reichlich belegt werden kann, muß fich fchon auf fcharfen
| Widerfpruch gefaßt machen. Ganz fchlimm aber wird die Sache für ihn,
! wenn er auf diefem anfechtbaren Grunde (als exiftiere jene Form nun nicht
; mehr) feine Exegefe einer einzelnen Stelle aufbaut. Das ift der vollendete
Zirkelfchluß, kein Wunder, daß fich Meinhold auch zu Jef. 7, 14 in splendid
Isolation befindet.

Königsberg. Giefebrecht.

Bibliographie

von Lic. theol. Paul Pape in Berlin.
jCciUfctic f£itcratur.

Bertholet, A., Der Buddhismus u. feine Bedeutung f. unfer Geiftes-
leben. Tübingen 1904, J. C. B. Mohr. (IV, 65 S. gr. 8.) 1 —