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Ausgabe:

1904 Nr. 3

Spalte:

68-70

Autor/Hrsg.:

Weissbach, F. H.

Titel/Untertitel:

Babylonische Miscellen 1904

Rezensent:

Meissner, Bruno

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Theologifche Literaturzeitung. 1904. Nr. 3.

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haben, wie man denfelben auch erklären möge. — I
Kap.VS. 158—213, Les choses sacrees, gibt ein ausführliches
Räfonnement über die heiligen Quellen, Felfen
und Bäume, welches darin gipfelt, daß auf femitifchem
Boden es fich nirgends um die Verehrung diefer Gegen-
ftände an lieh handle, fondern daß diefelben nur als
Wohnfitze, als Tempel von Geiflem in Betracht kommen.
Wenn man das auch zugibt, fo finden fich doch nicht nur
in der ganzen Welt, fondern auch im femitifchen Heiden- I
tum zahlreiche Züge, welche beweifen, daß die Geiftcr
jener Naturobjekte den Objekten felbft in einem fo hohen
Grade inhärieren, daß eine wirkliche Identität beider angenommen
werden muß. L. gibt diefe Tatfache teilweife
zu, aber er unterfchätzt ihre Tragweite, oder fucht
fie durch falfche Interpretation zu entkräften. So meint
er z. B. einmal (S. 163), daß die Heiligkeit der Quellen
damit zufammenhänge, daß in der ganzen Welt dem |
Waffer reinigende Kraft zugefchrieben würde. Diefe
Tatfache hat aber mit der Heiligkeit nichts zu tun, und <
die reinigende Kraft des Badens in heiligen Gewäffern
ift eine Sache für fich. Ebenfo unzuläffig ift es, die
Quellkulte von der Verehrung des babylonifchen Gottes
Ea, dem das ,Reich der Waffer' unterftanden habe, herzuleiten
. Denn von anderem abgefehen, ift Babylonifch
und Semitifch keineswegs identifch, was L. auch fonft
oft nicht beachtet hat. — Im Kap. VI, Les personnes
consacrees S. 214—243, kann ich nicht zugeben, daß der j
Priefter in erfter Linie .Opferer' gewefen ift. Vielmehr j
lehren alle Zeugniffe, daß feine urfprüngliche Domäne !
das Orakel und der Zauber waren. Hierzu ftimmt vortrefflich
daß hebräifchem Köh in,Priefter' im Arabifchen
Ka hin .Zauberer' entfpricht, fo fehr fich auch Lagrange
gegen diefe Gleichfetzung fträubt. Die von ihm vorgetragene
Deutung des fyrifchen Wortes für ,Priefter'
Kumra als qui offre Vholocaustc' ist in jeder Beziehung
verfehlt. — Der zweite Paragraph diefes Kapitels über
die Befchneidung ift etwas kurz geraten. Ich vermiffe
vor allem die Heranziehung von Richard Reitzen-
steins fcharffinniger Studie: .Zwei religionsgefchicht-
liche Fragen, Straßburg 1901, und der Verhandlungen,
welche fich daran geknüpft haben. — Im Kap. VI, Le
Sacrifice S. 244—258, finden fich eine ganze Reihe berechtigter
Einwendungen gegen herrfchende Theorien,
z. B. S. 267: ,Le Systeme de W. R. Smith est beaueoup plus
conforme a ce que nous apprennent les recherches de
Fanthropologie touchant la saintete du sacrifice et ses
effets surnatnrels. Mais il nous a paru qu' u exagerait
la saintete intrinseque de la victime, qu'il supposait toujours
ctre une victime divine, a tel point que Frazer a pu lui
reprocher d'avoir csquisse sa theorie d'apres F'Eucharistie^
— Der Verf. hält fich felbft faft ausfchließlich an die
Negation und iß, wie er ausdrücklich hervorhebt, noch
zu keinen abfchließenden Ergebniffen gekommen, ein
fchöner Beweis für die Gewiffenhaftigkeit, mit der er feine
Unterfuchungen führt. — Auf Kap. VIII, Les morts
S. 269—296, das fehr viel gegen meine Arbeit über den
gleichen Stoff polemifiert, vielleicht nicht immer mit
Unrecht, gehe ich nicht näher ein. Ich bedaure nur,
daß er meinen Auffatz Zeitfchr. f. d. altteß. Wiffenfchaft
1898S. 126—148 nicht herangezogen hat. — Diebabylonifche
Mythologie (Kap. IX S. 297—350) iß im Allgemeinen
wahrfcheinlich ganz unfemitifch und kommt für diefes
Buch eigentlich nur infoweit in Betracht, als fie auf die
religiöfe Kultur der übrigen femitifchen Völker von Einfluß
gewefen iß. Die Israeliten find zuerß durch die Ver-
mittelung der Kanaanäer mit diefer Geißeswelt in Be
rührung gekommen. Und die phönizifche Mythologie
(Kap. X S. 351 — 393) iß auf ihren Zufammenhang mit
der babylonifchen noch längß nicht fcharf genug ange-
fehen, trotz alles Panbabylonismus unferer Tage.

Wenn ich mich auch mit den Refultaten Lagranges
im Wefentlichen nicht befreunden konnte, fo muß ich
doch ausdrücklich hervorheben, daß fich in dem Buche

nicht nur viele treffliche Einzelbemerkungen, fondern
auch mancherlei neue Materialien finden, und daß L.
namentlich für die fchwachen Pofitionen feiner Gegner ein
fcharfes Auge hat. Darum werden auch die Anhänger
der evolutioniflifchen Schule fehr viel von ihm lernen
können.

Gießen. Fr. Schwally.

Weissbach, F. H., Babylonische Miscellen. Mit einem Lichtdruck
, drei Figuren im Text und 15 autographifchen
Tafeln. (Wiffenfchaftliche Veröffentlichungen der Deut-
fchen Orient Gefellfchaft, Heft 4.) Leipzig 1903, J. G.
Hinrichs'fche Buchhandlung. (IV, 52 S. Fol.) M. 12.

Die Grabungen der Deutfchen Orient-Gefellfchaft
in Babylon find bis jetzt wenigßens in epigraphifcher
Beziehung, merkwürdig wenig vom Glücke begünßigt
worden. Trotzdem auch hier literarifche Schätze, befon-
ders aus fpäterer Zeit, noch unter der Erde ruhen, wie
gelegentliche durch Antiquitätenhändler vermittelte Funde
zeigen, iß es den deutfchen Ausgräbern noch nicht gelungen
, diefe Stätten zu finden. Die Hauptfunde der vierjährigen
Grabungen legt uns nun Weißbach, der Affyrio-
loge der Expedition, in diefen Miscellen in Autographie,
Umfchrift und Uberfetzung, die von gelehrten Anmerkungen
begleitet iß, vor.

Diefelben enthalten 17 Nummern, die ich den Lefern
der Theologifchen Literaturzeitung wenigßens kurz vorführen
möchte.

I. Die fchlecht erhaltene Infchrift eines Nagelzylinders
erwähnt einen Sin-magir. Der Schluß, daß diefer Mann
ein König von lfm war, weil in der zweiten Kolumne die
Titel eines folchen aufgeführt werden, fcheint mir indes
nicht flringent zu fein. Die Lücke zwifchen Kol. I und II
war groß, und wir wiffen auch nicht einmal annähernd,
was fie enthalten hat.

II. Infchrift auf einem Keulenknauf, enthaltend die
Dedikation des Melisihu, des Sohnes des Kurigalzu.
In einer Studie kommt W. zu dem Schluß, daß diefer
Mehlihu als der erße feines Namens anzufehen und in
die Lücke der Königsliße einzureihen fei.

III. Die Infchrift eines Keulenknaufs gibt den Namen
eines neuen Königs des Meerlandes {Ulaburarias). hinku
bedeutet gewiß den Keulenknauf, hat aber feinen Namen
nicht vom ,Verdicken', fondern gerade vom ,Zufammen-
fchnüren'. Die Wurzel pin bedeutet in allen femitifchen
Sprachen ,ßrangulieren', und bis auf den heutigen Tag
bezeichnet man im Atlasgebirge mit hueq diejenige Stelle,
wo das Gebirge zufammengefchnürt iß, einen Paß. Eine
entfprechende Bedeutung muß hinku auch Afurnas. III,
30, 44 gehabt haben. Der Stamm iß im Affyrifchen nicht
gar feiten: z. B. Rm. II, 139, r, (publiziert von Boiffier in
der Rev. setn. 1901): summa zikaru hirtahi ezibma ih-nu-uk-si
ikkali wenn ein Mann fich von feiner Frau trennt und fie
erwürgt, wird er verbrannt. 38130 Kol. I, 39 (BT. XII, 12)
wird BAD durch hi-in-ku erklärt, und in dem medizini-
fchen Texte 79, 7—8, 22 Vs. 8 (BT. XIV, 36) findet fich

hi-nik-ti als Krankheitsname; vgl. Li****" ij>GüCä|. — Der
Steinname sü, sü für usü kommt auch K. 240, 1 (BT.
XIV, 15) + K. 4232, i (ib. 17): TAK-DAN-GA = (äfian)
su-u vor; vgl. auch K. 240, 8 b: (aban) su-u und Hroznv,
Mythen von Ninrag 42, 24. — Die Gleichung AN-NAB =
Bei, gegen die W. Mißtrauen hegt, bleibt beßehen; denn
fie wird durch 93035 Kol. II, 21 (BT. XII, 4) geßützt.

IV. Das Relief und die Infchriften des Samas-res-
usur. Das Relief ßellt Ißar, Adad und eine andere Gottheit
auf Poßamenten, zwifchen ihnen Samas-res-usur, den
Statthalter von Suhl und Maler dar. Die Arbeit iß fehr
roh, befonders wenn man das Original, und nicht die nicht
fehr gelungene Reproduktion betrachtet. Der linke Fuß
des Weihenden iß z. B. einfach umgeklappt, fodaß <li<: