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Ausgabe:

1904 Nr. 2

Spalte:

710-711

Titel/Untertitel:

Analekten zur Geschichte des Franciscus von Assisi 1904

Rezensent:

Lempp, Eduard

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709

Theologifche Literaturzeitung. 1904. Nr. 26.

einziehen von manchem Entbehrlichen und einer gewiffcn
Ungleichmäßigkeit. Aber Fleiß und Umficht find nicht
zu verkennen, die Literatur ift in reichem Umfang herangezogen
und berückfichtigt. Ihr Gepräge empfangen die
Ausführungen Snellmans dadurch, daß fie wefentlich im
Gegenfatz zu Seecks Unterfuchungen gehalten find; fie
vertreten darinnen m. E. das Richtige. Mit Recht betont
Snellmnn fchon gegen Seeck die Dienfte, die das rechte
Verdändnis der dogmengefchichtlichen Zeitlage der hido-
rifchen Forfchung leidet; er möchte in Hinficht diefer
dogmengefchichtlichen Zeitlage wie bei Origenes fo auch
bei Lucian eine Doppelheit der Chridologie wahrnehmen
und in dem Arianismus den letzten Kompromiß zwifcheti
der monarchianifchen und der Logoschridologie erblicken.
Mit Recht nimmt er Eufebius von Cäfarea und Athanafius
gegen die Anfchuldigungen Seecks auf Unwahrhaftigkeit
und Fälfchung in Schutz, während er fich ihm in der Anerkennung
des hohen Quellenwertes des Sozomenus an-
fchließt, nur mit Batiffol daran erinnernd, daß diefer aus
dem Werk eines Arianers gefchöpft hat. S. 46h zeigt er
die Unhaltbarkeit der Behauptung Seecks, daß die
Kirchenhidoriker des 5. Jahrhunders erd nach der Beilegung
desLicinius hätten den arianifchen Streit beginnen
laffen. Eingehend widerlegt er S. 98ff. Seecks Hauptthefe,
daß Licinius in die Anfänge diefes Streites fehr energifch
und einflußreich eingegriffen habe. Ohne zu bedreiten,
daß der Arianismus durch die Vermittlung Eufebs von
Nikomedien von Licinius indirekte Unterstützung empfangen
hat, zeigt er doch, daß von einer weitgreifenden
Kirchenpolitik des Licinius nicht die Rede fein kann,
und daß das Jahr, bei dem die Dardellung des Sozomenus
einfetzt, nicht 321, fondern 324 id. Im Gegenfatz auch zu
Loofs fucht Snellman nachzuweifen (S. 71 ff. 103 ff.), daß
das von Theodoret KG. I, 4 erhaltene Rundfehreiben
des Bifchofs Alexander von Alexandrien dem u. a. bei
Sokrates KG. I, 6 überlieferten (beide u. a. bei Migne
SG 18 Sp. 547 ff.) erd nachgefolgt fei, und id geneigt —
ohne fich das Prekäre feiner Annahme zu verhehlen —,
die Lide (fehlt bei Migne Sp. 572) in dem Rundfehreiben
bei Theodoret, in welcher die Genoffen des Arius noch
als Diakonen, nicht wie in dem bei Sokrates als Presbyter
figurieren, für einen fpäteren Zufatz zu erklären. Für die
Anfänge des arianifchen Streites id der Verfaffer bemüht,
eine längere Zeit der Entwicklung der Gegenfätze darzutun
. Er fleht ihren Ausgangspunkt nicht bloß in der
dogmatifchen Differenz, fondern auch in einer Oppofition
der alexandrinifchen Presbyter gegen ihren Bifchof und
id bedrebt, dem Alteden der Presbyter Alexandriens
Kollutus einen großen Anteil an der Erregung des Streites
zuzufchreiben. Der Bifchof Alexander habe nur widerwillig
fich zum Vorgehen gegen Arius drängen laffen,
diefer aber habe erd jetzt die Konfequenzen feiner An-
fchauungen gezogen; zu einer umfaffenderen Bewegung
fei es jedoch erd durch das Eingreifen des Eufebius von
Nikomedien gekommen. — So find die Ergebniffe des Ver-
faffers recht intereffante. Es id auch anzuerkennen, daß
er fie durch forgfame Durchforfchung der Quellen gewonnen
hat. Doch würde feine Beweisführung und Dardellung
dringenter und durchfichtiger fein, wenn er trotz
dann nicht zu vermeidender Wiederholungen die Berichte
der einzelnen Quellen zunächd für fich vorgeführt und
kritifch beleuchtet (was z. B. an der ,uralten Tradition'
der Vita des Petrus von Alexandrien gefchichtlich wertvoll
id, erfährt man nicht) und dann den aus folcher
Quellenkritik fich ergebenden Gang der Entwicklung im
Zufammenhang gefchildert hätte.

Göttingen. Bonwetfch.

Analekten zur Geschichte des Franciscus von Assisi. Herausgegeben
von Prof. Lic. Dr. H. Boehmer. (Sammlung
ausgewählter kirchen- und dogmengefchichtlicher
Quellenfchriften, als Grundlage für Seminarübungen
herausgegeben unter Leitung von Profeffor Dr. G.
Krüger. Zweite Reihe. Sechdes Heft.) Tübingen 1904,
J. C. B. Mohr. (XV, 109 S. gr. 8.) M. 2.—

— Dasfelbe. S. Francisci opuscula, regula paenitentium,
antiquissima de regula Minorum, de stigmatibus s.
patris, de Sancto eiusque societate testimonia, mit
einer Einleitung und Regeden zur Gefchichte des
Franciscus und der Franciscaner herausgegeben von
Profeffor H. Boehmer. Tübingen 1904, J. C. B. Mohr.
(LXXII, 146 S. gr. 8.) M. 4.—

B. will eine kritifche Ausgabe der opuscula
S. Francisci bieten. Das Urteil, das Müller im Jahre
1885 über die dem Heiligen zugefchriebenen Werke aus-
gefprochen hat, daß fie größtenteils zweifelhaft feien und
auch zur Kenntnis des Werkes des Franziskus kaum
etwas beitragen, id inzwifchen befonders durch die Arbeiten
von Sabatier und W. Götz doch modifiziert
worden. Freilich find die Werke des Franziskus von
fehr verfchiedenem gefchichtlichen Wert, wie das B. § 6
p. XLVff. felbd darlegt. Ja die Sache liegt fo, daß man
bezweifeln kann, ob die gewöhnliche, auch von B. gewählte
Einteilung der Schriften in echte, zweifelhafte und
unechte überhaupt hier am Platze id. So wird die Regel
von 1223 unter den echten Werken des Heiligen aufgeführt
, obgleich B. p. XL VI urteilt, daß von Franz
höchdens ein Entwurf der Regel geliefert worden fei,
daß aber die heute vorliegende Form der Regel von
den Minidern und Hugolin dämme. Andererfeits wird das
Memoriale, die neuerdings von Sabatier entdeckte Tertiarierregel
, unter den unechten Werken des Franziskus
aufgeführt S. 73, obgleich nach Anficht B.s p. XXXV
die erden 12 Kapitel desfelben mit Ausnahme von 6, i(?);
6,2; 10,3 von Franziskus felbd und Hugolin dämmen.
Wenn B. Recht hat mit feiner Anficht, fo gehört das
Memoriale ebenfo unter die echten Werke des Heiligen
wie die Regel von 1223, ja eher noch mehr, infofern als
hier wenigdens die Minider nicht, wie dort, dreinredeten.
Man kann aber gerade fo gut fagen, beide Schriftdücke
gehören überhaupt nicht unter die echten Werke des
Franziskus; hier hat eben die Unterfcheidung von echt
und unecht kaum einen Sinn.

Ebenfo fcheint mir die Aufnahme der fogenannten
erden Regel unter die echten Werke des Heiligen nach
dem gegenwärtigen Stand der Unterfuchungen unfiatt-
haft, da fchlechterdings nicht auszumachen id, wie viel
aus derfelben wirklich von Franz herrührt; man kann
auch da nicht von echt und unecht reden.

Mit Recht hat Prof. Krüger, für deffen Sammlung
von Quellenfchriften das Buch B.s gefchrieben wurde, eine
Einleitung gewünfeht, worin die Quellen kritifch beleuchtet
und die Gründe der Aufnahme gerade diefer
Opuscula dargelegt werden. Eine folche Einleitung id
nötig, denn in den letzten Jahren id fo erdaunlich in
Franziskusliteratur gearbeitet worden, daß es große
Mühe und viel Zeit bedarf, um nur einigermaßen mit
den neuen Erfcheinungen und Meinungen auf dem
Laufenden zu bleiben, hat doch B. eine fo ausgezeichnete
Arbeit wie Tilemanns Spcculum perfectionis etc. vom
Jahre 1902 fchon für antiquiert erklärt (p. LXXII). Eine
Frage id mir nur, ob das, was B. will, auf den kurzen
Seiten einer Einleitung geleidet werden konnte. Ein
Beifpiel: Zur Unterfuchung der einzelnen Opuscula auf
ihre Echtheit wird in reichlichder, nachdrücklichder
Weife das Speculum perfectionis beigezogen, einzelne
Stücke wie die faudes dei' werden ausfchließlich