Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1904 Nr. 26

Spalte:

708-709

Autor/Hrsg.:

Snellman, Pravo

Titel/Untertitel:

Der Anfang des arianischen Streits 1904

Rezensent:

Bonwetsch, Gottlieb Nathanael

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

707 Theologifche Literaturzeitung. 1904. Nr. 26. 708

Sie berichten von einer Verfolgung, die Herodes (Agrippa)
gegen ,einige von der Gemeinde' unternahm, um fich bei
den Juden populär zu machen; Jakobus, Johannes' Bruder,
wurde mit dem Schwert getötet, Petrus entkam auf
wunderbare Weife. Der Bericht ift fchlechter als der des
Papias, da er Johannes um der fpäteren Tradition willen
ausläßt; dagegen iß; es kein Widerfpruch, wenn die
Apoftelakten den König, Papias die Juden als Mörder
nennen'. ,Als hiftorifche Tatfache muß demnach an-
gefehen werden, daß Jakobus und Johannes im Jahre 43
oder 44 auf den Befehl des Königs Agrippa hingerichtet
find' (S. 5, vgl. S. 48: ,Nach dem Doppelzeugnis des
Marcusevangeliums und des Papias find die beiden Zebe-
däusföhne zufammen geftorben: die kanonifchen Apoftelakten
12, 2 erzählen nur, daß der König Herodes Agrippa
Jakobus, den Bruder des Johannes, getötet hätte; Johannes
fehlt. Er ift auf Grund der ephefinifchen Legende ge-
ftrichen, fchwerlich fchon von dem Redaktor').

Außer Act. 122 fteht der Annahme von dem frühen
Tode des Johannes freilich auch Gal. 2» entgegen. Schw.
nimmt daher an, daß hier nicht der Zebedaide, fondern
Johannes Marcus gemeint ift. ,Ein Zwang, den Zebedäus-
fohn zu verliehen, liegt nicht vor' (S. 5). Von den Notizen
der Apoftelgefchichte über Johannes Marcus (1212.
25. 135. 13. 1537) fcheidet Schw. 1225 und 135. 13 als un-
hiftorifch aus, während 1212 und 1537fr. mit Gal. 2<> wohl
vereinbar feien (nämlich 15,37fr. die Tatfache des Konflikts
zwifchen Paulus und Johannes, nicht das angegebene
Motiv). Von Johannes Marcus fei der Marcus der Paulusbriefe
(Col.410. Philem.24. II Tim. 411) zu unterfcheiden (S. 6).

Um die Entftehung von der Tradition über das hohe
Alter und den ephefinifchen Aufenthalt des Johannes zu
erklären, tritt der Verf. in eine fehr weit ausgreifende
Unterfuchung über die Wertung des Johannes-Evangeliums
in der alten Kirche bis gegen Ende des zweiten Jahrh.
n. Chr. ein. Diefe Unterfuchung füllt den größten Teil

apoflolifchen Evangeliums neu fundiert durch die Theorie,
es fei zur Ergänzung der drei anderen gefchrieben' (S. 44).
Um der Ergänzungstheorie willen mußte aber ,die Überlieferung
von dem Märtyrertod der beiden Zebedäusföhne
korrigiert werden' (S. 46). Damit ift die Legende von
dem hohen Alter des Johannes erklärt; aber noch nicht
die von dem ephefinifchen Aufenthalt desfelben. Diefe
hat ihre Wurzel in denfelben Stimmungen, ,aus denen
die Kleinafiaten darauf verfielen, den Evangeliften Philippus
mit feinen Töchtern zu annektieren' (S. 46), d. h. in dem
Bedürfnis der Kleinafiaten, ,große Lichter' zu befitzen,
wie Rom folche befaß (S. 17). Dabei mag die Apokalypfe
mitgewirkt haben. Die Zurückführung derfelben auf den
Apoftel wurde unendlich leichter, wenn der Verf. der
fieben Sendfehreiben auch felbft in Kleinafien gelebt hatte
(S. 46). Ein Zeugnis für die ephefinifche Legende fteht
im N. T. felbft: im unechten Anhang des Johannesevangeliums
(das fiaveiv emq eQ^ofiat 21, 22 verlieht Schw.
S. 49 von dem ,Schlaf im Grabe, der kein Tod war und
den Körper unverweft ließ'; 21,23 eme falfche Interpretation
des Vorhergehenden).

Wie man fieht, verzichtet Schw, darauf, die ,Legende'
vom ephefinifchen Aufenthalt des Apoftels Johannes
darauf zurückzuführen, daß dort ein Pres byter Johannes
wirklich gelebt hat. Er erkennt zwar die Exiftenz eines
,Presbyters' neben dem Apoftel an, findet aber bei Eufe-
bius das offene Eingeftändnis, daß ,der Presbyter Johannes
nur durch eine Hypothefe nach Ephefus verfetzt ift'
(S. 13). Irenäus aber hat ,feiner perfönlichen Erinnerung
an Polykarp deffen Zeugnis von feinem Umgang mit dem
Apoftel nachträglich untergefchoben' (S. 47).

Ich habe mich bemüht, fo zu referieren, daß auch die
Gründe des Verf. deutlich werden. Eine Beurteilung im
Ganzen wie im Einzelnen würde den Raum einer Abhandlung
erfordern. Was den Hauptpunkt anlangt, fo
ift die Frage die: ob der Ausgangspunkt fo ficher ift, daß
der Arbeit (S. 6—45), während dem im Titel genannten I man die kühne Kritik, welche an Act. I2a geübt wird, und

Thema nur die erften und die letzten Seiten gewidmet
find. Sehr eingehend wird die Schriftftellerei des Papias
behandelt. Die Bezeichnung des Johannes als {teoXöyog

die höchft unwahrfcheinliche Beziehung des Johannes
Gal. 2» auf Johannes Marcus mit in den Kauf nehmen
muß. Ich flehe nicht an, diefe Frage zu verneinen. Die

durch Papias in der oben angeführten Notiz glaubt Schw. j Wellhaufenfche Deutung und Verwertung von Marc. iOs»
nicht beanftanden zu dürfen. Wenn aber Papias diefen ! ift zwar fehr beftechend, aber fie ift nicht zwingend; das
Ausdruck gebraucht hat, ,fo folgt daraus allerdings, daß [ Wort kann als Leidensweisfagung überhaupt verftanden
er nicht nur das vierte Evangelium gekannt und für ! werden und braucht nicht notwendig als eine fo fpezielle

apoftolifch gehalten, fondern es fchon in einen gewiffen
Gegenfatz gegen die Synoptiker geftellt, es ihnen vorgezogen
hat' (S. 7). Dies fucht nun der Verf. auch durch
andere Beobachtungen wahrfcheinlich zu machen. Papias
bemängele unfer Marcus- und Matthäus-Evangelium in
dem bekannten durch Eufebius erhaltenen Zeugnis (S.

Weisfagung für die beiden Angeredeten aufgefaßt zu
werden. Und felbft wenn Wellhaufens Deutung zutreffend
und das Papias-Zeugnis glaubwürdig ift, ift damit noch
nicht die Gleichzeitigkeit des Märtyrertodes der Zebe-
daiden bewiefen. Die Vorausfetzung diefer Gleichzeitigkeit
ift es aber namentlich, durch welche Schw. zu jenen

18—23, daß diefes Zeugnis fich auf unfere kanonifchen kühnen und unwahrfcheinlichen Konfequenzen gedrängt
Evangelien bezieht, fcheint Schw. als felbftverftändlich worden ift.

vorauszufetzen; bekanntlich haben fall alle kritifchen
Theologen von Schleiermacher an bis zum Erfcheinen
von Jülichers Einleitung diefe Beziehung abgelehnt; erft
durch Jülicher fcheint fie wieder in Gang zu kommen).
Schw. hält ferner die Notiz des lateinifchen Prologes, daß
Papias die Abfaffung des 4. Ev. dem Johannes zugefchrie-

Göttingen. E. Schürer.

Snellman, cand. theol. Pravo, Der Anfang des arianischen

Streites, ein Beitrag zur Gefchichte des Streites, aufs

Neue unterfucht. Helfingfors 1904, Druckerei der
ben habe, ihrem Kerne nach für glaubwürdig (S. 23I.I. f ,„.. ,, ox

Sn fei Ha« vierte Evangelium fchon für Panias Has vor- nnnifchen Lltteratur-Gefellfchaft. (VII, 143 gr- 8-)

So fei das vierte Evangelium fchon für Papias das vor-

nehmfle. Aber nur das vornehmfte, nicht das ältefte; I Das Dunkel, das die Anfänge des arianifchen Streites

dafür könne er es bei feiner Kenntnis von dem frühen
Märtyrertode des Johannes nicht gehalten haben (S. 24).
Ein weiterer Fortfehritt in der Wertung des 4. Ev. ift
nach Schw. herbeigeführt durch die fcharfe Kritik, welche
■,die Aloger' an demfelben geübt haben. ,Die Aloger'
find aber eigentlich eine Einzelperfon, nämlich der römi-
fche Presbyter Gaius, der älter ift als Irenäus (S. 30—44).

einhüllt, muß immer aufs neue zu ihrer Unterfuchung
reizen. Dem Verfaffer, einem Schüler von Loofs, legten
die Arbeiten feiner Landsleute Gummerus und Heikel
noch befonders nahe, fich mit durch den Arianismus und
die Zeit Konftantins geftellten Fragen zu befchäftigen.
Er bekennt, es für feine Darftellung hemmend empfunden
zu haben, daß er fich einer ihm fremden Sprache bedienen

Er drang mit feiner Beftreitung der Authentie des 4. Ev. i mußte. Der Lefer wird ebendeshalb über allerlei Un-
nicht durch ,und übte doch eine tiefe und nachhaltige j ebenheiten im Ausdruck gern hinwegfehen. Auch ein

Wirkung aus, weil feine Kritik trotz dem dogmatifchen
Zweck präzis interpretierte. Um ihretwillen wurde die
ältere Anfchauung von dem befonderen Vorzug des

gewiffer Mangel an Schärfe in der Durchführung der
Aufgabe ift ficher durch die fremde Sprache mit bedingt.
Der Charakter der Erftlingsarbeit zeigt fich in dem Hin-