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Ausgabe:

1904 Nr. 26

Spalte:

700-703

Autor/Hrsg.:

Laqueur, Richard

Titel/Untertitel:

Kritische Untersuchungen zum zweiten Makkabäerbuch 1904

Rezensent:

Schürer, Emil

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Theologifche Literaturzeitung. 1904. Nr. 26.

700

Hauptmerkmalen und fucht auch ihre gefchichtliche Entwicklung
in knappen Zügen darzulegen. Eine Anmerkung
läßt uns hoffen, daß G. an anderer Stelle fich ausführlicher
über diefe Probleme auslaffen wird.

G.s Erklärung wie auch der letzte vor diefer veröffentlichte
Kommentar Duhms zeigen übrigens, daß die
feit langer Zeit ventilierte Frage nach dem betenden
Subjekt der Pfalmen keineswegs gelöft ift: während vor
einem Jahrzehnt als über allem Zweifel erhaben die An-
fchauung hingeftellt wurde, daß in faft allen Pfalmen das
betende Subjekt die Gemeinde fei, hält G. ähnlich wie
Duhm fie für gänzlich verfehlt und hat fie daher kaum
erwähnt. Ref. will es fcheinen, als ob G. in das entgegengefetzte
Extrem gefallen fei: bei einer Reihe von
Pfalmen wird der vorliegende Text von der Annahme
der Gemeinde als betendem Subjekt verftändlicher, als
von der entgegengefetzten Meinung aus, ich erinnere z. B.
an den Schluß von Pf. 22 u. a. Vielleicht gibt die in
Ausficht geftellte Publikation G. Gelegenheit, fich auch
mit diefer Frage eingehender auseinanderzufetzen; mit
einer vornehmen Handbewegung ift fie nicht abgetan.

Auch in diefer Arbeit G.s tritt uns das lebhafte Be-
ftreben entgegen, fich vor jeder Konftruktion zu hüten
und fo den uns überlieferten Text nach von anderen
Stellen entlehnten Gedankenreihen zu begreifen. G. legt
Wert auf diefe Art feiner Arbeit, die allerdings ihm nicht
eigentümlich, fondern auch von andern Exegeten erftrebt
wird. Unbeftritten muß freilich die Tatfache bleiben,
daß er, unterftützt durch religionsgefchichtliches Material,
das unfern Vorgängern noch nicht zu Gebote Band, beffer
als fie den genuinen Sinn mancher Stellen erfaßt hat.
Auch hier jedoch kann man des Guten zu viel tun. Das
fcheint mir in Bezug auf G.s Erklärung von Pf. 457 zu
gelten, wo G. Qinbtf MT als urfprünglichen Text anfleht
und daher in diefer Stelle den Beweis findet, daß auch
Ifrael einft feine Herrfcher als nirtbss angefehen habe.
SonfUge Stellen diefes Inhalts haben wir im A. T. nicht,
was auch G. zugeben muß: die von ihm beigebrachten
Parallelen, daß Gott und König in Einem Atem genannt
werden, oder der König mit Gott oder feinem Engel
verglichen, oder daß er Gottes Sohn genannt wird,
kommen als ernflhafte Beweife nicht in Betracht. G.
fcheint auch felbft betreffs feiner Erklärung nicht ganz
ficher zu fein, fchreibt er doch zu Pf. 82: ,Eine frühere
und zum Teil noch jetzt vertretene Erklärung hat in einer
fehr begreiflichen Scheu vor dem allzu Mythologifchen
behauptet, daß mit diefem Namen, ironifch oder gar
ernfthaft, heidnifche oder ifraelitifche Fürften gemeint
feien; aber beides ift fehr unwahrfcheinlich. Ein frommer
Jude hätte fich eher die rechte Hand abhacken, ja in die
Löwengrube werfen laffen, ehe er fich fo weit vergeffen
hätte, dem Gewalthaber göttlichen Namen zu geben und fo
die heidnifche Menfchenvergötterung mitzumachen!' M. E.
hat die wahrfcheinlichfte Erklärung feiner Zeit Brufton
gegeben, nach dem faft alle Exegeten heut ffW lefen.
Großen Wert legt G. auch auf einen anderen Gegenfatz
zu vielen feiner Fachgenoffen, die, wie er meint, von
einfeitig literar-kritifcher Arbeit aus zu einer durchaus
irrigen Auffaffung der Entwicklung der religiöfen Ideen
kommen. Diefer Gegenfatz tritt z. B. bei der Erklärung
von Pf. 2 hervor, der jetzt meift als einer der jüngeren
angefehen wird, während G. ihn in das 7. Jhdt. fetzt.
Einer der Gründe, welche für die nachexilifche Zeit
geltend gemacht find, ift die von Deuterojefaja beeinflußte
Idee des Weltreichs. Wenn G. demgegenüber bemerkt,
daß wir diefe Idee fchon aus dem uralten Stück Gen.
4910 kennen, fo hat er fich die Sache doch zu leicht
gemacht: gewiß werden alle Fachleute der Gunkelfchen
Anfchauung zuftimmen, daß man die Propheten nur von
der Annahme aus verftehen könne, ,daß fie eine Efcha-
tologie bereits vorgefunden, übernommen, bekämpft, umgebildet
haben' — wer wollte angefichts des Arnos das
leugnen — aber damit ift weder Gen. 4910 als uralt be-

I wiefen, noch auch die Idee des meffianifchen Königtums
! oder der Weltherrfchaft als uralter Beftandteil der Efcha-
I tologie dargetan. Betreffs Pf. 2 hätte G. fchon die von
ihm anerkannte Tatfache bedenklich machen follen, daß
unfer Pfalm fich mit der fpäteren Prophetie darin berührt,
daß er wie diefe ,von den Völkern' im allgemeinen redet,
während in der älteren Prophetie Affur, Ägypten und die
Chaldäer die entfcheidende Rolle fpielen vgl. S. 7. Diefe
fpätere Prophetie ift aber die nachezechielifche. — In
gleicher Weife wie die Datierung von Pf. 22 halte ich die
von 247fr. für fehr fraglich: m. E. ift der Pf. erheblich
leichter als meffianifcher vom Boden der nachexilifchen
Erwartungen aus zu verftehen.

In textkritifcher Beziehung hätte ich manche Fragezeichen
zu machen, doch fehlt mir der Raum, näher darauf
einzugehen, ich gebe nur einige kurze Bemerkungen.
Das noch wieder von G. beanftandete frittbÄ wird man
doch wohl anerkennen müffen angefichts' der Tatfache,
daß von der im Hebräifchen gebräuchlichen Wurzel DbS
aus ein t-fittbi mit paffender Bedeutung nicht zu gewinnen
ift. lSnp 224 als ,Heiligtum' hat an Jef. 5715 keine fichere
1 Stütze. — M. E. würde eine ftärkere Heranziehung der LXX
öfter befriedigendere Auffaffungen ergeben haben: ich
erinnere z. B. an 45« bbifilVl 9O2, an 1 Sam. 27 c,

der den Zufammenhang unterbricht und in LXX fehlt, an
46.-,, wo alle Wahrfcheinlichkeit dafür fpricht, daß in iriD
T^bS ein Wort Zufatz und zu lefen ift '1 jbö, fo daß 'ijbB
DTfbX rfiSlLri dem von LXX gebotenen zweiten Stichos
Jilb* iSÄttji? ttfrp entfpricht. Sehr fraglich fcheinen mir
die Konjekturen zu 236. 4211. 455. 9. 516b> nicht minder
die Erklärung von Jon. 2ob- 7. Sehr beachtenswerte Erklärungen
, die von G. anfcheinend nicht gekannt find,
liegen zu Pf. 1048 9. 14 15. 25. 26. 29 I Sam. 210 vor.

Aber diefe und andere Bedenken und Ausftellungen
follen den Wert der Arbeit G.s nicht etwa herabdrücken,
fie wollen vielmehr als Beweis für das lebhafte Intereffe
angefehen fein, mit dem der Ref. von G.s Arbeit Kenntnis
genommen hat: G. hat der gebildeten Gemeinde ein
ausgezeichnetes Hilfsmittel, um in den Geift der Pfalmen-
poefie einzudringen, gefchenkt.

Straßburg i. E. W. Nowack,

Laqueur, Richard, Kritische Untersuchungen zum zweiten
Makkabäerbuch. Straßburg i. E. 1904, Karl J. Trübner.
(VII, 87 S. gr. 8.) M. 2.—

Um ein Fundament für die Beurteilung des zweiten
Makkabäerbuches zu gewinnen, unterfucht der Verfaffer
zuerft fehr eingehend ,die Regierungszeit des Königs
Antiochus Epiphanes' (S. 3—29). Die zuversichtliche
und felbftbewußte Art, mit welcher er hier gegen Niefe
auftritt, erweift fich bei näherer Prüfung als wenig begründet
. In der Chronik des Eufebius erhalten wir an
zwei Stellen nähere Mitteilungen über die Chronologie der
Seleuciden. Im erften Buch, deffen vollständiger Text nur
armenifch erhalten ift, gibt Eufebius eine zufammen-
hängende Überficht über die Gefchichte der Seleuciden
(ed. Schoene I, 247—264). Die Quelle, aus welcher diefes
Stück entnommen ift, ift nicht genannt. Zweifellos ift es
Porphyrius, wie die ganz analogen Stücke über die
ptolemäifchen und makedonifchen Könige beweifen (1,159.
229). Wir haben hier alfo, wie allgemein anerkannt ift,
nicht eine Arbeit des Eufebius, fondern des Porphyrius.
Im zweiten Buche, den fogenannten Canones, berückfichtigt
Eufebius ebenfalls eingehend die Gefchichte der Seleuciden.
An beiden Stellen wird für jeden König die Regierungszeit
in vollen Jahren, fowie das erste und letzte Jahr der
Regierung nach der Olympiaden-Aera gegeben. Nun hat
Niefe darauf aufmerkfam gemacht, daß für die Zeit von
Antiochus III bis Demetrius I die Olympiadenjahre bei
Porphyrius und Eufebius durchgängig um ein Jahr differieren
: bei jenem werden alle Ereigniffe um ein Jahr fpäter