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Ausgabe:

1904

Spalte:

673-675

Autor/Hrsg.:

Nielsen, Ditlef

Titel/Untertitel:

Die altarabische Mondreligion und die mosaische Überlieferung 1904

Rezensent:

Bertholet, Alfred

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Theologische Literaturzeitung.

Herausgegeben von D. Ad. Harnack, Prof. in Berlin, und D. E. Schüret*, Prof. in Göttingen.

Jährlich 26 Nrn. Verlag: J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung, Leipzig. Jährlich 18 Mark.

Nr. 25. 10. Dezember 1904. 29. Jahrgang.

Nielsen, Die altarabifche Mondreligion und

die mofaifche Überlieferung (Bertholet).
Gaffer, Die Bedeutung der Sprüche Jefu Ben

Sira für die Datierung des althebräifchen

Spruchbuches (Bertholet).
Galliner, Saadia Al-Fajjumi's arabifche Pfal-

menüberfetzung und Kommentar, Pf. 73—89

(Bacher).

Sluijs, De Maccabaeorum libris I et II quae-

stiones (Schürer).
Weiß, Joh., Das ältefte Evangelium (Bouffet).
Klausner, Die meffianifchen Vorftellungen

des jüdifchen Volkes im Zeitalter der Tannaiten

(Schürer).

Schulthess, Lexicon Syropalaestinum
(Schwaüy).

Kugener, Vie de Severe (Schwally).
Köftlin, Martin Luther, 5. Aufl. fortgef. von

Kawerau, 2 Bde. (Boffert).
Merkle, Reformationsgefchichtliche Streitfragen

(Harnack).

Brockhaus' Konverfations-Lexikon, 17. Bd.

Supplement (Schürer).
Zur Notiz (Schürer und Kahan).

Nielsen, Ditlef, Die altarabische Mondreligion und die mosaische
Überlieferung. Mit 42 Abbildungen. Straßburg
1904, K. J. Trübner. (VI, 223 S. gr. 8.) M. 5.—

Im erften Teil feines Buches macht der Verfaffer den
Verluch einer Rekonftruktion der altarabifchen Mondreligion
aus Keilfchrifttexten und vornehmlich füdara-
bifchen Denkmälern. ,Um die äußere aftrale Gottesauf-
faffung zu verftehen und richtig beurteilen zu können',
fagt er, ,muß man im Auge behalten, daß die Babylonier
und fpäter nach ihnen andere Völker weder das unper-
fönliche Gehirn, noch die unpersönliche aftrale Kraft als
Gott verehrten, fondern einen perfönlichen ethifchen
Gott, deffen äußere Offenbarungsform die Gehirne
waren' (S. 17; von mir gefperrt). Zu diefer
Theorie, die recht eigentlich im Mittelpunkt feiner
Ausführungen über die .Gottesauffaffung' fteht, gelangt
der Verfaffer auf Grund einer Prüfung und Deutung der
alten Perfonennamen. Ich habe aber hark den Eindruck,
daß feine vorgefaßte Theorie es ift, auf Grund deren er
diefe Perfonennamen auf feinen ,perfönlichen ethifchen
Gott' deutet, und fie bleibt für die ganze Unterfuchung
verhängnisvoll. Ihr entfprechend foll der altarabifche
Gottesbegriff ein ,ausgeprägt myfteriöfer' gewefen fein
(S. 48). Zwar droht die äußere Gottesoffenbarung ihn
zu vervielfältigen: tatfächlich ift auch der typifche füd-
arabifche aftrale Gottesbegriff vier- oder dreifach, mit
Mond, Sonne, Venus (Merkur) als Gottesfymbol (S. 21).
Aber die Einheit des Gottesbegriffes wird ,auf myfteriöfe
Weife' wieder hergeftellt durch genealogifche Beziehungen

halte ich den Nachweis, daß Berg- und Fels- bezw.
Steinkult vom Himmelskult abgeleitete Erfcheinungen
feien, wie daß es die Zoo- und Anthropomorphismen
im aftralen Gottesbegriff (z. B. der ,Mann im Mond') gewefen
fein follen, die zur Auffaffung der Gottheit in
Tier- und Menfchengeftalt geführt hätten.

Nicht minder flehe ich faft dem ganzen zweiten Teil,
in dem der Autor feine bisherigen Refultate auf die
mofaifche Überlieferung zu übertragen fucht, ablehnend
gegenüber. Daraus nur weniges zur Illuftration.

In feinem midianitifchen religiöfen Milieu foll Mofe
eine ,innere persönliche Gottesauffaffung gefunden haben,
wo Gott allerdings als eine gerechte, aber vor allen Dingen
liebende Macht uns entgegentritt' (S. 127), und zwar auffallender
Weife nicht wie in Südarabien in dreifacher,
fondern nur in einfacher Form als Mond (S. 129). Während
Jahwe fein ethifches Appellativ ift(S. 136), ift 2*lh fein aftra-
ler Name, ,der Trockner = der Gott, der durch den Mond
die Meereswogen zurückzieht und den Grund des Meeres
trocken legt' (S. 133). TOBri IpFra »trnab (Ex. 3, 2) foll
das Feuer auf einem Räücheropferaltar fein; n;Bn eine
zum Räucheropfer dienende Pflanze: das Feuer brannte
fo auffallend lange, weil diefes Räucherwerk (nach einer
Notiz Theophrafts) wohl in frifch abgezogenes Leder eingenäht
war! Der ,Engel Gottes' am Schilfsmeer ift der
Mond, wie denn die ganze damalige göttliche Offenbarung
als aftrale zu faffen ift (das Paffahopfer Vollmondsopfer).
Aftral-fymbolifche Bedeutung hat auch das Handaus-
ftrecken Mofes beim Amalekiterkampf. Ex. 17, 1«:
r*P C3-by ~P foll die Hand am Throne Jahwes fein, der

diefer göttlichen Symbole unter einander als Vater, Mutter, ; Tnron = der Vollmond (vgl. fctCO Prv. 7, SO, Pf. 81, 4),

Sohn, Tochter bezw. reduziert: Vater, Sohn, Muttertochter
. ,Obwohl mit 3 Geftirnen verknüpft, ift in der
äußern Offenbarung Gott aber vorwiegend ein Mondgott
, und weil die 3 Geftirne nur zur Neumondszeit bei-
fammen find, muß er fpeziell ein Neumondgott fein, und
die 3 Tage, die er in der Sonne verfchwindet und mit
ihr und der Venus die myfteriöfe Einheit bildet, müffen
die wichtigften im Kultus fein' (S. 45 f.).

Daß diefer ,novulunare' Gottesbegriff zeitlich wie
räumlich die altarabifchen Kultusformen beeinflußt, ja be-
herrfcht habe, das fuchen die beiden folgenden Abfchnitte
(heilige Zeiten S. 49—96; heilige Orte und Symbole
S. 97—122) bis zur Ermüdung zu erweifen. Darnach
wäre die arabifche Zeitrechnung eine Mondchronologie

Jahwes Hand = die Venus (S. 154). An das Schlimmfte,
was in rationalifierender Exegefe je geleiftet worden ift,
erinnert die Erklärung von Ex. 19, i6—is: Die .Stimmen',
die fleh auf dem Berg erheben, kommen von den ge-
fchäftigen Leviten, die die großen Schlacht- und Feueropfer
zu beforgen hatten, und vom Vieh, das dabei ge-
fchlachtet wurde; der Feuerrauch flammt vom Ofen des
Feueropferaltars etc. (S. 159). Die fteinernen Tafeln
Ex. 24, 12-14 find Backfteintafeln einer Tempelbibliothek.
JBttirsrrfi^n Ex. 25, 9 etc. ift das midianitifche Bergheiligtum
, nach deffen Mufter die Stiftshütte zu erbauen
ift. Darnach wären wir im glücklichen Falle nach ihrer
ausfürlichen Befchreibung, wo natürlich wieder Mondzahlen
, Mondfarben und Mondmetalle ihre Rolle fpielen,

(vgl. dagg. Jacob, altarab. Beduinenleben2 XIX). Der uns das Bild des midianitifchen Heiligtums, an dem einft
heilige Mond ergibt heilige Mondphafen (Feier des Neu- Jethro fungierte, zu rekonftruieren (S. 169 ff.). Solche
mondes); heilige Mondphafen ergeben heilige Mondzeiten ! Kunftftücke bringt freilich nur fertig, wer, wie der Ver-
(Zerlegung des Monats in 4 7-tägige Mondwochen mit | faffer, das gefamte textkritifche Problem von der Ent-
3-tägiger Schaltung in jeder achten Woche; hagg und ftehung und dem hiftorifchen Wert der mofaifchen Über-
jtozW=die altarabifchen Wörter für die lunare Konjunk- ; lieferung abfichtlich ignoriert. Das ,Gefamtbild diefer

Erzählungen, fo wie fie jetzt in der Bibel vorliegen, mit
Hülfe der Denkmäler illuftneren' zu wollen, ift ein Ver-

tions-und Stationsfeier); heilige Mondzeiten ergeben heilige
Mondzahlen: 3, 7, 10, 12, 4 etc. — Für gänzlich verfehlt

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