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Ausgabe:

1904 Nr. 24

Spalte:

657-661

Titel/Untertitel:

Origenes' Johanneskommentar 1904

Rezensent:

Koetschau, Paul

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Theologifche Literaturzeitung. 1904. Nr. 24.

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Es war mir nur möglich, das Buch bis S. 150 genau j
zu lefen. Selbft ftarke Nerven werden außerftande fein,
das Ganze zu vertragen. Ein alter Gnoftiker hätte we-
nigftens teilvveife feine Freude daran gehabt, wie dies
vielleicht auch bei einem modernen Theofophen der Fall
fein wird. Für alle anderen ift es ungenießbar. Es ift
ein fchlagender Beweis dafür, wie große Gelehrfamkeit,
die dem Autor fraglos eignet, verbunden fein kann mit
eben fo großer Urteilslofigkeit.

Halle a. S. Georg Hollmann.

Origen es' Johanneskommentar. Herausgegeben im Auftrage
der Kirchenväter - Commiffion der Königl.
Preußifchen Akademie der Wiffenfchaften von Lic.
Dr. Erwin Preufchen. (Die griechifchen chrifllichen
Schriftfteller der erften drei Jahrhunderte. Band 10
[Origenes Bd. IV].) Leipzig 1903, J. C. Hinrichs'fche
Buchh. (CVIII, 668 S. Lex. 8.) M. 24.50; geb. M. 27.—

Daß menfchliches Wiffen und Können Stückwerk
ift, zeigt recht deutlich auch der Johanneskommentar des
Origenes. Von den 32 Büchern, in denen Origenes die
Exegefe des Johannesevangeliums bis Kap. 13, sa fortgeführt
hatte, ift uns, außer einer Anzahl von Fragmenten
, nur eine Auswahl von 9 Büchern, das 1. 2. 6. 10.
13. 19. 20. 28. 32. hs. überliefert, hiervon aber das 19.
und wohl auch das 28. Buch in abfichtlich verkürzter
Geftalt, fodaß unfere Kenntnis des Gefamtwerkes recht
dürftig bleibt. Ferner hat A. E. Brooke in feiner Abhandlung
über die Fragmente des Herakleon {Texts and
Studies I 4, Cambridge 1891) und in der Einleitung feiner
Handausgabe des Johanneskommentars (Cambridge 1896)
richtig nachgewiefen, daß alle vorhandenen Hff. diefes
Werkes auf die eine Münchener Hf. Nr. 191 saec. XIII.
(= M) direkt oder indirekt zurückgehen. Diefe eine
Hf. ift aber z. T. an den Rändern durch eingedrungenes
Waffer fo befchädigt, daß ganze Zeilen undeutlich geworden
oder verfchwunden find; an anderen Stellen bietet
die Hf. kleinere oder größere Lücken, da wo der Archetypus
unleferlich war; dazu kommen die vielen Stellen,
wo in M Schreibfehler vorliegen. Die Wiffenfchaft wird
fich daher einerfeits mit der Tatfache abfinden müffen,
daß der fo mangelhaft überlieferte Reft des großen exe-
getifchen Werkes des Origenes zahlreiche Schäden aufweift
, die z. Z. auch mit allen Mitteln philologifcher Textkritik
nicht zu befeitigen find, anderfeits aber wird fie
an jeden Herausgeber des Johanneskommentars die
Forderung fttllen dürfen, daß diefer den in M jetzt vorhandenen
Wortlaut nebft den Lücken fo forgfältig und
genau als nur möglich teils im Text, teils im Apparat
angibt.

Diefer Aufgabe ift fich auch Erwin Preufchen
vollkommen bewußt gewefen (S. LVII u. LX der Einleitung
); er hat ohne Zweifel viele Mühe und Arbeit auf
die Ausgabe verwendet. Außer M hat er auch V, die
wichtigfte Abfchrift von M, ganz kollationiert und hat
feine Kollation des Cod. M nicht nur revidiert, fondern
hat ,mit den Druckbogen zum dritten Male die Hand-
fchrift durchgelefen' und hofft deshalb, ,daß nun wirklich
nichts überfehen ift, und daß eine erneute Durchficht
der Handfchrift nur noch Quisquilien.....zu Tage

fördern könnte' (S. CVIIf.). Leider hat fich Preufchen in
diefer Hoffnung getäufcht. Kollationieren ift nicht jedermanns
Sache. Diefe mühfame und feiten richtig gewürdigte
Arbeit erfordert gute Augen, große Genauigkeit
, unendliche Geduld und viel Zeit, wenn fie gelingen
foll. Wirklich gute Kollationen find nicht häufig, da
eben diefe Vorbedingungen nicht häufig zufammentreffen.
Der vorfichtige Kollationator wird fich deshalb, befonders
in fchwierigen Fällen, nicht nur auf feine Augen ver-
laffen, fondern fachkundige Hilfe fuchen und jede Gelegenheit
zur Prüfung feiner Kollation benutzen. Ref.

hat nun bei Durcharbeitung von Preufchens Ausgabe
eine feltfame Erfahrung machen müffen: Preufchen zitiert
zwar zweimal (S. IX A. 3 und XXXV A. 2) die vom
Ref. in diefer Zeitfchrift 1897 Nr. 9 veröffentlichte Re-
zenfion der Brookefchen Ausgabe, ignoriert aber voll-
ftändig den dort Sp. 24Öf. gegebenen Auszug aus der
Kollation des M, die Ref. fich 1896 gelegentlich der
Durcharbeitung von Brookes Ausgabe angefertigt hatte,
anftatt diefen Auszug zur Prüfung und Berichtigung der
eigenen Kollation zu verwenden. Da nun die dort veröffentlichten
Lefungen von M vielfach mit denjenigen
Preufchens in Widerfpruch flehen, fo fieht fich Ref. gezwungen
, nach nochmaliger Einfichtnahme der Hf. die
Richtigkeit feiner Lefungen hier ausdrücklich zu betonen.
Danach find alfo in Preufchens Ausgabe folgende Kollationsfehler
, die durch Benutzung der Rezenfion des
Ref. hätten vermieden werden können, zu berichtigen:
S. 4,20 ot darüber si M1 II, 28 ext rvyydvovolv fleht
deutlich in M, die Korrektur von We(ndland) und
Wi(lamowitz) war alfo unnötig. 46, 11 rjXEv&EQmvxai M
49, is utaQiöxäd M 88, 31 Jiboxog M richtig 124, 2 xdi xfj]
iv xfj M 125, 10 6 om. M 132, 32 nicht djtb fondern
&7cb und v über d hat M1 147, 11 exgctgs aus 'ixQa^e corr.
j M1 148,11 slfil eym M, wie auch zu fchreiben. 150,31
bietet M ganz deutlich mvdv [Raf. über va] o ioxlv, wonach
bei Pr. zu korrigieren ift. 164, 11 hat Pr. den Fehler
dxaXqXEijJ/ievmv von Br(ooke) übernommen, während M
richtig aJtaXrjXifi/ievmv lieft. 244, 4 t.?]zrjöaq M 250, «
(lövov M 250, in aiviasoav M 267, 7 Tbv}xo M 291, 8
nicht jisqI fondern jtaoa M, wodurch die Vermutung
von We. (jianajilrßibv xt) eine Stütze erhält. 302, 32 rm
om. M 305, o lieft M xbv naxena xbv oiEfirpavxd fxs,
Pr. läßt jtazEQa xbv ebenfo wie Br. weg und verfäumt
auch S. 250, 2. 475, 4 zu vergleichen, wo jiaxEQa xbv gedruckt
fleht. 315, 12 1. ßißXoiq mit M 344, u 1. jtsQi [ihv
xmv xov 6. mit M, Pr. läßt xmv (was er aus Z. 12 hätte
erfchließen können) mit Br. aus. 355. 17 verbeffere den
von Br. übernommenen Fehler djtoXsiyjavxsg mit M zu
ajraXeirpavxsg. 363, 31 lieft M zöotoq, alfo ift die falfche
Angabe im App. zu fix. 374,10 hat M loovxai xe Xiy.
385, 27 ift eysvexo [xb] Jtobq und Z. 28 iyivExo oigbq mit
M zu fchreiben. 387, 26 igyaxmv] igxmv [fo] M 410, «f.
[nicht i), wie Pr. im App. angibt] dvißaXev 414, 25 ij
XeyouEv] rj-j-XsyoiiEV u. a. R •/•<>% [d. h. oig] M1 420,2Gf.
eqjvxevöav M 439, 31 yivbfiEVog M richtig. 458, App.
7 1. Jigöxegov zu jtQoxtQcov corr. M1.

Aus derfelben Rezenfion hätte Pr. auch einige Lefungen
halb erlofchener Worte in M kennen lernen
können, die wohl der Beachtung wert gewefen wären;
Ref. hält fie wenigftens nach erneuter Prüfung der Hf.
für teils ficher, teils wahrfcheinlich und läßt fie deshalb
hier nochmals abdrucken. S. 5, 22 f. lefe ich als wahrfcheinlich
: 01 {xmv dXXmv) diameoovzeg 33, 6 f. ift 31q0-
ßXrjfiaxi ficher 49, 15 1. zaör]{iaiv6/isva(vg. 269, 29) ftatt
des von V konjizierten xa ocgoxEtfieva 120. s lefe ich:
ur jcgoöisuEvbq xs xrjv 130, 20 ift MQOJieucp&evzeq wahrfcheinlich
261,18 ymgovvxmv M wahrfcheinlich 269,2«
ix] xdl ix wahrfcheinlich 461/2 fleht das Richtige in
meiner Rezenfion, Sp. 247, während Pr. 462 App. 1 eine
falfche Vermutung äußert und im Text drei Sterne fetzt;
die Stelle lautet: ojisg idv ovxmg gyn, iobuE&a djioXo-
yrjoäfisvoi . . . Z. 2 App. 1. Xe^^-eitj ö av [fo] M. Endlich
hätte Pr. aus Sp. 246 der Renzenfion entnehmen können,
daß S. 120, 15. is. 1« die Korrektur von Huet falfch, und
tc5 in M richtig ift; denn Subjekt zu äqxEO&qOEXai (Paff.
= fich begnügen mit, c. Dat.) ift exsgoq xig (Z. 5), wie
zu xQfjötxai Z. 7. 23 und cpyoiv Z. 20.

Außer an den erwähnten, vom Ref. fchon 1897 behandelten
Stellen läßt aber Preufchens Ausgabe auch
an vielen andern die bei fo fchmaler Überlieferung befonders
notwendige peinliche Sorgfalt und Genauigkeit
in Angabe der Varianten, Rafuren und verfchiedenen
Hände in M vermiffen. Ref. hat feine eigene Kollation

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