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Ausgabe:

1904 Nr. 24

Spalte:

655-657

Autor/Hrsg.:

Steinführer, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Der Engel Gesetz 1904

Rezensent:

Hollmann, Georg

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Theologifche Literaturzeitung. 1904. Nr. 24.

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doch faft überrafchend kommenden Beweis dafür, daß die
katholifche Theologie ihren feften Stand nur im dreizehnten
Jahrhundert hat und behält.

Straßburg i. E. H. Holtzmann.

Steinführer, Paft. Wilhelm, Der Engel Gesetz. Ein theo-
logifches Problem. I. Hinweifender Teil. Freiburg i. B.
1901, C. Troemer. (400 S. Lex. 8.) M. 2.—

Als mir unter dem Titel ,Steinführer, der Engel Gefetz
' das obige Werk zur Befprechung angeboten wurde,
erwartete ich eine kürzere hiftorifche Monographie im
Anfchluß an Gal. 319. Umfomehr war ich überrafcht,
als mir ein 400 S. langes Buch in Groß-Oktav zuging,
und die Überrafchung wurde peinlich, als fich nach dem
Titel der vorliegende Band als erfter eines mehrbändigen
Unternehmens enthüllte. Dabei war diefer Anfang in
einem dermaßen fchauderhaft kleinen Druck erfolgt, daß
das allein für mich genügen würde, die weitere Fort-
fetzung nicht zu lefen. Äußerlich fiel zunächft auf, daß
diefe 400 S. ohne irgendwelche Kapiteleinteilung, ohne
Überfchriften, ohne Inhaltsüberficht in 40 Paragraphen
zerfielen, die durch eine Reihe von Strichen in größere
oder kleinere Abfchnitte zerlegt waren. Das Ganze
fchloß, wie bei einem Roman, mit den Worten: (Fort-
fetzung folgt). Nach einiger Zeit folgte auf anderem
Papier mit anderem Druck ein neues Titelblatt, Inhaltsüberficht
und Vorwort. Das Buch, nach dem alten Titel
bereits 1901 gedruckt, war in den Verlag einer anderen
Firma übergegangen mit Veränderung der Jahrangabe in
1903. Aus dem mehr als dunklen Vorwort war zu er-
fehen, daß auch diefer Band erft ein Halbband fein follte.
Der johanneifche Lehrkreis fteht noch aus. Den Titel
will der Verf. nach feinen eigenen Worten fo verftanden
wiffen: ,wenn Engel ein Gefetz geben (gegeben haben,
geben würden), fo ift es immer diefes'. Endlich kam
dazu eine Nachfchrift, die lieh über den Eph. ausfpricht.
Ihr waren Gutachten von Nösgen, Grützmacher und
Schnedermann angefügt.

Die Lektüre des Buches zeigt fehr bald, daß man
es mit einem gänzlich unmethodifchen, unhiftorifchen,
ja phantaflifchen Werk zu tun hat. Wenn Nösgen
fchreibt: ,Sachlich und grammatifch laffen Sie neue Streiflichter
auf viele Dinge fallen und wenige neuteft Probleme
find von Ihnen nicht angefchnitten', fo ift diefes
Urteil noch fehr mild. Der wirkliche Eindruck ift der,
daß der Verf. alles, was heranzuziehen auch nur irgendwie
möglich war, in das Buch hineingepackt hat. So
wird allein der ungemeine Umfang diefes erften Halbbandes
begreiflich. Nicht nur werden nebenbei alle
wichtigen neuteft. Probleme gelöft, auch das A. T. erfährt
eingehende Berückfichtigung. Es wird z. B. unter-
fucht, ob yjnT außer ,Arm' nicht auch ,Same' heißen
kann (was bejaht wird S. 13), was nibst und D^rrbR be_
deuten (erfteres ,Gefchimmer', das zweite ,Repräfentanten
einer Welt des Lichtfchimmers' S. 18), daß nifT1 abfolut
nicht = Jahveh, fond. = Jehovah ift (S. 17 ff. S. 40),
was in Et» liegt (S. 32 ff). Nicht vorenthalten will ich,
daß das berühmte niflX TEN WjJTMj Ex. 314 nach dem
Verf. bedeuten foll ,der auf dem Grunde heiligen Ge-
wordenfeins prozeffualifch Exiftierende' (S. 36). Daneben
finden fich unter Anwendung großer Gelehrfamkeit zahlreiche
grammatifche Unterfuchungen, z. B. über das Objekt
S. 60 ff., über den Gen. charactericus S. 26 ff., über
die Epithefe S. 96 fr., über das 1 S. 145. Auf diefe Weife
ift jede ftraffe Gedankenführung unmöglich gemacht. Der
Verf. kommt vom Hundertflen ins Taufendfte, fo daß
auch das Auftreten Ritfchls und Nietzfches S. 59 gar
nicht mehr wunder nimmt. Damit verbindet fich eine
Breite der Darfteilung, die um fo unerträglicher ift, je
mehr fie trotzdem mit Unverftändlichkeit und Dunkelheit
gepaart ift. Über die Stelle Eph. 611 f. wird S. 63

bis 68 ein förmlicher Dialog mit ausgeführter Rede und
Gegenrede in antikem Stil gefchrieben. Zur ungemeinen
Schwerfälligkeit und Dunkelheit des Stils vgl. z. B. Vorrede
S. VII, S. 34, 79, 122.

Von hiftorifcher Betrachtungsweife kann gar keine
Rede fein. Die Vergangenheit ift für den Autor Gegenwart
, ihr Kampf der unfere. Infolgedeffen hat er das
Gefühl, in der Theologie und Kirche geradezu Epoche
zu machen. Sein Werk eröffnet eine ,ungeheure, unendliche
Perfpektive' (S. XI), es foll das zeigen, was man
bisher noch nicht zur Genüge erkannt hat und worauf
es eigentlich ankommt, auf den Kampf mit der Engelwelt
. Für die Stimmung des Verf. ift wohl kaum etwas
fo bezeichnend, wie der Übergang vom Eph. zum Rom.
S. 84: ,Es galt, nach unterem Brief einen tieferen Einblick
zu gewinnen in das großartige Myfterium, wie es
der Herr feinem Apoftel offenbart hat. Faft überkommt
mich ein Grauen, einfam diefe fchwindelerregenden Höhen
wandeln zu müffen. Aber ich bin noch lange nicht am
Ziel, und was nun kommt, ich weiß nicht, ob mir dabei
jemand im Geifte die Hand reichen wird, zum Zeichen,
daß er mich verftanden hat. Aber was hilfts? Vorwärts
in Chrifti Namen!' Grundlegende Bedeutung hat ihm
die Erkenntnis, daß Jehovah und Elohim verfchiedene
Wefen find. Doch ift Elohim nur befchränkt, ohne eigentlich
böfe Ablichten zu haben; er begreift nicht die

I tiefften Intentionen Jehovahs. Seit der Gefetzgebung be-
fteht nun als unfere Aufgabe der Kampf mit den Engelmächten
, über deren Gliederung und Funktionen z. B.
S. 79 merkwürdig genaue Auskunft gegeben wird. Im
einzelnen find die Anfchauungen des Verf. in diefem
Bande noch nicht deutlich zu erkennen. ,Die Abficht
der engelifchen Ökonomie' foll es fein, ,das in Chrifto
gefuchte Heil voraus darzuftellen' (S. 105). Für die
Phantaftik der Vorftellungsweife ftatt vieler Beifpiele nur
eins: ,In der zukünftigen Welt wird ja doch ficher kein
Regentropfen anders fallen, als daß der Ratfchluß Gottes
zu unferm Heil fich auch fichtbar in ihm fpiegelte'
(S. 104). Schon aus der Inhaltsüberficht kann man einen
leidlichen Vorgefchmack bekommen, wenn man die Überfchriften
lieft: ,Dechargeerteilung im I. Petribrief (nämlich
für Jakobus), ,Das praependere a perpendiculo',der
Brechungsexponent'. Für den Stand wiffenfchaftlicher
Einficht, der in diefem Buche vorliegt, aus einer reichen
Fülle nur wenige illuftre Beifpiele! Die Authentizität
von Mc. 1617 f. erhält dadurch einen Beweisgrund, ,daß
die alte Kirche mit den hier befchriebenen Aufgaben
nicht fertig werden konnte' (S. 80). Außerdem möchte
man ,diefen herrlichen Abfchiedsfegen des Herrn über
die Seinigen am wenigften entbehren'. Daß Petrus in
Rom gewefen vor dem Römerbrief, wird aus Rom. 167
dadurch erwiefen, daß Andronikus und Junias nur La-
tinifierungen für Andreas und Simon Petrus find. Bei
Andronikus ift das ja ganz einfach. Bei Junias haben
wir ,das gleichfalls latinifierte Patronymikon für Petrus'
(Petrus = ben Iona, Umlaut aus Jonias). Der unzweifelhafte
direkte Beweis für die Abfaffung des Hebr. durch
Paulus wird aus 2 Petr. 315 erbracht. Die paulinifche
Stelle, auf die dort 2 Petr. anfpielt, ift Plebr. 69—12 zu
fuchen (S. 366 ff.), ,und daß Petrus (der felbftverftändlich
den zweiten Brief wie den erften verfaßt hat) .... fich
irren konnte, ift ganz und gar ausgefchloffen' (S. 371).
Neu und überrafchend war mir, daß man ,felbft auf negativer
Seite zur Zeit immer geneigter' ift, den Hebr. dem
Paulus zuzufchreiben. Leider fehlen die Belege dafür.
Als ich endlich las, daß in dem rjyrjöaöd-t Jak. 12 (lauter
Freude habt ihr in eurer Amtsführung gehabt S. 149)
eine Anfpielung darauf zu erblicken ift, daß Jak. an die
rjyovfisvoi der judenchriftlichen Gemeinden in der Dia-

1 fpora gerichtet ift, ergriff auch mich ein Grauen, denn
hier fcheiden fich in der Tat zwei Welten, ich brauche
wohl nicht erft zu fagen, welche.