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Ausgabe:

1904 Nr. 23

Spalte:

635-636

Autor/Hrsg.:

Robinson, J.

Titel/Untertitel:

St. Paul's Epistle to the Ephesians 1904

Rezensent:

Holtzmann, Heinrich Julius

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Seite 1

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635

Theologifche Literaturzeitung. 1904. Nr. 23.

636

Gefialt noch durch, auch die einfl fo viel verhandelte
Frage nach dem Verhältnis von Gal. 2 und Act. 15, wiewohl
jetzt merkwürdig zurückgetreten' (S. 85), erfährt
doch nur infofern eine glimpflichere Löfung, als das
Apofteldekret, ähnlich wie die Korneliusepifode, am
falfchen Ort, nämlich vor ftatt nach der Szene in An-
tiochia, angebracht erfcheint (viel rückläufiger erfcheint
hier Baijon S. 168 f.).

Erhellt aus dem Gefagten die Gefamtftellung des
Verf. zur Kritik, fo können an diefem Ort nur noch die
Richtungen angedeutet werden, nach welchen das Hauptproblem
hier verfolgt ift. Alfo erftens ,die Entftehung
der Urgemeinde': infolge der Auferftehung, in der S. 16
,ein Eingriff gefchehen ift, der fich aus pfychologifchen
Motiven allein nicht erklärt'; S. 19 zwifchen Oftern und
Pfingften Überfiedelung aus Galiläa nach Jerufalem;
zweitens Judenchriftentum und Judentum': jenes zu
verftehen nach Analogie der Laienbrüderfchaft der
Pharifäer, trotz aller Gefetzestreue um die Zeit des jü-
difchen Krieges aus Synagogalverband und Volksgemein-
fchaft herausgedrängt (S. 35 f.) und felbftändig geworden
(S. 47 f.); drittens ,Heidenchriftentum und Heidentum':
neben Paulus felbftändige Anfätze zur Heidenmiffion,
Autorität des Apoftels und der Erftlinge, feite Organi-
fation infolge des fchwindenden Enthusiasmus, fittlicher
Kern im religionsgefchichtlichen Dunkel; viertens Judenchriftentum
und Heidenchriftentum': erfteres kommt
wieder mehr zu feinem Recht, dagegen wird der Einfluß
des Hellenimus wohl zu fehr befchränkt; Apoftolat ein
fpäterer Begriff; fünftens ,Urchriftentum und Katholizismus
': letzterer eine völlige Neubildung im Vergleich mit
erfterem.

Straßburg i. E. H. Holtzmann.

Robinson, J., DD., St. Paul's Epistle to the Ephesians. A

vevised text and translation with exposition and
notes. London 1903, Macmillan and Co. (IX, 314 p.
gr. 8.) 12 sh.

Der gegenwärtige Dean of Westminster gehört zu
derjenigen Minderzahl anglikanifcher Theologen, die fich
bei dem Unternehmen der ,Encyclopaedia biblica' beteiligt
haben, wo er auf der äußerften Rechten fitzend
einen gewiffen Ausgleich gegenüber der liberalen Mitte
und radikalen Linken herftellen half. Dem entfprechend
kennzeichnet fich auch fein Standpunkt in vorliegendem,
der theologifchen Fakultät in Halle gewidmetem Werk.
Es find friedliche Erörterungen über ein den Frieden in
der Kirche begründendes und erzweckendes Schriftfiück,
ein Seitenftück zu des Bifchofs Lightfoot Kommentar
zum Kolofferbrief, mit dem er fich fortwährend berührt
und auseinanderfetzt, während für alle, hier (S. 1—14)
nur ganz leicht behandelten, Einleitungsfragen auf Horts
Prolegomena to Romans and Ephesians verwiefen wird.
Ganz eigentümlich dagegen ift die Doppelgeftalt, in
welcher der Kommentar felbft auftritt, indem die ,Expo-
sition1, d. h. eine von der Authorised Version ausgehende
Übersetzung und fachliche Erklärung des in 15 Ab-
fchnitte zerlegten Briefes (S. 15—138), dem eigentlichen
philologifchen Kommentar, der in Geftalt von Fußnoten
unter dem griechifchen Text erfcheint (S. 139—220),
vorangeht. Der Verf. gewinnt auf diefe Weiße größere
Freiheit, fich in Darlegung feines Verftändniffes diefer
.Krone der paulinifchen Schriftftellerei' zu ergehen. In
der Tat macht er auch mehrfachen Gebrauch davon,
und fo erfahren wir z. B., daß die paulinifche Erwäh-
lungslehre den Gedanken einer Gnadenordnung ein-
fchließt, die im wefentlichen auch ohne Zwifcheneintritt
der Sünde die gleiche geblieben wäre (S. 29). Dafür
geht eran anderem, wie 49 am Abftieg eig xct xaxajxega
/xegt] xrjg y/jc, wiewohl von der Unterwelt verftanden,
fafi fiilllchweigend vorüber.

Der Kommentar elbft weift die bekannten Vorzüge
der englifchen Gelehrfamkeit auf, forgfältige Worterklärung
, grammatikalifche und lexikographifche Pünktlichkeit
, archäologifche Kenntniffe, reichliche Belefenheit,
hier in der altkirchlichen Literatur, in fyrifchen und alt-
lateinifchen Überfetzungen und befonders in den Schrift-
ftellern der xoivrj. So find beifpielsweife die zu dstalyüv 419
oder zur olxovouia I10, 39 aufgebotenen Stellen aus Poly-
bius wirklich belehrend. Zu dem bekannten elayioxotsgüg 3h
findet fich aus Iannaris Grammatik ein fisyioxoxsgog hinzu
. Mancherlei neues Material ift beigebracht zum Ver-
I ftändnis des agymv xrjg egovötag xov dsgog 22 und der
j xoöuoxgdxogsg 612, während der Ausdruck öiäßoXog 611,427,
wiewohl Paulus fonft öaxaväg fagt, nicht auffällig be-
! funden zu werden fcheint. Den wertvollften Teil des
Werkes bilden wohl die Noten (S. 221—304). Sie gelten
der Unterfuchung von einzelnen Wörtern und Begriffen,
I wie ydgig und yagixovv, evegyeZv, övvag/ioloyeZv, JtcögcoOig
| und ImyvmOig. Befonders fei hingewiefen auf 6 rjyajir/ubvog
j (als aus LXX flammender Meffiastitel, darnach auch
! dyasirjxoq in der Taufftimme nicht bloßes Epitheton zu
| vloq), siXr]gmy,a (das, wodurch Chriftus felbft erfüllt, d. h. er-
l gänzt wird) und fivöxrjgiov (nicht, wie fonft im religiöfen
i Gebrauch, etwas, das geheim gehalten werden muß, fondern
etwas bisher verborgen Gewefenes; fpeziell in Eph.
und Kol. die Aufnahme der Heiden in die Kirche be-
j treffend, wie fonft nur in Rom. 1625). Eine befondere
! Note gilt dem aus den Papyrusfunden erkennbaren,
j ftellenweife auch im N. T. begegnenden konventionellen
! Briefftil; eine letzte den bedeutendften Varianten zu
dem im allgemeinen nach Vaticanus und Sinaiticus ge-
1 Halteten Text. Weniger befriedigt die Erledigung, welche
die gegen die Echtheit geltend gemachten Inftanzen hier
finden. Beifpielsweife Tollen ,die heiligen Apoftel' 35,
deren fich doch auch Reuß, Jülicher, Harnack kaum zu
erwehren wiffen, fo wenig überrafchend kommen, als das
ganze geheiligte Volk Ii. is.ih, 219, dem auch fie angehören
; ähnlich alfo wie Zahn, Einleitung2 I, S. 358.

Straßburg i. E. H. Holtzmann.

Chapman, Dom John, L'auteur du Canon Muratorien (Rev.
Beneditine, 21. annee [1904] nr. 3 p. 240—264).

Der fcharffinnige Kritiker hat fich diesmal täufchen
lafifen und ift einer Luftfpiegelung nachgegangen: das
Muratorifche Fragment füll aus den Hypotypofen des
Clemens flammen; an ihrer Spitze habe ein Katalog der
Bücher des A. und N. T.s mit kurzen Bemerkungen ge-
ftanden; den habe Caffiodor oder einer feiner Freunde
überfetzt und etwas bearbeitet. Eine unwahrfcheinlichere
Hypothefe ift mir feit langem nicht vorgekommen. Die
Hauptgründe Chapmans feien aufgeführt; einige von ihnen
find nicht Gründe, fondern Hülfshypothefen, andere widerlegen
fich felbft, noch andere beweifen nichts oder zuviel.
Chapman fußt hauptfächlich auf Zahns Erklärung und
Würdigung des Fragments, aber Zahn wird die neue
Hypothefe gewiß nicht anerkennen.

1) Der Kanon hat jedenfalls eine große Lücke; denn
es fehlt der [, Petrusbrief; in diefe Lücke — Chapman
erblickt fie unmittelbar vor den Worten über den Judasbrief
— muß man auch den Hebräerbrief (und den Bar-

| nabasbrief) Hellen, die in den Hypotypofen nicht gefehlt
haben und im Murat. nicht fehlen konnten!

2) Mit dem 1. Petrusbrief (und in derfelben Reihenfolge
) find im Kanon nur die 4 katholifchen Briefe behandelt
, die auch in den Hypot. allein behandelt waren!

I Aber hat der 1. Petrusbrief im Murat. gefianden und am
j Anfang der epp. cath. gefianden?

3) Den ,Hirten' hat Clemens für kanonifch gehalten,
j das Murat. nicht; aber diefer Widerfpruch hebt fich, wenn
1 man annimmt, Clemens habe in den fpäter verfaßten
I Hypot. den Hirten fallen lafifen!