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Ausgabe:

1904 Nr. 22

Spalte:

609-610

Autor/Hrsg.:

Rotscheidt, W.

Titel/Untertitel:

Ein Martyrium in Köln im Jahre 1529 1904

Rezensent:

Cohrs, Ferdinand

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Theologifche Literaturzeitung. 1904. Nr. 22.

610

Theologen, die zugleich Humaniften waren, alle folche
Konzeffionen an den Zeitgeift gemacht. Der Schatten
an der Geftalt Beflärions bleibt für mich aber immer der
Übertritt zur Union. War es wirklich nur ,ein nichts-
fagender Reff (S. 78), für den die Griechen in Florenz
kämpften, und nicht vielmehr eine Gefammtauffaffung
des Chriftentums, die mindeftens das gleiche hiftorifche
Recht hat, wie der abendländifche Katholizismus? Wem
verdankt Griechenland feine Wiedergeburt, wenn nicht
den Gegnern des Beffarion, wie Markos Eugcnikos, der
für fein Wort: Kafrokixrjc, oziortcog ctvcczQOJti] XOlPTj ioriv
a.Tt(öXsia' geftritten und gelitten hat?

Hannover. Ph. Meyer.

Rotscheidt, W., Ein Martyrium in Köln im Jahre 1529. Herausgegeben
von R. (Aus der Väter Tagen. Erltes
Bändchen.) Köln 1904, Weltdeutfcher Schriftenverein.
(101 S. gr. 8.) M. 1.—

Huttens Briefe an Luther. Nach den Originaldrucken neu
herausgegeben von Eduard Spranger. Leipzig 1903,
R. Wöpke. (XXX, 23 S. 8.) M. 1.20

Falt gleichzeitig beginnen zwei Sammlungen zu er-
fcheinen, die — freilich wohl nicht von ganz gleichen
Gefichtspunkten aus — denfelben Zweck verfolgen,
kirchengefchichtliche Urkunden durch billige Einzelausgaben
dem heutigen Publikum zugänglich zu machen.

Die erltere Sammlung, ,Aus der Väter Tagen', will
offenbar vorwiegend der religiöfen Stärkung, man kann
geradezu fagen: der Erbauung der Gemeinde dienen. Herausgegeben
vom weftdeutfchen Schriftenverein fcheint fie
ihre Stoffe lokal befchränken zu wollen, entnimmt fie
übrigens aber der gefamten kirchlichen Vergangenheit.
Die andere Sammlung, ,Zeitgemäße Traktate aus der Reformationszeit
', will nur reformationsgefchichtliche Urkunden
bringen; ihre Abficht dabei ift aber offenbar ■,
mehr eine kritifch-mahnende: fie vermiLlr. in heutiger Zeit
rechtes evangelifches Bewußtfein und rechtes evangelifches
Verftändnis und meint das dadurch am deutlichften fagen
zu können, daß fie Dokumente echt evangelifcher Freiheit
dem heutigen Gefchlecht vor Augen führt.

Das ift wenigftens der Eindruck, den ich von dem
mir vorliegenden 3. Hefte der Sammlung (vgl. namentlich
den Schluß der Einleitung S. XXX) habe, das Huttens
Briefe an Luther enthält — das 1. Heft hat die Gefangen-
fchaftsbriefe des Joh. Hus, das 2. Bugenhagens chriftliche
Vermahnung an die Böhmen (1546), beide herausgegeben
von Kügelgen, gebracht —. Es wird manchen wundern,
gerade Hutten gleich im Eingang der Sammlung als
Vertreter evangelifchen Geiftes herangezogen zu finden.
Die Einleitung macht felbft auf die widerfprechenden
Urteile der namhafteften Reformationshiftoriker über feine
religiöfe Qualifikation aufmerkfam; v. Bezold findet ,von
irgendwelchem religiöfen Intereffe nicht die geringfte
Spur', Ranke fieht ,alle Triebe feines Geiftes und feiner
Tatkraft davon ergriffen' (S. XV). Im allgemeinen ift
man heute wohl mehr geneigt, Hutten als Reformationspolitiker
zu werten, dem die religiöfe Bewegung fehr
gelegen kam, fie für feine patriotischen Zwecke auszunutzen
; daß er dabei für Luther aufrichtige Sympathie
gefühlt, auch verwandte Geifteszüge bei ihm gefunden
hat, möchte ich nicht beftreitcn, wirkliches evangelifches
Verftändnis möchte auch ich ihm nicht zutrauen. Aber
dem fei, wie ihm fei: jedenfalls hat Hutten eine bedeut-
fame Rolle in den Werdetagen der evangelifchen Kirche
gefpielt, und gerade feine Briefe find für alle Zeiten mit
den bedeutfamften Momenten der Entfcheidung verknüpft.
So mögen fie denn auch zu dem ihnen jetzt gewordenen
Auftrag ihren Weg gehen und fehen, was fie ausrichten:
mögen fie für fich felbft zeugen! wiffen fie evangelifchen
Sinn zu erwecken, fo hat der Herr Herausgeber manchem

Hiftoriker zum Trotz einen guten Griff mit ihrer Wahl
getan.

Die Briefe werden in der Urfprache dargeboten, find
alfo nur auf ein des Lateinifchen kundiges Publikum
berechnet. Wäre es für den vorliegenden Zweck nicht
praktifcher gewefen, fie wenigftens mit deutfeher Über-
fetzung zu geben? Die frifch gefchriebene Einleitung
orientiert unter allfeitiger Berückfichtigung der ein-
fchlägigen Literatur durchweg aufs befte über das Verhältnis
Huttens zu Luther, fcheint mir aber gerade als
Einleitung zu ihrem Briefwechfel doch etwas allgemein
gehalten zu fein, etwas mehr hätte fie wohl auf diefen
fpeziell Bezug nehmen können. Hinfichtlich der Originalausgaben
der Briefe wird lediglich auf Böcking und Enders
verwiefen.

Die hübfehe Ausftattung der Schrift und ihr Satz in
Typen des 16. Jahrhunderts fei noch befonders hervorgehoben
. —

,Aus der Väter Tagen' beginnt mit der Wiedergabe
der Gefchichte von der Verurteilung und Hinrichtung
der evangelifchen Märtyrer Ad. Klarenbach und Peter
Fliefteden in Köln (1529), herausgegeben von Rotfcheidt.
Nur einige einleitende Worte werden voraufgefchickt,
die Frage, ob die beiden wirklich als Anhänger Luthers
in Anfpruch genommen werden können, wird nicht berührt
; dazu lag hier ja auch keine Veranlaffung vor.
Dagegen hätte wohl in Kürze angegeben werden können,
welche Vorlage Rotfcheidt für feinen Abdruck benutzt
hat. Die Andeutungen in der Einleitung laffen vermuten,
daß er aus Rabus, Hiftorien der Märtyrer gefchöpft hat,
doch wird die Sache nicht klar. Hätte Rotfcheidt die
Schrift in modernes Deutfch übertragen — was ich, da
er doch an die Gemeinde im weiteften Sinne, an das
Volk (S. 4), denkt, für zweckdienlicher gehalten hätte —
fo war eine Quellenangabe unnötig; wo aber die urkundliche
Form feftgehalten wird, wäre manchem Benutzer
durch forgfältige Orientierung über den quellenmäßigen
Wert des Dargebotenen wohl ein Dienft geleiftet. So
fcheint mir die Ausgabe an Halbheiten zu leiden.

Wir wünfehen beiden Sammlungen guten Erfolg.

Erichsburg b. Markoldendorf (Hann.J.Ferdinand C oh rs.

Jahrbuch des Vereins für die Evangelische Kirchengeschichte
Westfalens. Sechfter Jahrgang. Gütersloh 1904, C.
Bertelsmann. M. 3.—

Inhalt: Das Conventlmch des conventus classicus Weliirensis
aus den Jahren 1659—1719. Nach dem Original veröffentlicht von
Pfr. Schitßler. — Unruhen in der Graffchaft Mark wegen gewalt-
famer Werbung (1720). Von Päd. Rothert. — Die Anfänge der
reformierten Gemeinde in Unna. Von Paft. Rothert. — Protokoll
der kirchlichen Vifitation der Graffchaft Ravensberg vom Jahre 1533.
Nach den Akten des königl. Staatsarchivs zu Diiffeldorf mitgeteilt
von Paft. A. Schmidt — Miszellen: Lüner Aktenftücke aus alter
Zeit. Veröffentlicht von P. Landgrebe. — Das Soefter Gefangbuch
von 1723. — Copia Erbkaufbrieveß auff Münftermanns diefer Kirchen
Erbhoff Sprechendt de dato Anno dey 1372 die stae Gertntdis, auf
pergament gefchrieben (Ncuengefecke). (III, 176 S. gr. 8.)

Die wichtigften Publikationen des vorliegenden 6. Jahrgangs
des Jahrbuchs des Vereins für die evangelifche
Kirchengefchichte Weftfalens find die aus den Akten des
Kgl. Staatsarchivs in Düffeldorf durch Paftor Schmidt in
Vlotho mitgeteilten Vifitationsprotokolle der im Jahre 1533
in der Graffchaft Ravensberg gehaltenen Kirchenvifitation
(S. 135—169) und das von Pfarrer Schüßler in Blasbach
b. Wetzlar veröffentlichte Konventbuch des Spezialkon-
vents der alten Wetterifchen Synode (S. 1—107), die etwa
der heutigen Synode Hagen (vgl. Das evangel. Deutfch-
land, Leipzig, Schulze & Co. IV [1902] Sp. 588 f.) entfpricht.

Die Wichtigkeit der Vifitationsprotokolle ift fchon
von Cornelius erkannt, und von diefem find fie auch
fchon in einem kurzen, kaum zwei Druckfeiten umfaffen-

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