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Ausgabe:

1904 Nr. 21

Spalte:

592-594

Titel/Untertitel:

Zeitschrift der Gesellschaft für niedersächsische Kirchengeschichte. 8. Jahrg 1904

Rezensent:

Bossert, Gustav

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Theologifche Literaturzeitung. 1904. Nr. 21.

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erftrecke, deren Kenntnis man ihnen nicht fo ohne weiteres
zutrauen würde. Das ift allerdings klar, daß die rab-
binifchen Angaben von einer wirklich genauen Kenntnis I
des Neuen Teftamentes fehr weit entfernt find. — Aus [
dem 2. Teil, den Angaben über Minim und Minuth, fei
an Einzelheiten folgendes herausgehoben: Unter dem
Decknamen Gehazi glaubt H. nach S. 97 in b. Sotah 47 a
den Apoftel Paulus im Talmud erwähnt zu finden. Das
ift auch deswegen nicht unwahrfcheinlich, weil die Toldot
Jesu den Apoftel Paulus nennen und ihn geradezu als
den Begründer des Chriftentums auffaffen. — Nr. 34 und
35 bieten Beifpiele talmudifcher Wundergefchichten, 34
eine Parallele zum Wandeln des Petrus auf dem Meer. —
Nr. 48 enthält Logia Jefu, die an Mt. 5 15—17 erinnern. —
Befonderes Intereffe hat noch Nr. 94. Es handelt fich da
um eine theologifche Diskuffion mit den Minim, und zwar
über die ,beiden Mächte im Himmel', über die Frage,
wie viel Götter die Welt gefchaffen haben. H. weift mit
Recht nach, daß es fich hier nicht um manichäifchen oder
perfifchen Dualismus, auch nicht um die gnoftifche Lehre
vom Demiurgen handele, fondern um chriftliche Dogmen.
Er verweift auf Ebr. 1, iff. und die paulinifche und johan-
neifche Theologie. H. bevorzugt die Verwandtfchaft
fpeziell mit dem Hebräerbrief, zumal {cfr. Nr. 139) die
auch im Hebr. vorhandene befondere Verehrung des
Melchifedek Lehre der Minim ift. Nach Nr. 139 ift das
Prieftertum Melchifedeks auf Abraham übergegangen. R.
Ismael, der als Polemiker gegen die Minim bekannt ift,
ift Autor diefer Tradition. Intereffant ift, daß Abraham
hier als Vertreter des genuinen Judentums erfcheint und
auch Pf. 110 an diefer Stelle genannt ift.

Es wäre erwünfcht, wenn H.s Buch durch Überfetzung
ins Deutfche allgemeiner zugänglich gemacht würde. Die
zuverläffige und methodifche Arbeit würde ficherlich fehr
dazu mithelfen, auch in Deutfchland das Bewußtfein um den
Wert der talmudifchen Studien zu erwecken und zu beleben.

Wittenberg. Paul Fiebig.

Legrand, Emile, Bibliographie Hellenique ou description
raisonnee des ouvrages publies par des Grecs au dix-
septieme siecle. Tome cinquieme. Paris 1903, S. Mai-
sonneuve et E. Guilmot. (LVIII, 549 S. gr. 8.) frcs 50.—

Den vierten Band diefes Werkes habe ich im Jahre
1898 diefer Zeitung Sp. 311 bekannt gemacht. Ich darf
auf diefe Anzeige verweifen.

Legrand beginnt das Vorwort diefes Bandes mit den
Worten: ,Me voici, tres probablement, arrive, avec le
present volume au terme de la bibliographie hellenique du
dix-septieme siecle'. Das hat fich in einem andern Sinne
erfüllt, als es der Verfaffer wohl gemeint hat. Emile
Legrand ift, wie ich einem Nachruf von Jean Pfichari
entnehme, am 28. November 1903 geftorben. Gebpren
den 30. Dezember 1841, zuletzt Profeffor an der Ecole
speciale des langues orientales Vivantes in Paris, hat er
für die Kenntnis der byzantinifchen und neugriechifchen
Literatur und Literaturgefchichte Dauerndes geleiftet.
Seine Hauptwerke find die Collection de monuments pour
servil' ä l'etude de la langue neo-hellenique von 1870 an,
die Bibliotheque grecque vulgaire 9 Bde., die Bibliographie
hellenique ou description raisonnee des ouvrages publies en
grec par des Grecs aux XV et XVI siecles, Paris 1885
2 Bde., dritter Band 1903, und die vorliegende Bibliographie
. Alle Arbeiten Legrands zeichnen fich durch große
Gelehrfamkeit, tadellofe Gründlichkeit und klares Urteil
aus. Für die Kenntnis der neugriechifchen Theologie
im 16. und 17. Jahrhundert find namentlich die beiden
zuletztgenanntenBibliographien ganz unentbehrlich. Einer
Bemerkung des Verfaffers auf S. 415 des vorliegenden
Bandes zufolge ift die Bibliographie hellenique du dix-
huitieme siecle dejaprete pour l'Impression'. Es wäre höchft
erfreulich, wenn fich dazu bald der Herausgeber fände.

Es ift eigenartig, daß gerade dasjenige Volk, das am
meiften Urfache, fich über die Bibliographie hellenique zu
freuen, gehabt hätte, die Griechen felbft, diefem Werke
fehr unfreundlich gegenübergetreten ift und den Verfaffer
fogar perfönlich angegriffen hat. Beim Studium
neugriechifcher Werke der letzten Jahre ift es gewiß fchon
manchem aufgefallen, daß Legrand ignoriert wird. Diefe
Abneigung geht fcheinbar teils auf die angeblich zu ftark
hervortretende Parteinahme Legrands für die katholifche
Kirche, teils auf verletzte Eitelkeit zurück. Denn Legrand
geht den Griechen, die ihm in den Wurf kommen und
nicht exakt gearbeitet haben, allerdings fcharf zu zuleibe.
Indeffen haben die größten griechifchen Gelehrten, wie
Johannes Beloudos und Johannes Sakkelion, dem Verfaffer
der Bibliographie ihre Anerkennung nicht vertagt. Nun,
mit diefen Angriffen befchäftigt fich Legrand in der Vorrede
des V. Bandes, intereffant und teilweife fcherzhaft
zu lefende Ausführungen.

Dann folgen die Nachträge zu der Bibliographie der
vier erften Bände. Es werden dabei im ganzen 273 Werke
aus dem 17. Jahrhundert genannt. Ihre Befchreibungen
find dem Verfaffer namentiich von dem Bibliothekar des
Ruffen-Klofters auf dem Athos, dem Profeffor Bywater
in Oxford und Johannes Beloudos aus der Marciana zugegangen
. Den Hauptteil des Buchs machen aber, wie
fchon im IV. Bande, die notices biographiques aus. Es
find etwa 100 Griechen des 17. Jahrhunderts, über deren
Lebenslauf wir hier mehr oder weniger erfahren. Unter
ihnen nenne ich z. B. Metrophanes Kritopulos, Nathanael
Konopios, Jofeph Georgirenes, Panagiotes Nikufios, Nik.
Komnenos Papadopulos, Meletios Syrigos, die für die
Theologie in Betracht kommen.

Gute Regifter, Nachträge und Verbefferungen fchlie-
ßen den Band.

Hannover. Ph. Meyer.

Zeitschrift der Gesellschaft für niedersächsische Kirchengeschichte
, unter Mitwirkung von Prof. D. Paul Tfchackert
und Sup. D. Karl Kayfer herausgegeben von Studien-
dir. Lic. Ferdinand Cohrs. Achter Jahrgang. Braun-
fchweig 1904, A. Limbach. (III, 287 S. gr. 8.) M. 5.—

Inhalt: Tfchackert, Paul: Johannes Amadeus, der erfte Super-
intendent der freien Reichsftadt Goslar (-f. 1530). — II. Hölfcher:
Die Gefchichte des Interims in Goslar, Anhang: Bedencken der Theologen
in Goslar wider das Interim. — III. Kayfer, Karl: Die Ge-
neral-Kirchenvifitation von 1588 im Lande Göttingen-Kalenberg. Aus
den Protokollen auszugsweife mitgeteilt. 1. Teil. Einleitung und
Inftruktion der Vifitatoren. I. Vifitation im Lande Göttingen. II. Das
Land zwifchen Dehler und Leine. — IV. Cohrs, Ferd.: Dafleler
Alterleute-Ordnung aus dem Jahre 1536. — Miszellen: 1. Brief
von Joh. Heiur. Gevers an Leibniz. Mitgeteilt von Bodemann. —
2. Ein Brief Leanders van Eß an Heinr. Phil. Sextro. Mitgeteilt
von J. Lüdemann. — VI. Literarifche Mitteilungen. Literatur
zur niederfächfifchen Kirchengefchichte aus den Jahren 1901/02. Zu-
fammengeftellt von Kretzmeyer.

Mit dem achten Jahrgang ift die Redaktion der gehaltvollen
Zeitfchrift aus der Hand K. Kayfers in die von
Lic. F. Cohrs übergegangen. Im neuen Jahrgang hat
Kayfer die Generalkirchenvifitation von 1588 im Lande
Göttingen-Kalenberg auf Grund der Protokolle zu behandeln
begonnen. Es waren völlig zerfahrene Zuftände
in dem nach Erichs II. Tod an Herzog Julius 1585
gekommenen Herzogtum und der 1583 an Erich gefallenen
Obergraffchaft Hoya, obwohl die Herzogin
Elifabeth das Herzogtum Kalenberg durch Corvinus
hatte vifitieren laffen. Aber der Sohn hatte nicht im
Geift der Mutter regiert. Corvinus hatte fein Augenmerk
auf die Klöfter und die kleineren Städte gerichtet
; jetzt mußte in erfter Linie für die Landpfarren
geforgt werden, welche rechtmäßig beftellte, theologifch
gebildete und tüchtige Pfarrer bedurften. Die unter Erichs