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Ausgabe:

1904

Spalte:

518-519

Autor/Hrsg.:

Fueter, Edouard

Titel/Untertitel:

Religion und Kirche in England im fünfzehnten Jahrhundert 1904

Rezensent:

Deutsch, Samuel Martin

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Theologifche Literaturzeitung. 1904. Nr. 18.

Recht und auch ihre Frömmigkeit befonders an. Ich
kann allerdings nach wie vor die Fremden nur als Eindringlinge
in griechifches Eigentum anfehen. Für die allweifen
, als der Verf. fich in der Einleitung als einen
Verehrer E.s zeigt in einem Maße, dem wir durchaus
nicht zuftimmen können. Er ift ihm der größte religiöfe

gemeinere Bedeutung des Mönchtums in den orientalifchen , Redner und Schriftfteller der Deutlichen (Einl. S. XIII);
Kirchen ftellt Verfaffer fehr beherzigenswerte Gefichts- j .Eckeharts vorzeitiger Tod ift ein Wendepunkt unferer
punkte auf. Bekanntlich meinen manche, daß deffen Gefchichte gewefen; von der Höhe, die hier der deutfche

Zeit z. B. für die griechifche Nationalität vorüber fei
Verfaffer weift mit Recht darauf hin, daß man dabei ge
wohnlich die Exiftenz des Athos überfieht. Ein fchönes
Zeugnis für das Recht des Mönchtums in ihren Kirchen
und auf der anderen Seite für die feine und liebevolle
Weife des Verfaffers ift, wenn er bei jenem einfachen
Mönch es beftätigt findet: ,Eine das Innerfte durchdringende
Frömmigkeit bringt bei ganz einfachen Leuten

Geift — nicht in Nebenfachen, wohl aber im Kernpunkte
— erreicht hatte, ift er feitdem beträchtlich herabgefchrit-
ten, auch wir heute find diefer Höhe noch recht fern'
(S. XXXIII). Es hängt das damit zufammen, daß er in
Eckehart den fieht, der zuerft wieder den urfprünglichen
Sinn des Chriftentums erkannt hat, wie Chriftus ihn hatte,
wie er aber der Kirche fchon von den Apofteln her verloren
gegangen ift. Eckehart ift der Philofoph der

der untern Stände eine Herzensbildung hervor, um die Chriftusreligion; nur in den Gnoftikern der erften chrift

fie oft Vornehme beneiden könnten' (S. 54)-

gefahrlofe und jedenfalls fehr mühevolle Reife nach

liehen Jahrhunderte und was im M.-A. ihres Geiftes ift,

Vom Athos aus hat Verfaffer nun feine keineswegs hat er Vorläufer (S. XXXVIII). Worauf es aber bei diefer

Auftaffung eigentlich hinauskommt, das fagt am deutlich-

Mazedonien und Albanien gemacht und damit ein ften die Stelle S. XLVI f. Das Eine Sein fällt nicht von
Gebiet betreten, was kirchlich zu den unbekannteften ! fich ftlber ab, indem es fich zum Reiche der Urbilder fortgehört
. Verfaffer ift es dann vergönnt gewefen, den beftimmt; es ftellt fich in ihm dar. Das Verhältnis der
Kodex des ,heiligen Clemens', um deffentwillen er ewigen Welt zum unentfalteten Einen ift alfo das der
diefe Mühfal auf fich genommen, zu finden und fogar Wefenseinheit. Es bedarf keines Weltbildners, der die
deren zwei. Auch diefe Reifebefchreibungen empfehle Urbilder ins Sein überführte, denn die Urbilder find
ich allen, die Sinn haben für Kirchengefchichte des j felbft das Sein. Wie das Eine Sein fich zu den Sonder-
Orients. Wie anfehaulich ift z. B. die Schilderung des i geßaltungen der Urbilder zufammengenommen hatte,
Klofters Sweti-Naum, wie anziehend die Perfönlichkeit j fo befondert es fich von ihnen aus weiter zur Dafeins-
des Metropoliten Germanos von Kaftoria. Vielheit der Einzelwefen. Aber in jedem Einzelwefcn iß

Das tranze Werk iß dabei mit einem feinen und 1 das eine, das ganze Sein. Die ,Schöpfung' iß ein ewiger
liebenswürdigen Humor gefchrieben, der manches felbfl ! Akt; ewig beßimmt die Einheit fich bis in die äußerße
Erlebte dem, der im Orient gewefen, ins Gedächtnis zu- Vielheit und Vereinzelung fort. Aber ebenfo wenig
rückrufen wird. Endlich fei bemerkt, daß die 43 Abbild- j vollzieht fich auch die Aufhebung der ,Gefchöpfe' d. h.
ungen, die in den Text eingefchoben find, das Erzählte | des vereinzelten Dafeins. ,Die Welt iß fo ewig wie
fehr h'übfch zur Anfchauung bringen. Gott'. Diefer Rückgang, erlebt und gefühlt in der Men-

H Ph Mever fchenfeele, iß das religiöfe Grundergebnis, ,die Geburt

HannOVer- ivieyer. | ^ ^ ^ ^ .ft ungefähr die Anficht

Spinozas. Wenn wir mit B. annehmen, daß Eckehart
diefe Anficht mit voller Bewußtheit und mit allen Negationen
, die fie einfchliel.it, gehabt hat, dann begreifen
wir allerdings, daß er mit den Begharden, die um ähnlicher
Lehren willen verfolgt wurden, fich vollkommen
einverßanden wußte, wenn wir auch die Behauptung B.s,
daß E. felbß diefe Leute aufgefordert habe, fich vor der
Inquifition auf ihn zu berufen, als ganz unbegründet anfehen
müßen; denn was B. S. XXVIII dafür anführt, beweiß
dies nicht im geringßen. Freilich weiß man dann
nicht, was man von anderen Äußerungen E.s halten foll,
die ganz dem Kirchenglauben fiieh anfchließen. Sind
das nur Akkommodationen — eine Annahme, die freilich

Eckeharts, Meißer, Schriften und Predigten. Aus dem

Mittelhochdeutfchen überfetzt und herausgegeben von
Herman Büttner. Erßer Band. Leipzig 1903, E. Die-
derichs. (LVIII, 241 S. gr. 8.) M. 4.— ■ geb. M. 5.50

Der Herausgeber diefes Bandes beabfichtigt, die fämt-
lichen, uns in verfchiedenen Handfchriften und fehr ver-
fchiedener Art der Überlieferung vorliegenden deutfehen
Predigten und anderen Schriften Meißer Eckeharts in
einer lesbaren Überfetzung in unfere gegenwärtige Sprache
vorzulegen. Die Reihenfolge, die dabei beobachtet werden
foll, trifft er im ganzen fo, daß von den ficher eckehar-

tifchen Stücken ausgegangen wird, wobei freilich das auch Delacroix vertritt? Die eminente Stellung, die B.

Urteil immer in gewiffen Maße fubjektiv bleiben wird, dem E. beilegt, wird aber auch fo nicht gerechtfertigt. —

Wir rechten deshalb auch nicht darüber. Ein beträchtliches
Stück der geißigen Hinterlaffenfchaft des alten
Meiflers bietet fchon diefer Band und, wir dürfen fagen,
in einer guten Übertragung. Denn die Grundfätze, die
B. für eine folche Übertragung aufßellt, find ohne Zweifel
zu billigen; es kann fich hier nicht um eine Wort für
Wort getreue Wiedergabe des Textes handeln, wie eine
folche unter andern Verhältniffen am Orte fein mag, fon- ; Evang. Johannis,
dem um eine Wiedergabe, die den Text lesbar macht.
Dazu find, bei der Befchaffenheit der Überlieferung, zuweilen
auch kurze Einfchiebungen, Umfiellungen u. dgl.
notwendig. Diefe Freiheit, die fich der Uberfetzer nehmen
muß, muß aber bedingt fein durch das Beßreben,
nur die Gedanken Eckeharts wiederzugeben, nicht etwa
eigene an die Stelle zu fetzen. So weit ich fehe, find
diefe Grundfätze auch wirklich befolgt worden, undderLefer
darf ficher fein, wirklich Eckehart zu lefen. Auch muß
man fonß dem Herausgeber nachrühmen, daß er über
die Lage der Unterfuchung über E. wohl orientiert iß,

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Endlich fei auch hier wieder darauf hingewiefen, daß, um
über E. richtig urteilen zu können, wir vor allem mit
feinen zweifellos echten lateinifchen Schriften genauer
bekannt fein müßten, als die von Denifle veröffentlichten
Proben das ermöglichen. Man bedenke, daß D. die
wichtigße, Kuefer, Hdfchr. faß gar nicht hat benutzen
können, und fie enthält u. a. einen Kommentar zum
" /ang. Johannis.

Berlin. S. M. Deutfch.

Fueter, Eduard, Religion und Kirche in England im fünfzehnten
Jahrhundert. Tübingen 1904, J. C. B. Mohr
(III, 78 S. gr. 8.) M. 2.-

Die Schrift gibt eine intereffante Skizze der religi-
öfen Zußände Englands im 15. Jahrh., im Anfchluß
an die allgemeinen Verhältniffe des Landes in diefer Zeit.
Wir lernen die älteren Mönche in ihrem Verfall und
ihrer verhältnismäßigen Bedeutungslofigkeit kennen, die
wie fowohl die Einleitung, wie die erläuternden Anmer- j Bettelmönche, die viel einflußreicher fich in allerlei Verklingen
zu den einzelnen Stücken das zeigen. Wir find 1 hältniffe milchen, daneben die Laien in ihrer Kirchlich-
aber umfomehr veranlaßt, hierauf ausdrücklich hinzu- | keit, mit der fich ein angenehmer Lebensgenuß recht