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Ausgabe:

1904 Nr. 17

Spalte:

483-484

Autor/Hrsg.:

Handmann, Richard

Titel/Untertitel:

Die evangelisch-lutherische Tamulen-Mission in ihrer Zeit der Neubegründung 1904

Rezensent:

Mirbt, Carl

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Seite 1

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483 Theologifche Literaturzeitung. 1904. Nr. 17. 484

welche den Bann der Prämiffe brachen, uns innerlich
frei machten, während dort die ,göttliche' Lehre nie aus
Kopf und Herz auszutreiben war und felbft bei ehrlichen
Suchern faft immer durch ein Hintertürchen fich wieder
einfchlich, wenn der beffern Einficht der Weg geebnet
fchien. Und fo werden die islamifchen Länder, foweit
fie nicht von dem denkenden und arbeitenden Europa
gelenkt werden, in ihrem Tiefftand bleiben. Denn die
herrfchende Klaffe will nicht komo, fie will muslim fein.

Hermsdorf (Mark). Martin Hartmann.

Das Breve Papst Clemens XIV. betreffend die Aufhebung des
Jesuiten-Ordens. Nach dem lateinifchen Urdruck und in
deutfcher Überfetzung herausgegeben und mit einer
Einleitung verfehen von D. J. K. F. Knaake. Leipzig
1903, R. Wöpke. (XVI, 46 S. gr. 8. m. 1 Bildnis.)

M. 1.20

Daß diefe, vortrefflich ausgeftattete, Schrift, die weiteren
Kreifen eine rafche, mühelofe und authentifche
Orientierung über die zwingenden Gründe vermittelt, die
am 21. Juli 1773 den Papft zur Aufhebung des Jefuiten-
ordens veranlaßt haben, einem Bedürfnis entgegenkommt,
bedarf in den gegenwärtigen Zeitläuften keine nähere
Erörterung. Für den Herausgeber aber war nicht nur
diefe praktifche Rückficht maßgebend, fondern ebenfo
fehr die Beobachtung, daß ,fchon der Urdruck nicht
korrekt ift' und A. Theiner, Clemens XIV. Epistolae etc.,
Paris 1852, S. 385 ff. ,einen geradezu liederlichen Text'
geliefert hat. Kn. folgt der erften, aus der Druckerei der
apoftolifchen Kammer hervorgegangenen Ausgabe, deren
Fehler er berichtigt, unter gleichzeitiger Umgeftaltung
der Interpunktion. Die daneben abgedruckte deuticheÜber-
fetzung des Herausgebers ift ,in möglichftem Anfchluß
an den lateinifchen Text angefertigt; der Kurialftyl durfte
nicht verwifcht werden'.

Ich benutze diefe Gelegenheit, darauf hinzuweifen, daß
auch in den vom Evangelifchen Bund herausgegebenen
,Kirchlichen Aktenftücken' Nr. 1 das Aufhebungsbreve
Clemens' XIV. von K. Fey in revidierter Überfetzung neu
herausgegeben worden ift (Leipzig 1903, Preis 20 Pf.).

Marburg i. Heffen. Carl Mirbt.

Handmann, Miff.-Sen. Richard, Die evangelisch-lutherische
Tamulen-Mission in der Zeit ihrer Neubegründung. Ein

Beitrag zur Gefchichte der Evangelifchen Miffion im
19. Jahrhundert. Mit 22 Portraits, 1 Bild und 2 Karten.
Leipzig 1903, J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung. (X,
478 S. gr. 8.) M. 4.80; geb. M. 5.80

,Wer in den nachflehenden Blättern etwas fucht von
der fogenannten Miffionsromantik: fpannende Erzählungen
von Heldentaten und Abenteuern der Miffionare, farbenreiche
Schilderung von blendenden Miffionserfolgen und
dgl., der wird fie enttäufcht bald bei Seite legen, denn
davon ift darin wenig oder nichts zu lefen. Wer aber
den Miffionar fehen will in feinem Arbeitsrock und ihn
beobachten, wie er unter vielen Mühen und Kämpfen, ja,
fagen wir es gleich offen: auch in manchen Schwachheiten
und unter manchen Verfehlungen einen dornenvollen
Acker bebaut — kurz wer die Miffion kennen lernen
will, wie fie tatfächlich ift, der greife zu. Vielleicht
findet er doch, daß gerade die rauhe Wirklichkeit, auch
wenn ohne Gebrauch des „Farbenkaftens" gezeichnet,
manchen Vorteil bietet vor reizvollen, vorwiegend die
Phantafie befchäftigenden Lichtbildern und vor allem dazu
dienen kann, in das Verftändnis des Wefens der Miffion,
ihre Aufgaben und deren Löfung einzuführen'. Ich fetze
diefe vertrauenerweckenden Eingangsworte des Vorworts
hierher, weil der Verfaffer die darin gegebene Zufage
nüchterner, kritifcher Berichterftattung in der nachfolgen-

| den Darftellung auch wirklich eingelöft hat. Da ihm
neben eigenen langjährigen Erfahrungen und mündlichen
wie fchriftlichen Mitteilungen der Gründer der Tamulen-
miffion, befonders des Seniors Cordes, auch das Archiv
der Leipziger Miffionsgefellfchaft zugänglich war, alfo

1 ein fehr ausgedehntes Quellenmaterial zur Verfügung ftand,
haben wir eine Monographie erhalten, die um ihrer Gediegenheit
, Sorgfalt und maßvollen Haltung willen auch
für den hohen Wert befitzen wird, der die von dem Verfaffer
vertretenen Grundfätze und Urteile nicht ausnahmslos
fich anzueignen in der Lage ift.

Das Buch zerfällt in drei Teile von fehr verfchiedenem
Umfang. Der erfte, ,die Vorgefchichte', zeigt die Ent-
ftehung des Evangelifchen Miffionsvereins zu Dresden in

1 engem Anfchluß an Bafel 1819—1829 und feine allmähliche
Emanzipation 1830—1836. Daran fchließt fich eine

j inftruktive Skizze der Gefchichte der dänifch-hallefchen
Miffion unter den Tamulen 1706—1847. ln dem zweiten
Teil wird die Evgl.-lutherifche Miffionsgefellfchaft zu
Dresden 1836—1847 behandelt, in dem dritten folgt ihre
weitere Gefchichte von der Verlegung der Zentrale nach
Leipzig an bis zum Jahre 1860. Handmann charakterifiert
diefe letzte Periode als Sturm- und Drangperiode, fehr mit
Recht. Denn es find furchtbare Krifen, die in diefem
Zeitraum die Leipziger Gefellfchaft zu beftehen hatte,
vor allem infolge des Streits um die Karte, der die ganze
Miffionsarbeit unter den Tamulen in Frage Hellte, und
fehr bald auch nach Deutfchland hinübergriff. Die Frage,
ob eine Duldung der Karte unter den Chriften zuläffig ift,
und im Bejahungsfall, in welchem Umfang, wird noch
heute von den verfchiedenen evgl. Miffionsgefellfchaften
verfchieden beantwortet; das zeigt die große Schwierigkeit

j des Problems. Jedenfalls findet die der Karte entgegen-

I kommende Praxis der Leipziger hier eine Verteidigung,
die in hohem Grade lehrreich ift. Auch die Charakteriftik
der Perfönlichkeit Grauls, der für die Leipziger bedeutet

I was Jofenhans für die Basler, verdient befondere Hervorhebung
. Am Schluß faßt H. die durch die gefchichtliche
Entwicklung herausgeftellten und bewährten ,Grundfätze'
der Evgl.-luth. Miffion zu Leipzig zufammen, und ergänzt
in einem ,Anhang' feine Darfteilung durch manche wichtige
Belege und Ergänzungen. — Ein Teil der dem Buch
beigefügten Bilder gereicht ihm nicht zur Zierde. Sehr
zu bedauern ift die Unvollftändigkeit des Regifters. Es
fehlt beifpielsweife das Wort (Übertritt', nämlich von den
englifchen Gemeinden zu den Lutheranern, über die der
Verf. u. a. S. 236. 248. 289 höchft intereffänte Mitteilungen
macht, auch,Vielweiberei'S. 429 oder der technifche
Ausdruck ,Test' für das die Losfagung von der Karte
dokumentierende ,Probeffen' S. 3l6ff.

Hoffentlich ift es dem Verf. vergönnt, in nicht zu
ferner Zeit fein wertvolles Werk bis zur Gegenwart fortzuführen
.

Marburg i. Heffen. Carl Mirbt.

Lucius, f Prof. P. E., Zur äussern und innern Mission. Ver-
mifchte Vorträge und Auffätze. Tübingen 1903, J.C.B.
Mohr. (V, 186 S. 8.) M. 2.—

In dem Profeffor der Kirchengefchichte E. Lucius an
der Univerfität Straßburg hat die junge protertantifche
Miffionswiffenfchaft einen warmen Freund und kenntnisreichen
Mitarbeiter verloren und größere auf die Bearbeitung
der Miffionsgefchichte gerichtete Pläne find
infolge feines frühen Todes (27. November 1902) unausgeführt
geblieben. Die in dem vorliegenden Band vereinigten
Vorträge und Auffätze behandeln abgefehen von
dem auf dem 30. Kongreß für innere Miffion erftatteten
Referat (Die apologetifche Bedeutung der chrirtlichen
Liebestätigkeit für die Gegenwart) Probleme aus dem
Gebiet der Heidenmiffion und zwar: die Kräftigung des
Miffionsfinnes in der Gemeinde; die gefchichtlichen Vor-