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Ausgabe:

1904 Nr. 17

Spalte:

478-479

Autor/Hrsg.:

Funke, Bernhard

Titel/Untertitel:

Grundlagen und Voraussetzungen der Satisfaktionstheorie des hl. Anselm von Canterbury. Eine Monographie 1904

Rezensent:

Loofs, Friedrich

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Theologifche Literaturzeitung. 1904. Nr. 17.

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Arbeit und höchft refpektabler Gelehrfamkeit. Der Ver- ' matologie und Trinitätslehre finden kann, dem find,

faffer kennt feinen Hilarius, hat ihn eifrigft exzerpiert
und um fein Verftändnis fich redlich bemüht; und was das
heißen will, weiß jeder, der fich einmal durch die XII
libri de trinitate des Hilarius wirklich durchgelefen hat.
Es ift zwar traditionell, dies Werk des Hilarius zu
rühmen; dem Ernft feiner Orthodoxie macht es auch
alle Ehre: aber es ift eine qualvolle Lektüre. Der Katholik
fleht den Bemühungen des Hilarius um das nicä-
nifche Dogma freilich anders gegenüber, als ein moderner
proteftantifcher Theologe: ihm ift die altkirchliche

meine ich, die Augen gehalten. Wo bleibt die tertia
persona trinitatis, wenn Hilarius fagt: Proprium dei filio
est, ne praeter eum deus sit, proprium deo patri, ne
absque eo deus quisquam sit (de tritt. 2, 41)! Trotz der
Anzeichen einer gewiffen Unficherheit, die Hilarius verrät
(12, 56), fteht es bei ihm noch wefentlich wie bei
Hippolyt: tva &eov oqcö, Jtgööoojta de övo, olxovopiq
de rgirtjv ttjv yagiv tov aylov jtvevftarog (c. Noiit. 14).
Die abendländische Trinitätslehre in ihrer Unterfchieden-
heit von der apologetifch-origeniftifchen (vgl. RE3 XII,

Trinitätslehre ,das hehrfte Geheimnis des Chriftentums' 264!.) tritt auch in feinen Büchern ,de trinitate' (wie fie
(S. 1), während ein moderner Proteftant nur fchmerzlich | irrig jetzt heißen) deutlich hervor. Hier wurzelte auch
dadurch berührt werden kann, daß auch der ehrenwerte ; feine Pneumatologie, nicht darin, daß er vom Baum der
Hilarius feiner Zeit den Tribut gezahlt hat, daß er in ' griechifchen Theologie gegeffen hatte (Harnack DG II3,
folch unfruchtbaren, gequälten, von wirklichem Ver- ; 281). Der Verfaffer diefes Buches über die Trinitäts-
ftändnis der hl. Schrift verlaffenen Deduktionen und in lehre des Hilarius hat mit Recht von dem griechifchen
fo lieblofer Polemik vor Gottes Angefleht (vgl. die Ge- ; Einfluß in der Trinitätslehre des Hilarius fehr zurück-
betsanreden) feinen Glauben meinte bezeugen zu müfferj., haltend gefprochen und energifch auf Tertullian und
Welche Kluft klafft z. B. zwifchen modernem evange- j Novatian hingewiefen (S. 2 und viele Anmerkungen),
hfchem Chriftentum und dem Gedanken, daß Abraham Doch bleibt das eine gelehrte Arabeske; die Bedeutung
durch den Glauben gerechtfertigt fei, der denjenigen diefer Erkenntnis kommt nicht zur Geltung. Eine detaillierte
dogmengefchichtliche Monographie über Hilarius,
die feiner Terminologie bis auf Tertullian, Cicero und
Seneca nachginge, ohne über diefen Minutien den großen

der drei Männer aus Gen. 18, äff., der zu ihm redete
als den deus (filius) erkannte, sacramentuni futurae cor-
porationis agnoscens (de trin. 5, 15 u. 4, 27)! Ein katho-

lifcher Theologe wird durch dergleichen weniger verletzt j Zufammenhang zu überfehen, in dem Hilarius fteht, wäre
als wir; doch daß es ihm keine entfagungsvolle Arbeit ge- eine fchwere, aber dankenswerte Aufgabe. Die Trinitäts

lehre des Hilarius verträgt gefonderte Behandlung diefer
Art. Aber die Monographie Becks hat die Löfung diefer
Aufgabe niemandem vorweggenommen.

Halle a. S. Loofs.

wefen ift, den Hilarius, fpeziell die Bücher de trinitate,
zu lefen, kann ich mir nicht denken. Des Verfaffers
ernftefte Arbeit verdient daher aufrichtige Bewunderung.
Nicht minder feine Gelehrfamkeit. Denn eine Unmenge
von Interpreten fchwieriger Stellen des Hilarius find ihm
zur Hand — von den altkirchlichen Theologen und den

Heroen der Scholaftik an bis zu den neueren und neueften Funke, Konvikts-Dir. Bernhard, Grundlagen und Voraus-

katholifchen Dogmatikem. — Und doch wird kein pro- Setzungen der Satisfaktionstheorie des hl. Anselm von

teftantifcher Dogmenhiftoriker für die Würdigung des Canterbury. Eine Monographie. (Kirchengefchichtliche

Hilarius diefer mühfamen Arbeit viel Belehrung ent- Studien. Herausgegeben von Proff. DD. Knöpfler.

nehmen können. Denn foweit fie nicht mehr Referat c u •• cj 1 1 171 t> j ttt n r.. »»•• n • ,„

u a r- u j u i • 1 -rr r u clt- i Schrors, Sdralek. VI. Bd. III. Heft. Munfter i. W

über Ausfuhrungen des Hilarius, als eine wiffenfchafthche ' > 1"u,J,lcl '• vv-

Verarbeitung derfelben darfteilt — nur Referat ift das j IC>03, H- Bchoningh. (VIII, 166 S. gr. 8.) M. 3. 80

lange fechfte Kapitel (S. 145—235), das die Erledigung Diefe Monographie ift für die Wiffenfchaft wert-

der arianifchen Einwendungen durch Hilarius behandelt , lofer, als man nach ihrer Aufnahme in die ,Kirchen-

—, fpannt fie den Hilarius auf das Prokruftesbett fchola- j gefchichtlichen Studien' erwarten durfte. Das liegt nicht

ftifcher Syftematik, vgl. z. B.: Kap. I ,üas Sein im all- 1 daran, daß fie nur das erfte Drittel eines Ganzen ift,

gemeinen' 1) ,das effentielle Sein'. 2) ,Das hypoftatifche deffen Vollendung nach dem Vorwort zweifelhaft erSein
' ufw. Daß dies unberechtigt ift, zeigt fich z. B
darin, daß bei 1 (S. 11) der Satz des Hilarius aus de syn
12 zitiert wird, der die Notwendigkeit einer Verftändigung
über die Begriffe essentia, substantia, natura, genus betont
, während die Definitionen, die bei Hilarius fich unmittelbar
anfchließen, erft bei 2 (S. 17) gebracht werden.
Bei I (S. 11) folgt zunächft ein Satz über die Unter-

fcheint. Denn gegenüber den beiden vom Verf. urfprüng-
lich geplanten andern Teilen — der zweite follte die
Anfelmfche .Theorie felbft darftellen', der dritte ,fie auf
ihren dogmatifchen Wert hin unterfuchen und beurteilen'
— hat der ausgeführte erfte Teil unfraglich die wichtigere
und intereffantere Aufgabe. Welche Fragen hier noch
der Erledigung harren, daran ift noch jüngft erinnert

fcheidung .zwifchen logifchem und objektivem Sein', für j durch die Auffätze von E. v. Moeller (Die Anfelmfche
den ich bei Hilarius nicht die Berechtigung finde. Im | satisfactio und die Buße des germanifchen Strafrechts,
Detail diefe Ausführungen des Verfaffers zu kritifieren, j Theol. Studien u. Kritiken 1899 S. 627—634) und J. Lei-

ift hier nicht der Raum. Ich würde den gelehrten Verfaffer
auch fchwerlich überzeugen. Denn felbft da, wo
er m. M. n. handgreiflich irrt (fo S. 16 bei den Ausführungen
über iviago, S. 26 bei der Beziehung der

poldt (Der Begriff pneritunf in Anfelms v. Canterbury
Verföhnungslehre, ibid. 1904 S. 300—308), durch Gott-
fchicks Studien zur Verföhnungslehre des Mittelalters
(Zeitfchrift für Kirchengefch. XXII, XXIII u. XXIV) und

naturac res auf Gott, den Vater, und der Faffung des- 1 durch O. Scheels Bemerkungen über Gottfchicks Gefeiben
Begriffs bei dem Spiritus S. 237 f.), fteht er inner- danken von dem Verhältnis Anfelms zu Auguftin (Theol.

halb gelehrter Traditionen, denen er, obwohl er
mehrfach die Irrtümer fcholaftifcher Interpretation durch-
fchaut, fich nicht entziehen kann. Für einen proteftan
tifchen Lefer bedarf es der Einzelkritik der Darftellung

Studien u. Kritiken 1904 S. 401—433). Aber keine diefer
Fragen exiftiert für Funke. Das ift's, was feine Arbeit
wertlos macht. Der erfte Teil feines vorliegenden Buches
(S. 4—121) behandelt ,die gefchichtliche Entwicklung

des Verfaffers auch nicht: er fleht, daß er hier nicht i des Genugtuungsdogmas und Anfelm v. Canterbury',

findet, was er fucht, fobald er wahrnimmt, daß der ganze ! d. h. a) ,die Lehre von der Genugtuung bis auf Anfelm'!

Hilarius auf einer Fläche behandelt wird: daß der Mat- ; b) Anfelm felbft und ,die Stellung der Späteren zu ihm'

thäuskommentar Gedanken hat, die fpäter zurücktreten 1 (bis hin zur Gegenwart, einfchließlich der proteftantifchen

(vgl. RE3 VIII, 59), erfährt man nicht; dogmatifches, nicht ! Kritik). Die Darlegung der .gefchichtlichen Entwick-

hiftorifches Intereffe beftimmt die Ausführungen. Ja, lung' vor Anfelm befchränkt fich darauf, daß fechs vor-

das dogmatifche Intereffe befchränkt die hiftorifche Be- j anfelmifche .Theorien', die z. T. bei den Vätern fich

obachtungskraft. Wer bei Hilarius eine orthodoxe Pneu- neben einander finden, auch z. T. — wie Verf. gelegent-