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Ausgabe:

1904

Spalte:

452-455

Autor/Hrsg.:

Zapletal, Vincenz

Titel/Untertitel:

Altestamentliches 1904

Rezensent:

Bertholet, Alfred

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Theologifche Literaturzeitung. 1904. Nr. 16.

452

hat er feinem Gefamturteil ,Nicht das Mahl bedeutet die
Verhöhnung, fondern das vergoffene Blut' (S..251) von
vornherein alle Überzeugungskraft genommen. Überhaupt
ift folchen populären Religionsbräuchen gegenüber zu
viel Theoretifieren und Syftematiheren nur vom Übel,
und das gereicht denn neben dem durchgängigen chro-
nologifchen Etikettieren des mitgeteilten Materiales —
ich rechne dahin auch den Satz, daß das Blutvergießen
auf der Schwelle dem Blutvergießen auf dem Felfen
vorangegangen fein foll (S. 275) — C.s Buche m. E. nicht
zum Vorteil.

Um fo dankbarer dürfen wir diefes Material felber j
hinnehmen. Was es uns in erfter Linie lehrt, das ift,
daß das ungebildete Volk nach Gottheiten ,in der Nähe,
verlangt und mit einem ,Gott aus der Ferne' nichts
Rechtes anzufangen weiß. ,Der Kult gilt nur den Lokalgottheiten
. Was man fleh auch unter Gott vorftellen
mochte: die Gottheit, mit der man zu tun hatte, zu der
man in Nöten kam, war mit dem Lokalheiligtum verbunden
' (S. 293, vgl. Kap. VIII: der perfönliche Gegen-
ftand der Verehrung). Darum wendet man fleh an die
.Heiligen' (Mär, Weli oder Fagir), die hier, z. T. noch
in Quell und Baum und Stein wohnend, erreichbar find,
während man den Einen Gott der offiziellen Religion
in feiner Erhabenheit unbehelligt läßt. Man fürchtet
jene .Heiligen' auch mehr als ihn, weil fie fchnell vergelten
(S. 67 A 1); man wagt nicht falfch bei ihnen zu
fchwören, während man ohne die geringften Gewiffensbedenken
bei Gott einen Meineid fchwört (S. 132) etc.
Von alledem ifl, was man S. 290 f. lieft, nur wie ein
fymbolifcher Ausdruck: ,Bei einem Befuch des Heiligtums
des berühmten ez-Za'bi findet man dort ein fchön
inftand gehaltenes Gebäude neben einer zerftörten
Mofchee, und diefe fteht, was noch auffälliger ift, in den
halb mit Erde angefüllten Ruinen einer alten chriftlichen
Kirche'. Natürlich denkt man bei diefen Lokalheiligen
an die alten Bealim (C. fchreibt merkwürdigerweife
durchweg Baalim). — Von ganz befonderem Intereffe
ift, was über den Blutbrauch mitgeteilt wird, wie Tür-
pfoften, Türftürze und Türfchwellen, aber auch Men-
fchen und Vieh mit Opferblut beftrichen bezw. befprengt
werden, was natürlich unmittelbar an Ex. 12, 7 und an-
dererfeits 24, 6—8 erinnert. Es ift feltfam, daß Tatfachen,
die der Verf. mit fo viel Beifpielen belegen kann, bisher
der Aufmerkfamkeit felbft fachkundiger Forfcher faft
ganz entgangen find (doch vgl. S. 259). Ich hebe weiter
hervor die wichtigen Ausführungen über die Höhenplätze
(vgl. namentlich auch Anhang C), über Priefter und
heilige Leute, über Gelübde und Jahresfefte, über das
.Opfer zwifchen den Füßen' (S. 200) etc., fowie die
Mitteilung der Legenden des Heiligtums .Mutter der
Scherben' in 2 Rezenfionen (S. 88 ff. und 300 ff.: Anhang
B). Sehr lehrreich ift mir aus mehreren Stellen des
Buches (S. 68. 74. 78. 130. 133.fi) entgegengetreten, wie
genau fich die Gottesvorftellung nach den Erfahrungen
geftaltet, die der Menfch mit der irdifchen Regierung
macht. Die Beflechlichkeit diefer überträgt fich ohne
Weiteres auf jenen etc. Das follte im Grunde eine Warnung
fein, nicht zu feft an die Stabilität der religiöfen
Vorftellungen zu glauben! — Viel Wiffenswertes erfährt
man über die intereffante Sekte der Noffairier. Es heißt,
fie feien Anhänger des Seelenwanderungsglaubens
(S. 130 A 4; 237). Wie ftimmt dazu aber die Angabe
S. 197 A 5, fie feien überzeugt, daß die Seelen der Frauen
wie die der Tiere umkämen? S. 237 wird bloß bemerkt,
daß die Seele eines Weibes nie in den Leib eines Knaben
eintrete. — Dankenswert find die ausführlichen Regifter
des Überfetzers, Paftors H. Stocks, der auch zwei Karten
auf Grund des ihm von C. zur Verfügung geftellten
Materials felbftändig entworfen hat. Ich vermiffe im
Regifter z. B. j. v. Seelenwanderung: S. 130 A.; s. v.
Höhle: S. 154; s. v. Erftlinge: S. 181. — Von den Anhängen
verdient noch befondere Erwähnung der fünfte:

Altar und Opfer in der älteften babylonifchen Kunft von
Rev. William Hayes Ward.

Eingeleitet ift das Buch durch ein empfehlendes
Vorwort des Grafen Baudiffin. Schon er hält mit den
Bedenken, die in diefer Anzeige zur Sprache kommen
mußten, nicht hinter dem Berge. Immerhin, fie treten
ftets wieder zurück hinter dem Gefühl aufrichtiger
Dankbarkeit für fo viel reiche Anregung, die wir dem
Verfaffer fchulden, und fo vermag ich meine Befpre-
chung nicht zu befchließen, ohne nochmals mit allem
j Nachdruck auf die große Bedeutung feines Buches hin-
j gewiefen zu haben.

Bafel. Alfred Bertholet.

Zapletal, Profi Vincenz, O. P., Alttestamentliches. Freiburg
(Schweiz) 1903, Univerfitäts-Buchhandlung (B.
Veith). (VIII, 191 S. gr. 8.) M. 4.—

Unter dem Titel .Altteftamentliches' hat Zapletal
ein Dutzend Studien vereinigt, die fich über folgende
Themata verbreiten: 1) das Ebenbild Gottes im Menfchen
Gen. 1,26f.); 2) das Strafgericht nach dem Sündenfall
Gen. 3, 14-19); 3) der Segen Jakobs (Gen. 49,2-27); 4) das
Ephod; 5) das Gelübde Jephtas; 6) der Lobgefang der
Hanna (I Sam. 2,1-10); 7) Davids Klagelied über Saul und
Jonathan (II Sam. 1. 18-27); 8) der 2. Pfalm; 9) das Sela
in denPfalmen; 10) die Parabel vom Weinberg (Jef. 5, 1-7);
11) der Spruch über Moab (Jef. 15. 16); 12) zur natür-
lichften Erklärung des bibliichen Schöpfungsberichtes.

Diefe Studien legen von der wiffenfchaftlichen Arbeit
des Verfaffers ein fchönesZeugnis ab: ein in anerkennenswertem
Grade vorurteilsfreies Eindringen in den Stoff,
ein guter Blick für die Schwächen des überlieferten
Textes, ein gefunder Sinn für das Natürliche und ruhiges,
befonnenes Ürteil — das tritt uns im ganzen in glücklicher
Mifchung aus diefem Buche entgegen. Man darf
fich folcher Mitarbeit aus dem katholifchen Lager aufrichtig
freuen und mag ihr wieder mit Genugtuung entnehmen
, daß es darin an gelehrten Forfchern nicht fehlt,
welche unbefangen genug find, von der kritifchen Arbeit
proteftantifcher Theologen zu lernen und fich von ihr
fördern zu laffen. Die eigenen Darlegungen des Verfaffers
werden katholifchen Lefern, die in der betreffenden
proteftantifchen Literatur weniger bewandert find, ungleich
mehr Neues bringen, als denen, die in ihr ihre wiffenfchaft-
liche Wegleitung zu fuchen gewohnt find. Es wird fogar
vielleicht nicht ausbleiben — die Erfahrung, von der Zapletal
im Vorwort fpricht, läßt es faft erwarten —, daß jene
einzelne Entrüftungsrufe erheben werden, wo diefe des Verfaffers
Urteile noch gemäßigt finden. Genug, es werden
feine Studien ihren Weg machen und ihn hoffentlich
nicht am wenigften zu denen finden, die am meiften aus
ihnen zu lernen hätten.

Den proteftantifchen Altteftamentler werden befonders
des Verfaffers Verfuche intereffieren, die urfprüngliche
metrifche Form einiger poetifcher Stücke des Alten
Teftamentes aufzudecken. Hierher gehören nach der
obigen Numerierung:

3) Der Segen Jakobs. Er .befteht aus fchönen, drei-
hebigen Stichen, von denen je zwei zufammengehören;
nur zwei Stichen machen von diefer Regel eine Ausnahme.
Da wir nicht anzunehmen brauchen, daß Jakob mit feinen
Söhnen in wohlgebauten Verfen gefprochen hat, fo
können wir fchließen, daß wir hier eine dichterifche Bearbeitung
der Rede vor uns haben, welche Jakob zu-
gefchrieben wurde. Aber das Gedicht ift doch alt'. Von
Konjekturen des Verfaffers und Ae. erwähne ich: ftatt
Fibbn TS (S. 4): nbriT (und am Schluß mit Geiger und
Uagarde rrnbn für WbV) ,du krochft (wie eine Schlange)
auf das Lager' der Bilha'; — V. 27 lieft er, LXX folgend,
■flJT ftatt 1?, was dann in der Bedeutung ,Beute' vielleicht
überhaupt aus dem hebräifchen Lexikon zu verfchwinden