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Ausgabe:

1904 Nr. 1

Spalte:

21

Autor/Hrsg.:

Knoth, Ernst

Titel/Untertitel:

Ubertino von Casale 1904

Rezensent:

Lempp, Eduard

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21

Theologifche Literaturzeitung. 1904. Nr. 1.

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hungen Ubertins zu Joachim (und Dante) ein umfangreiches
Schiulikapitel. In demfelben behandelt er den Lebensgang
und die Schriften Joachims, fowie die apokryphifche
Literatur des Joachimismus bis herab zum Telesphorus und
Antitelesphorus. Gewifs gibt er auch hier, auf Denifles

Stein, Dr. Ifaak, Die Juden der schwäbischen Reichsstädte im
Zeitalter König Sigmunds (1410—1437). Berlin 1902.
M. Poppelauer. (74 S. gr. 8.) M. 2.50

Ref. hat 1882 in Löher's archivalifcher Zeitfchrift zu-

Unterfuchungen weiterbauend, eine wertvolle Arbeit, j erft auf die Bedeutung des Weinsberger Archivs im
allein für feinen Zweck ift fie zu ausführlich, und für die uns 1 fürftlich hohenlohifchen Hausarchiv zu Oehringen für die

noch fo fehr fehlende Gefchichte Joachims und der an feine
Schriften fich anfchliefsenden Geiftesbewegung ift fie doch
ungenügend. Aber immerhin, wer fich über die franzis-
kanifche Reformbewegung, wie fie fich feit der Mitte des
13. Jahrhunderts mit den joachimitifchen Ideen verquickte
und auseinanderfetzte, und zumal über ihre Literatur
unterrichten will, wird nicht ohne Gewinn zur vorliegenden
Arbeit greifen.

Neckarsulm. E. Lempp.

Knoth, Päd. extr. Dr. Emft, Ubertino von Casale. Ein

Beitrag zur Gefchichte der Franziskaner an der Wende

des 13. und 14. Jahrhunderts. Marburg 1903, N. G.

Elwert. (VIII, 163 S. gr. 8.) M. 3.60

Gleichzeitig mit der obigen Monographie Hucks über
Ubertin von Cafale hat K. feine Arbeit, deren erftesDrittel in
der Zeit fchr. f. wiff. Theol. Jahrg. 44,1 erfchienen war und dort
vergebens auf die Fortfetzung des Druckes wartete, in
einem eigenen Buch erfcheinen laffen. Das ift dankenswert
denn es ift eine vortreffliche Arbeit. Sie umfaßt j längft ausgetrieben. Zu diefem Zwecke wäre eine er

Gefchichte der Juden in Deutfchland und die hervorragende
Rolle Konrads von Weinsberg als Erbkämmerer
König Sigmunds in diefer Gefchichte aufmerkfam gemacht
und hat darum mit einiger Spannung die vorliegende
Schrift zu lefen begonnen. Denn der Verf. hat nur all-
zufehr recht, wenn er fagt: Die Gefchichte der Juden in
den fchwäbifchen Reichsftädten hat bisher noch keine
zufammenhängende Bearbeitung gefunden. Mit Recht
hat er das Zeitalter König Sigmunds, in welchem .die
Juden der fchwäbifchen Reichsftädte in ihren Beziehungen
zu Kaifer und Reich, zu Rat und Stadt und in ihrer
eigenen Gemeinde fo viel des Intereffanten bieten', einer
befondern Behandlung wert geachtet. Der Verfaffer
hätte aber gut getan, feinen Lefern erft zu fagen, wie weit
das Gebiet der fchwäbifchen Reichsftädte fich erftreckt,
und fich dann ftreng auf diefes Gebiet zu befchränken,
ftatt bald von Nürnberg, bald von Weißenburg, bald
von Koblenz etc. zu reden. Weiter aber wäre eine genaue
Feftftellung der Reichsftädte Schwabens notwendig ge-
wefen, in welchen es zur Zeit Sigmunds noch Juden gab,
denn manche hatten, wie z. B. Rottweil, die Juden fchon

freilich nur das, was Huck im III. Abfchnitt feines j fchöpfende Benutzung des in Öhringen liegenden Quellen

Buches behandeln wollte. Aber wie viel gewinnt K
an Klarheit durch diefe Befchränkung feiner Aufgabe!

materials, das Kerler 1889 im Raum feiner S. 17 zitierten
Abhandlung unmöglich ganz verwerten konnte, aber

Hier werden die Schriften Ubertins analyfiert und in ihre auch eine Durchforfchung der reichsftädtifchen Archive
literarifchen Beziehungen verfolgt, hier tritt Ubertin's unbedingt erforderlich. Jedenfalls aber waren die Quellen

Lebensgang und Bedeutung mit der Deutlichkeit vor
Augen, die man bei Huck oft vermißt. K. fchildert zu-
nächft Ubertins Leben bis zu feinem Eingreifen in den
Armutftreit, wobei der arbor vitae den Mittelpunkt der
Unterfuchung bildet. Daß er dabei eine Erklärung von
Ubertins auffallend fcharfer Polemik gegen Benedikt XI
nicht verfucht, wie Huck S. 23 u. 63 es tut, halte ich
für einen Vorzug; freilich ift auch der Verfuch K.s,
die heftige Parteinahme Ubertins für die Colonna zu
erklären S. 50, nicht ganz befriedigend. Warum K. bei
der Betrachtung über Ubertin als Erbauungsfchriftfteller
gerade die Lehre von der Vollkommenheit und die Lehre
von der Gnade und den Sakramenten hervorhebt, ift nicht
recht erfichtlich. Bedeutungsvoll dagegen ift der eingehende
Nachweis der Verwandtfchaft des arbor mit

werke und Einzeldarftellungen der Gefchichte der Reichsftädte
nicht zu entbehren. Aber Stein hat weder das
von der Kommiffion für württb. Landesgefchichte herausgegebene
Urkundenbuch von Rottweil noch die Befchrei-
bungen der Oberämter (und Städte) Ulm und Heilbronn,
auch nicht die Gefchichte Pißlingens von K. Pfaff und
die von Ravensburg von Hafner, die bei allen Mängeln
doch viel Material bietet, benutzt. So find ihm z. B. die
aufregenden Ereigniffe in Ravensburg von 1428 ff., welche
ein angeblicher Chriftenmord hervorrief, völlig entgangen,
ebenfo die wertvolle Abhandlung von Th. Schön: ,Ge-
fchichte der Juden in Reutlingen' Reutlinger Gefchichts-
blätter V (1894) S. 36, 59, wo auf Grund eines Schreibens
Sigmunds vom 9. F"ebr. 1415 nachgewiefen ift, daß die
damalige Reutlinger Judengemeinde ein Vermögen von

Bonaventura und Olivi, von welch' letzterem die joachi- 96000 fl. befaß und Nyemecvon Level damals die Juden

mitifchen Stellen im arbor hauptfächlich herftammen.
Der wertvollfte Teil der Schrift ift aber wohl die Dar
legung von Ubertins Anteil am Armutftreit der Fran

fteuer einzog.

Die von Stein beigezogenen Öttingifchen Prozeßakten
find viel zu jung, um ins Gewicht zu fallen, und

ziskaner. Diefer Teil beruht ja freilich ganz auf Ehrles ' die ländlichen Memorienbücher von Binswangen, Eder
Publikationen, aber es ift doch neu, welch ein klares heim etc. zu unbedeutend, um auch nur einigen Erfatz
Bild wir von der Entwicklung diefes folgenfehweren > für die außer Augen gelaffenen ftädtifchen Archive zu
Streites hier bekommen, und namentlich der Nachweis, bieten.

wie groß der Anteil Ubertins an diefem Streit bis zu der Man wird die Gefchichte der Juden der fchwäbifchen

Sachfenhäufer Apellation hin war. Es mag manches aus Reichsftädte im Zeitalter König Sigmunds auf breiterer
diefem Streit noch weiterer Aufklärung bedürfen, aber wir ' Grundlage und mit tieferer Ergründung fchreiben müffen
lernen jedenfalls begreifen, wie Johann XXII fagen konnte: ' und die Gefchichte der Juden in andern Gebieten Süd-
,Die Minoriten machen der Kirche mehr Verdruß und Ärger 1 deutfchlands, befonders in den Landftädten, wie Tübingen
als alle übrigen Religiofen zufammen'. Daß trotzdem der | und Villingen, heranziehen müffen. Ift es doch eine fehr
Orden nicht aufgehoben worden ift, beweift an fich fchon, i wichtige Frage, welche Stände den Juden Aufnahme ge-
wie unrichtig es ift, wenn K. in der Einleitung S. 2 be- i währten, und zu welchen Zeiten, wobei dann die Geld-
hauptet, die Erkenntnis, daß das Papfttum der Anti- frage wefentlich in Betracht kommt. Nach des Ref.
chrift fei, fei damals zum Gemeingut des ganzen Mino- Beobachtungen find es die geiftlichen Herren und der
ntenordens geworden. Nicht einmal, wenn man ftatt verarmende Adel, denen der Jude als Schwamm will-
Papfttum die Perfon des Papftes Johann XXII fetzen 1 kommen war, der bei jedem Druck ftatt Waffer Geld gab.
lsr^rl n*" d'e BehauPtun£ richtig (vgl. Giefeler, Stein hätte manches kürzer faffen und Wiederholungen

KGefch. II, 3) 198 f.). vermeiden können, um Raum zu gewinnen, aber feine

Neckarsulm. E. Lempp j Gruppierung des Stoffes beweift Gefchick und, was er z. B.

über Befteuerung der Juden unter Sigmund, über die