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Ausgabe:

1904

Spalte:

413-415

Autor/Hrsg.:

Hoffmann, Georg

Titel/Untertitel:

Die Lehre von der fides implicita innerhalb der katholischen Kirche 1904

Rezensent:

Ritschl, Otto

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Theologifche Literaturzeituug. 1904. Nr. 14.

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angeordnet hatte. Mochte immerhin bei der Durchführung
des Interims die größte Milde beobachtet werden
, das Land wurde hierdurch doch in die größte Verwirrung
und Unordnung geftürzt, und der alte Kurfürft gewann
nicht mehr die Kraft und die Zeit wieder gut zu
machen, was in den nächften Jahren verdorben wurde,
wenngleich er feit dem Jahre 1553 unter dem Einfluß Chri-
ftophs v. Württemberg und feines Neffen Ott-Heinrich allmählich
wieder in die verlaffenen Bahnen zurücklenkte. In
der äußeren Politik dagegen errang der Kurfürft in den
letzten Jahren feines Lebens nicht unbedeutende Erfolge.
War es ihm fchon 1553 gelungen, neben den Anhängern
des Kaifers und des Herzogs Moritz eine 3. Partei zu
bilden, die vor allem die Libertät der deutfehen Furften
gegenüber den abfolutiftifchen Gelüften des Kaifers verteidigen
follte, fo wollte es nicht weniger bedeuten, daß
er zum Verdruß der geiftlichen Kurfürften zum Oberften
des Kurrheinifchen Kreifes gewählt wurde. Sie mochten
befürchten, daß er diefe Stellung benutzen werde, um
auf die Geftaltung der kirchlichen Verhältniffe in den
rheinifchen Gebieten im evangelifchen Sinne einzuwirken.
Daß er hierzu bereit war, ließ feine Haltung auf dem
Augsburger Reichstag v. 1555 vermuten, wo er für die
unbedingte Freiftellung der Religion eintrat. Er itellte
damit einen Grundfatz auf, der für feine Nachfolger m
den folgenden Jahrzehnten die Richtfchnur ihrer Politik
geworden ift. Aber diefen äußeren Erfolgen entfprachen
die inneren Zuftände in der Pfalz in keiner Weife. Die
Schilderung, die Rott auf Grund der Quellen davon entwirft
, zeigt, welche böfe Folgen die zweideutige Haltung
des kurfürften zur Zeit des Interims für das Land hatte.
Erft unter dem Nachfolger Friedrichs, feinem Neffen Ott-
Heinrich, von deffen Perfönlichkeit uns Rott ein fehr an-
fprechendes Bild entwirft, nehmen die Dinge eine ent-
fchiedene Wendung zum Beffern. — Beigegeben find der
Abhandlung die Stiftsordnung Friedrichs für die Pfalz
v. 1546, die Kirchenordnung aus demfelben Jahr und
einige bisher ungedruckte Briefe Bucers an Ott-Heinrich
aus den Jahren 1547 und 48. In diefen behandelt der
auch für die Förderung der evangelifchen Bewegung in
der Pfalz fo unermüdlich tätige Mann die Frage, wie der
Herzog fleh gegenüber dem Anerbieten des Kaifers, ihm
gegen Entfagung des neuen Glaubens fein Herzogtum
wiederzugeben, zu verhalten habe. —

Etwas ftörend bei der Lektüre der tüchtigen Arbeit
wirken einige Druckfehler und Unebenheiten im Ausdruck
, die durch forgfältigere Korrektur leicht hätten vermieden
werden können.

Weimar. H. Virck.

Hoffmann. Patt. D. Georg, Die Lehre von der fides implicita

innerhalb der katholifchen Kirche. Leipzig 1903,
J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung. (IV, 407 S. gr. 8.)

M. 8.—; geb. M. 9.—

Die vorliegende dogmengefchichtliche Monographie
Hellt fleh als die von einem fehr gelehrten und im einzelnen
durchweg felbftändig urteilenden Schüler Albrecht
Ritfchls unternommeneFortfetzung von deffen Forfchungen
über die Lehre von der fides implicita dar. Nur hat
fleh der Verf. in diefem Buche auf die Unterfuchung
von deren Ausbildung und Geltung innerhalb der katholifchen
Kirche befchränkt. Doch behandelt er das Thema
extenfiv und intenflv weit vollftändiger und gründlicher,
als fein Vorgänger. Dem Umfange nach bietet er fleben-
bis achtmal fo viel als diefer. Und während Ritfehl nur
22 Auktoren behandelt hat, find es bei Hoffmann deren
99. Dazu kommen bei ihm noch Erörterungen über
den Glaubensbegriff im Neuen Teftament und am Schluß
des Buches einl'chlägige Mitteilungen aus katholifchen
Gebeten. Der Fleiß und die Geduld des Verf. find in
Anbetracht des im Grunde doch recht monotonen Stoffes,

in den er fleh mit großer Liebe eingearbeitet und dem
er mit Umficht und Scharfsinn eine beträchtliche Menge
von neuen Erkenntniffen abgewonnen hat, im höchften

1 Grade anerkennenswert.

Und doch würde der Verf. feine eingehende und

| umfangreiche Arbeit fruchtbarer und vor allem überficht-
licher haben geftalten können, wenn er nicht auch die
Darftellungsmethode, die Ritfehl im erften Teile feiner
Schrift befolgt hat, von ihm übernommen hätte. Da es
in diefer, auch ganz abgefehen von dem unvollendeten
Zuftand, in dem fle ihr Verfaffer hinterlaffen hat, doch
nicht eigentlich auf hiftorifche Vollftändigkeit abgefehen
war, fo mochte es in ihr genügen, daß lediglich die eine
Entwicklungsreihe der katholifchen Lehre von der fides
implicita verfolgt wurde. Wenn demgegenüber der
Verf. jedoch mit Recht danach (hebte, diefe Nachweifungen
nicht nur nachzuprüfen und, wo es not tat, zu berichtigen
, fondern auch durch Ausdehnung auf die ganze
Zeit feit dem Neuen Teftament bis auf die Gegenwart
zu vervollftändigen, fo hätte er auch noch einen Schritt
weiter tun und die Entwicklung jener Speziallehre durchweg
auf dem Hintergrunde einer Gefchichte des chrift-
lichen Glaubensbegriffs im ganzen darftellen follen. Dadurch
wäre freilich fein Stoff erheblich angewachfen.
Doch hätte die nun vorliegende Darftellung an manchen
Stellen ganz wohl gekürzt werden können, fo daß der
Umfang des ganzen Buches nicht notwendig übergroß
hätte zu werden brauchen. Die Gefamtleiftung aber
hätte fo noch fehr wefentlich an Abrundung und an
Intereffe gewinnen können.

Die Gefichtspunkte, die in dem neuteftamentlichen
Abfchnitt durchgeführt werden, hätten eine folche Anlage
des Buches eigentlich nahe legen müffen. Mit
Recht (teilt der Verf. feft, daß der Begriff des Glaubens
bereits in den fpäteren neuteftamentlichen Schriften
feinen urfprünglich fubjektiven Charakter verloren hat.
An diefe Nachweifungen fchließen fleh dann aber bloß

1 zwei kurze Seiten, auf denen einige Stellen aus I.Clemens,
Hermas, Jüdin und Theophilus behandelt werden, während
doch gerade diefes auf die apoftolifche Zeit folgende
Jahrhundert eine weit größere Ausbeute an wichtigen
Beiträgen zur Erkenntnis charakteriftifcher Veränderungen
des chriftlichen Glaubensbegriffes hätte liefern
können. Namentlich die fchon bei Paulus auftauchende
Frage nach dem Verhältnis von jtiöztc und yvmoic hätte

| nicht erft bei Clemens von Alexandrien berührt, fondern
in ihrem weit früher einfetzenden gefchichtlichen Zu-

] fammenhange, in den außer dem von dem Verf. vielmehr
in anderer Beziehung gewürdigten Hebräerbrief
befonders auch der Barnabasbrief hineingehört, behandelt
werden müffen. Vor allem aber befremdet es, daß die
f. g. häretifche Gnofls überhaupt nicht gewürdigt wird.
Mindeftens Marcion hätte nicht einfach übergangen
werden dürfen. Und die bekannte Auseinanderfetzung
zwifchen Apelles und Rhodon (Eufeb h. e. V, 13, 5—7)
wäre befonders geeignet gewefen, den Unterfchied des
von dem Marcioniten vertretenen rein religiöfen und des
dem Kirchenmanne ganz felbftverftändlich erfcheinenden
intellektualiftifchen Glaubensbegriffes charakteriftifch zu
beleuchten.

Daß fleh der Verf. auch weiterhin, für die patriftifche
Zeit, mit einer begrenzten Auswahl von Repräfentanten
begnügt und diefe felbft nur relativ kurz behandelt hat,
ift an fleh nicht unberechtigt. Nur merkt man nicht
recht, nach welchem Prinzip eigentlich gerade diefe
Auswahl getroffen ift. In dem Abfchnitt über Auguftin
folgt der Verf. der Darftellung in Harnacks Dogrnen-
gefchichte, der er aber doch wohl zu einfeitig den Ein-
! druck entnimmt, daß Auguftin vor allem als Vertreter
des kirchlichen Autoritätsglaubens in Betracht kommt
Hat Auguftin doch, fo gefliffentlich er fleh auch an das
Dogma der Kirche gebunden hält, nicht nur den Ausdruck
fides, qua creditur geprägt, fondern in dem Geifte