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Ausgabe:

1904 Nr. 14

Spalte:

411-413

Autor/Hrsg.:

Rott, Hans

Titel/Untertitel:

Friedrich II. von der Pfalz und die Reformation 1904

Rezensent:

Virck, H.

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Theologifche Literaturzeitung. 1904. Nr. 14.

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herein nicht treffen. Vor 76b ift ihnen kaum ein Haar
gekrümmt. Wollte er das Gut der Mönche haben und
ihren Einfluß verringern, fo genügten Adminiftrativmaß-
regeln. Ein Konzil war dazu nicht nötig. Was die
perfönliche Meinung des Kaifers von der Sache anlangt,
fo war die nicht einmal identifch mit der der Bilderfeinde
. Er wollte überhaupt nicht mehr die Anrufung
der Maria und der Heiligen.

Man erkennt aus diefen Sätzen, daß die Auf-
ftellungen des Verfaffers, die er übrigens teilweife fchon
von anderen übernommen, aber jedenfalls gefchickt zu-
fammengeftellt hat, manches für fleh haben. Freilich
kann er nun die graufamen Maßregeln des Kaifers im
Laufe des Kampfes nicht in Abrede ftellen. Hier tut er
m. E. des Guten zuviel, um alles im beften Sinne
erfcheinen zu laffen, wie das fchon bei der Befprechung
der inneren Politik auffiel. Im ganzen genommen aber
hat Verfaffer das Problem des Charakters des Kaifers,
denn darauf läuft fchließlich alles hinaus, ein gutes Stück
weiter geführt, und die Hiftoriker werden fleh mit der Ge-
famtauffaffung Lombards abzufinden haben, die diefer mit
gewohnter Präzifion dahin ausfpricht: L'oeuvre des empe-
reurs isauriens constitue Vun des plus grands et des plus
respectables efforts qui aient ete faits pour relever le
niveau materiel, moral et intellectuel d'uu peuple. Cette
vaste tentative dl Organisation est aussi importänte que
celle de Charlemagne. Elle apparait, sur bien des points,
plus intelligente et plus voisine de nos coneeptions modernes
(S. 169).

Hannover. Ph. Meyer.

Rott, Hans, Friedrich II. von der Pfalz und die Reformation.

(Heidelberger Abhandlungen zur mittleren und neueren
Gefchichte, herausgegeben von K. Hampe, Erich
Mareks und Dietrich Schäfer. Heft 4.) Heidelberg
1904, C. Winters Univerfitätsbuchh. (X, 156 S. gr. 8.)

M. 4.—

Der Verfaffer des oben angeführten Werkes hat keine
leichte Arbeit gehabt. Denn abgefehen davon, daß es
für eine Schilderung der in Frage flehenden Begebenheiten
nur fehr wenige Vorarbeiten gibt, find auch die
Akten, aus welchen man deren Kenntnis fchöpfen könnte,
zum größten Teil verloren gegangen oder fo zerflreut,
daß es der größten Mühe bedarf, eine fichere Grundlage
für die Darflellung zu gewinnen. Man wird dem Verfaffer
die Anerkennung nicht vertagen, daß er die feiner Arbeit
entgegenflehenden Schwierigkeiten nach Möglichkeit
zu überwinden verftanden hat. Er weiß nicht nur die
in einer umfangreichen Literatur zerftreuten Angaben
über die Vorgänge in der Pfalz gefchickt für feine Zwecke
zu verwerten, fondern auch durch eine fleißige Durch-
forfchung der Archive von München, Darmftadt, Karls
ruhe, Speier, Straßburg fowie der handfehriftlichen Schätze
der Straßburger und Heidelberger Bibliothek eine Reihe
neuer wichtiger Nachrichten zu gewinnen, auf denen er feine
Darflellung aufzubauen vermag. Wenn es ihm trotzdem
nicht gelungen ifl, ein völlig befriedigendes Bild der
Vorgänge während der Regierung des Kurfürflen Friedrich
zu entwerfen, fo liegt das nicht an ihm, fondern an
dem lückenhaften Quellenmaterial. Etwas deutlicher wäre
das Bild allerdings wohl geworden, wenn Verfaffer auf das
Leben Friedrichs und die evangelifchen Anregungen, die
er vor feinem Regierungsantritt empfing, etwas näher
eingegangen wäre. Was er darüber bietet, ifl nur fehr
fkizzenhaft gehalten. Dasfelbe gilt von der Schilderung
der kirchlichen Zuflände in der Pfalz vor dem Regierungsantritt
Friedrichs und der kirchlichen und politifchen Haltung
feines Vorgängers Ludwig. Indes ein tieferes Eingehen
hierauf würde die Arbeit noch mehr erfchwert haben,
und man wird es dem Verfaffer nicht übelnehmen, daß er
hiervon abgefehen hat. — Die Darflellung zerfällt in

I 4 größere Abfchnitte. Der erfte handelt über Friedrichs
äußere Politik bis zum Schmalkaldifchen Krieg; der 2.
j über Friedrichs reformatorifche Handlungen in feinem
Lande bis zu diefem Krieg. Der 3. enthält die Erzählung
der Begebenheiten vom Beginn des Krieges bis zum
Interim; der 4. vom Interim bis zum Tode Friedrichs
a. 1556. Richtiger und für das Verftändnis erfprießlicher
wäre es vielleicht gewefen, wenn der Verfaffer einen Teil
des 2. Abfchnittes dem erften vorangeftellt hätte, da fein
Inhalt ja bis zu einem gewiffen Grade die Vorausfetzung
zu den im 1. Abfchnitt erzählten Begebenheiten bildet.
Die vom Verfaffer gewählte Anordnung erweckt faft notwendig
den Eindruck, als fei Friedrich zur Reformation
feines Landes erfl durch die Entdeckung der Täufchung
beftimmt worden, die er in feinem Streben nach der
Dänifchen Königskrone vom Kaifer erlitt, und diefer Eindruck
wird dann noch dadurch verflärkt, daß die eigentlich
entfeheidenden reformatorifchen Anordnungen erfl
nach jener Entdeckung erfolgen. Wahrfcheinlich hat
der Verfaffer diefe Auffaffung felbft nicht. Erzählt er uns
doch, daß man Friedrich fchon lange vor feinem Regierungsantritt
proteftantifche Neigungen zufchrieb und
von ihm eine Reformation des Landes erwartete. Der
obigen Auffaffung widerfpricht auch der Umftand, daß
der Kurfürfl, bald nach dem er Oftern 1545 mit feiner
Gemahlin das Abendmahl sub utraque genommen hatte,
dem heffifchen Rat Lerfener erklärte, daß dies nichts
Neues fei. Zur Rechtfertigung der von ihm vorgenommenen
Reformen beruft fleh der Kurfürfl ferner dem
Kaifer gegenüber auf fein Gewiffen, das ihn fo zu handeln
zwinge, wie er es tue.

In der Tat fleht die Sache wohl folgendermaßen:
Friedrichs proteftantifche Überzeugung war bei feinem
Regierungsantritt nicht mehr zweifelhaft, und die Reformation
feines Landes von Anfang an befchloffene Sache.
Um aber den Kaifer nicht zu beleidigen und fleh hierdurch
zu fchaden, hält er noch eine Weile an fleh. Als
er dann aber fleht, daß er hintergangen und durch
Zaudern nichts mehr zu gewinnen ift, zögert er nicht die
Reform durchzuführen. Das Alter des Kurfürflen, der
Mangel eines in fleh gefertigten Charakters und die gefahrvollen
Zeiten haben es dann weiter verfchuldet, daß
feine Maßnahmen vielfach etwas Halbes und in fleh
Widerfpruchsvolles an fleh tragen, wodurch er den Pro-
teflanten und dem Kaifer in gleicher Weife verdächtig
wird. Während wir ihn auf der einen Seite warm für
den Erzbifchof Hermann v. Wied eintreten und die Kandidatur
des Kardinals von Augsburg für den Mainzer
Bifchofsftuhl zufammen mit den Proteflanten eifrig bekämpfen
fehen, kann er fleh andererfeits nicht entfchließen,
dem Schmalkaldifchen Bunde beizutreten. Allerdings
mußten ihm die mangelhafte Organifation des Bundes
und die in ihm herrfchenden Zwifligkeiten Mißtrauen in
deffen Leiflungsfähigkeit erwecken. In Wahrheit aber
war es doch wohl nur ein Ausfluß feiner Charakter-
fchwäche, die ihn an einer klaren Parteinahme hinderte
und an die Möglichkeit glauben ließ, daß der Friede
doch noch erhalten werden könne. Als er fleh hierüber
dann keiner Täufchung mehr hingeben konnte, fuchte er
fleh nach beiden Seiten zu decken.

Während er den Schmalkaldenern unter der Hand
eine völlig ungenügende Hilfe zu teil werden ließ, nahm
er dem Kaifer gegenüber die Haltung eines Neutralen
an. Dies charakterlofe Benehmen bewahrte ihn zwar
vor dem Verlud feines Landes, trug ihm aber dafür auch
bei den Proteflanten den Namen eines Ifcharioth ein.
Natürlich mußte er für die Schonung, die Karl ihm zu
teil werden ließ, nunmehr auch ganz deffen Willen fleh
unterwerfen. Es ift eine klägliche Rolle, die der alte
Kurfürfl auf dem Augsburger Reichstag v. 1548 und dann
in feinem eigenen Lande bei der Einführung des Interims
fpielt. Stellte er hierdurch doch wieder alles in Frage,
was er foeben erfl unter dem Beifall feiner Untertanen