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Ausgabe:

1904

Spalte:

377-378

Autor/Hrsg.:

Green, William Henry

Titel/Untertitel:

Die Einheit der Genesis 1904

Rezensent:

Volz, Paul

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung

Herausgegeben von D. Ad. Harnack, Prof. in Berlin, und D. E. Schürer, Prof. in Göttingen.

Jährlich 26 Nrn. Verlag: J. C. HinrichsTche Buchhandlung, Leipzig. Jährlich 18 Mark.

Nr. 13. 25. Juni 1904. 29. Jahrgang.

Green, Die Einheit der Genefis (Volz).
Lagrange, Le livre des Juges (Volz).
Schmalzl, Das Buch Ezechiel (Volz).
Seifenberger, Die Bücher Esdras, Nehemias

und Efther (Volz).
Grimm, Die Ethik Jefu (Joh. Weiß).
Minuci Felicis Octavius ed. Boen ig (Knopf).
Synnerberg, Randbemerkungen zu Minucius

Felix, II (Knopf).

Roth, Augsburgs Reformationsgefchichte, 2. Bd.
1531 —1537, bezw. 1540 (Boffert).

Heuffi, Die Kirchengefchichtsfchreibung Johann
Lorenz von Mosheims (Krüger).

Girgenfohn, Die Religion, ihre pfychifchen
Formen und ihre Zentralidee (Ritfehl).

Schmitt, Georg, Vernunft und Wille in ihrer
Beziehung zum Glaubensakt (Ritfehl).

Gießler, Das Mitleid in der neueren Ethik
(Ritfehl).

Drews, Die Predigt im 19. Jahrhundert (Bafler-
mann).

Eibach, Unfer Volk und die Bibel (Baffer-
mann).

Friedmann, Gefchichte und Struktur der Not-

ftandsverordnungen (Frantz).
Erwiderungen von Walter und Boehmer.

Green, Prof. DD. William Henry, Die Einheit der Genesis.

Aus dem Englifchen überfetzt von Pfr. Dr. phil. Otto
Becher. Vom VerfafferautorifierteÜberfetzung. Gütersloh
1903, C. Bertelsmann. (XXXII, 765 S. gr. 8.)

M. 10.—; geb. M. 12.—

In einer mehr als erfchöpfenden Unterfuchung will
der Verf. zeigen, daß die Gründe, auf die fich die Annahme
verfchiedener Urkunden in der Genefis ftützt,
nicht ftichhaltig find. Die behaupteten Wiederholungen
und Widerfprüche exiftieren nicht, fondern find von den
Kritikern durch falfche Erklärung des Sachverhalts oder
durch ungehörige Identifizierung verfchiedener Ereigniffe
hineingetragen. Der Wechfel in den Gottesnamen, der
in vielen Fällen gar nicht zu den Vorausfetzungen der
Hypothefe nimmt, erklärt fich aus dem verfchiedenen
Inhalt der Wörter für Gott und der Auswahl des Gottesnamens
nach dem jeweilig erforderten Gottesbegriff; für
den Verf. ift Jahwe der Gott der fpeziellen Offenbarung,
Elohim der Gott des Kosmos, und je nach dem Zu-
fammenhang begreift fich die mannigfaltige Anwendung.
Die behauptete Verfchiedenheit von Diktion, Stil und
Auffaffung hat, wo fie überhaupt wirklich ift, ihren Grund
nicht in der Verfchiedenheit der Autoren, fondern in der
Verfchiedenheit der dargeftellten und erzählten Sachen.
Der von der Hypothefe angenommene Redaktor ift eine
unmögliche Perfon, die ohne jeglichen Verftand und Plan
gearbeitet haben müßte. Die Argumente für das fpäte
Datum der Urkunden beruhen auf Verdrehung und Ent-
ftellung der Gefchichte oder auf willkürlichen Behauptungen
und unerwiefenen Vorausfetzungen. Pofitiv betrachtet
erweift fich die Genefis als Einleitung zu dem
Gefetz des Pentateuchs; darum hängt das Urteil über die
Genefis zufammen mit dem Urteil über die pentateuchifche
Gefetzgebung. Es läßt fich nun nichts zwingendes dafür
aufbringen, daß diefelbe das Ergebnis einer jahrhundertelangen
Entwicklung wäre und nicht vielmehr, wie die
Schrift und die jahrtaufendalte Tradition behauptet, das
Produkt Einer Zeit und eines einzigen Geiftes, des Mofe.
Ift aber das Gefetz von Mofe, dann auch die Einleitung
zum Gefetz, die Genefis.

Man muß die Mühe des Verf. refpektieren, mit der

mütiges, fo viel Fleiß an eine verlorene und im Grund
nebenfächlich gewordene Sache verwendet zu fehen.
Allerdings hat Verf. darin Recht, daß die Aufftellungen
der Pentateuchkritiker vielfach kurzerhand als unumftöß-
liche Grundlage angenommen wurden, und daß der von
ihnen gelegte Grund immer wieder gewiffenhaft und felb-
ftändig nachgeprüft werden muß. Aber da das (1903
deutfeh herausgegebene) Buch fchon 1895 gefchrieben
war, konnte Verf. die neuefte Phafe der Genefisforfchung
nicht berückfichtigen. Und das vorliegende dickbändige
Werk ift nur ein weiterer Beweis dafür, daß die Penta-
teuchphilologie mit Recht hinübergeleitet wurde zu der
tieferen Betrachtung, die nicht nach dem Alter und nach
der Eigenart der Pentateuchverfaffer fragt, fondern nach
dem religionsgefchichtlichen Urfprung und Charakter der
einzelnen Stoffe.

Leonberg. P. Volz.

Lagrange, P. Marie-Joseph, Le livre des Juges. (Etudes
bibliques.) Paris 1903, V. Lecoffre. (XLVIII, 338 S.
gr. 8.)

Mit Teilnahme und Intereffe blicken wir gegenwärtig
zu den gelehrten Männern in Frankreich hinüber, die auf
dem Gebiet des A.T. im Kampf für die freie Forfchung
flehen. Zu diefen Männern gehört auch der Verf. des
vorliegenden Kommentars, und es ift bewunderungswürdig,
wie er mit einer weifen Zurückhaltung den freien kriti-
fchen Blick und die Vertrautheit mit der fortgefchrittenen
Wiffenfchaft verbindet. Wenn er fich in der literar-
kritifchen Behandlung des Richterbuches den Ergebniffen
der neueren proteftantifchen Kritiker in vielem nicht an-
fchließt, fo tut er es nicht etwa bloß aus konfervativer
Gebundenheit, fondern aus der wirklichen wiffenfehaft-
lichen Überzeugung, die fich auf reifliches und felb-
ftändiges Nachfinnen gründet. Deswegen ift fein Kommentar
ein wertvoller Beitrag zum Verftändnis des
Richterbuches, und feine eigenartigen Aufftellungen werden
überall Beachtung und in manchen Punkten Beifall
finden.

Das Hauptaugenmerk des Verf. richtet fich auf das
literarkritifche Problem. Der Verf. des Richterbuches
er Kapitel für Kapitel und Abfchnitt für Abfchnitt einer ] fchöpft nach ihm aus zwei Quellen, der Quelle J, welche

langwierigen Prüfung unterzieht und an den wichtigen
Punkten die Gefchichte der kritifchen Anflehten wiedergibt
, um feinen Lefern das eigene Urteil über die Ur-
kundenhypothefe zu ermöglichen; wir wollen auch die
,unbeftechliche Redlichkeit und Wahrhaftigkeit', mit der
er die beiderfeitigen Gründe gegenüberftellt, und die
Fettigkeit feiner Überzeugung von der Infpiration und
der mofaifchen Urheberfchaft des Pentateuchs voll anerkennen
und würdigen, aber es hat doch etwas Weh-

die einzelnen Epifoden der Kriege Jahwes volkstümlich
erzählt, und der Quelle E, welche in der gefchichtlichen
Erzählung zugleich die religiöfe Entwicklung des Volkes
von Jofua bis Samuel zeichnen will. Beide Quellen find
nicht lang nach Davids Zeit gefchrieben, vielleicht berührte
fich die Quelle J mit dem militärifchen Hof Davids
, die Quelle E mit der Schule Samuels; der Einfachheit
halber find fie J und E genannt, obwohl ihre Identität
mit den entfprechenden pentateuchifchen Quellen-

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