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Ausgabe:

1904

Spalte:

15-16

Autor/Hrsg.:

Feine , Paul

Titel/Untertitel:

Der Römerbrief 1904

Rezensent:

Clemen, Carl

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Seite 1

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15

Theologifche Literaturzeitung. 1904. Nr. 1.

Auch daß fie nicht zu feiner Lehre von dem Aufer-
ftehungsleib, der fich von Fleifch und Blut unterfcheidet,
ftimmen würde, weift vielmehr darauf hin, daß wir fie
ihm gar nicht zutrauen dürfen. Vor allem aber kann
fie Jefus felbft, von dem doch der Apoftel, wie F. zeigt,
hier unmittelbar abhängt, unmöglich gehabt haben; denn
wenn auch im damaligen Judentum die Anfchauung verbreitet
gewefen wäre, daß das Opfer eine reale Verbindung
mit der Gottheit herftelle, fo ift es doch aus
den verfchiedenften Gründen undenkbar, daß Jefus durch
ein Kultmahl eine Gemeinfchaft mit fich habe herftellen
wollen. Er wird diefe Feier vielmehr deshalb eingefetzt
haben, um feine Jünger immer wieder daran zu erinnern,
wie fie zum Wohl ihres Leibes Brot effen und Wein
trinken, fo fei er zum Heil ihrer Seele in den Tod gegangen
.

Ift das aber nicht im Sinne der Verföhnungslehre
des Paulus zu verliehen, dann ift natürlich auch feine
Rechtfertigungslehre erft feine Theologie, nicht die
Jefu. Daß auch hier fchon die Sünde als allgemein
verbreitet und das Heil als gegenwärtig erreichbar gilt,
ift ja richtig, beweift aber nichts für die Bedingung,
an die es erft von Paulus geknüpft wird. Er redet daher
auch wenigftens im Zufammenhang mit der Rechtfertigung
in anderm Sinne vom Glauben, als die Urgemeinde; ja
F. hat ganz Recht, wenn er an einer andern Stelle einmal
fagt: ,Der ganze chriftliche Heilsprozeß kann be-
fchrieben werden als eine Reihe von ineinandergreifenden
Wirkungen Gottes, ohne daß von dem menfchlichen Verhalten
die Rede wäre; nicht einmal der Glaube, das Gegenteil
aller verdienftlichen Leiftung, braucht dabei in Rechnung
geftellt zu werden' (S. 162). Um fo auffälliger ift
es, wenn F. anderwärts im Sinne des Paulus den Geift
Chrifti oder die Liebe als Bedingung des Heils bezeichnet
(S. 257. 272), aber das find wohl nur gelegentliche Unge-
nauigkeiten, von denen daher nicht weiter die Rede
fein foll.

Und auch im übrigen möchte ich über dem Wider-
fpruch, der hier naturgemäß vor allem geltend gemacht
werden mußte, das weitgehende Einverftändnis, in dem
ich mich mit E. befinde, nicht überfehen wiffen. Er hat
auf zahlreichen Punkten die Anfchauungen Jefu und des
Paulus und beider Verhältnis richtiger dargeftellt, als es
bisher vielfach gefchehen war, und vor allem die beiden
erftgenannten Fragen zuerft von allen Seiten unterfucht.
Da er von dem ganzen Problem zu Anfang feines Buches
fagt, es könne in der Theologie nicht mehr veralten,
wird er feine eigne Löfung felbft nicht für die endgiltige
halten; gewiß aber hat er den wertvollften Beitrag dazu
geliefert, den wir bisher befitzen.

Bonn. Carl Clemen.

Feine, Prof. D. Paul, Der Römerbrief. Eine exegetifche
Studie. Göttingen 1903, Vandenhoeck & Ruprecht.
(IV, 159 S. gr. 8.) M. 5.—

Der Titel ift etwas allgemein; es handelt fich in
Wahrheit nur um die Lefer und den Zweck des Römerbriefs
. Vorangefchickt ift eine Darftellung und Kritik
der Löfung beider Probleme bei Zahn, Spitta, Pfleiderer,
B. Weiß, Weizfäcker und Jülicher; den Schluß bildet
eine Zurückweifung der Spitta'fchen Zerlegung des Briefs.

Die Lefer denkt F. im allgemeinen als Heiden-
chriften; nur in Kap. 14 und 15 (16 rechnet er nicht zum
Römerbrief), würden auch Judenchriften vorausgefetzt.
Ich weiche bloß in der Erklärung einzelner Stellen von
ihm ab. So kann ich in 1421 nicht vorausgefetzt finden,
daß bei den Schwachen der Weingenuß und noch andre
Dinge verpönt gewefen; die Stelle und der vorhergehende
Vers 17 enthält ebenfo eine Verallgemeinerung wie i.Kor.
8 13 oder 10 31. Ferner handelt es fich m. M. n. Rom. 14 5 f-
bei der Tagewählerei, auf die im folgenden nicht wieder

zurückgekommen wird, nicht um die Bevorzugung mancher
Tage für Gottesdienfte und Agapen, fondern um die
Beobachtung von Fafttagen, an denen auch Starke kein
Fleifch aßen. Endlich lefe ich 41 nach rov jtQOjcaroga
rjficöv: svQtjxsvai und verbinde damit xara aägxa; denn
jenes fcheint mir unentbehrlich zu fein und das Ganze
fo erft in den Zufammenhang zu paffen. Sonft müßte
man wohl auch annehmen, daß Paulus nicht nur fich,
fondern auch feine Lefer als Judenchriften bezeichne.
Aber das widerfpräche, wie F. gegenüber Zahn und Spitta
zeigt, allen andern Stellen.

Zum andern den Zweck des Briefs findet er darin,
die Überhebung der römifchen Chriften gegenüber dem
ungläubigen Israel zurückzuweifen. Ich halte das von
vornherein für unwahrfcheinlich und glaube, dann müßte
der ganze Brief anders ausfehen. Auch den Zweck von
iisff. faffe ich anders und fo, wie es früher gewöhnlich
gefchah, auf; 2 uff., das F. fchon in feiner Schrift über
das gefetzesfreie Evangelium des Paulus nach dem Vorgang
andrer, bei Holtzmann, Neuteftamentl. Theologie II,
245 genannter auf Heidenchriften beziehen wollte, kann
man m. M. n. ganz gut von Heiden verliehen; denn Vers 15
klingt Jer. 3433 kaum an und Vers 16 braucht das Evangelium
des Paulus nicht als Maßftab zu gelten, nach
dem Gott richten wird. Allerdings nimmt der Apoftel
hier und anderwärts auf Bedenken Rückficht, die nicht
nur von judenchriftlicher, fondern auch jüdifcher Seite
gegen ihn vorgebracht worden fein könnten. Aber im
allgemeinen entwickelt er nur vor der Gemeinde der Welt-
hauptftadt fein Evangelium; auch in den Ermahnungen
nimmt er (außer in Kap. 14 f.) lediglich infofern auf ihre
eigentümlichen Verhältniffe Rückficht, als es für fie
befonders darauf ankam, der Obrigkeit keinen Anftoß zu
geben.

F.'s Ablehnung der Spitta'fchen Zweiteilung des Römerbriefs
trifft mit meiner voriges Jahr hier (Sp. 229 ff.) gegebenen
Kritik zufammen. Auch Kap. 16 möchte ich
trotz der bekannten Bedenken dagegen im Römerbrief
belaffen — namentlich deshalb, weil ich mir nur fchwer
erklären kann, wie es fonft in ihn gekommen fein follte.
Im übrigen habe ich mich in meinem demnächft er-
fcheinenden Leben des Apoftels Paulus wieder eingehend
mit der Frage befaßt.

Zu S. 7 notire ich noch, daß die dort von F. ge-
wünfchte Unterfuchung bereits angefleht ift, nämlich von
Dick, Der fchriftftellerifche Plural bei Paulus 1900.

Bonn. Carl Clemen.

Wilpert, Jofeph, Die Malereien der Katakomben Roms. Mit

267 (133 färb.) Tafeln und 54 Abbildungen im Text.
Freiburg i. B. 1903, Herder. (XIX, 596 S. Fol.)

Geb. M. 300.— ; in Halbfchweinsleder M. 330.—

Neben de Roffi's ,Roma Sotterranea' fleht fich diefes
monumentale Werk, die Frucht einer fünfzehnjährigen For-
fchung, und wird für alle Zeiten die grundlegende Arbeit
über die Malereien der römifchen Katakomben bleiben.

Welche Schwierigkeiten derVerfaffer bezwungen, wie
er die halbverlöfchten Gemälde ans Licht und vor den
Aquarelliften und Photographen gebracht, wie er ver-
fchütteteKatakombenmitihrenBildern wieder aufgegraben,
wie viele bisher unbekannte Malereien er entdeckt, wie
er für zuverläffige Reproduktionen, felbft beim Photographen
, Maler und Drucker flehend, geforgt hat, das
deutet die Vorrede in knappem und befcheidenem Berichte
an. Das Ergebnis liegt in dem fchweren Folianten des
Tafelbandes vor — nun find diefe Darftellungen für die
Wiffenfchaft gerettet; denn wie lange werden fie der Zeit
noch Widerftand zu leiden vermögen? Einen großen Teil
werden unfere Nachfahren nur aus Wilpert kennen lernen;
fie werden ihm noch größeren Dank darbringen, als wir
es heute fchon tun.