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Ausgabe:

1904 Nr. 12

Spalte:

358-359

Autor/Hrsg.:

Frantz, Th.

Titel/Untertitel:

Der grosse Kampf zwischen Kaisertum und Papsttum zur Zeit des Hohenstaufen Friedrich II 1904

Rezensent:

Boehmer, Heinrich

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Theologifche Literaturzeitung. 1904. Nr. 12.

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deutfchen Überfetzung) den Text im Anfchluß an die
Constitutiones apostolicae trefflich emendiert (nur muß es

dann ^«J? ffatt ^—?? heißen), und 25, 14 die Satzteile
richtig abgeteilt (nur würde Ref. ffatt ,in den Fluß flößt'
lieber fagen: ,umkommen läßt', eig. ,umbringft'). Auch
fonft bietet der Überfetzer manche gute Conjektur, z. B.
wenn er 14, 12 Uo^ (vgi 3^ 9) lieft = ,tyrannifch'
was er beffer fogleich in den Text aufgenommen hätte
(das griechifche und lateinifche Textwort nlrjxrrjq und

percussor, geht freilich auf Ls=ri = ,Moleftierer' zurück);
doch hat Wellhaufen 95, 19 nach der Parallelftelle 120,
26 mit feiner Conjektur ficher recht. Daß aber jeder
Überfetzer, auch bei aller Sorgfalt, doch gelegentlich in
der Wiedergabe einzelner Wörter fehlgreift, kann die
folgende Lifte zeigen: 2, 29 warVa» = stupravit nicht
mit .verderben', fondern mit ,fchänden' (vgl. S. 306)
wiederzugeben; — 3, 16 war für nicht .Eitelkeit',

fondern .Müßiggang' zu fetzen, wie auch das Folgende:
,daß er fich befchäftigen foll' etc. zeigt; — 4, 3 mußte
es für Uaio-i .Unkeufchheit' (wie 2, 8) oder dergl. heißen
ffatt .Nichtswürdigkeit'. Wir fügen noch einige Stellen
bei, wo weniger der Sinn, als der Ausdruck zu bean-
ftanden ift: 3, 15f. heißt es: ,daß er (ein Ehemann) fich
nicht putzen und den Frauen ein Ärgernis fein foll', was
ganz richtig ift, wenn man ,Ärgernis' nach Mt. 5,
29f. i. S. v. OxävöaZov faßt, wogegen der deutfche Ausdruck
, um unmißverftändlich zu fein, wohl eher lauten
müßte: ,daß er den Frauen nicht Anlaß zur Sünde geben
(freier: die Fr. nicht verführen) foll'; — 3, 30 ftatt: wenn
du aber von ihr (sc. einem fremden Weibe) gezwungen
dich an ihr verfündigft' beffer, weil dem fyrifchen Wortlaute
mehr entfprechend: ,wenn du dich aber nötigen
läßt und mit ihr fündigft' (vgl. auch 4, 17); — 1, 23 ftatt:
.enthaltet euch alles Geizes und aller Bosheit' wohl eher-.
,aller Betrügerei (bezw. .Habfucht') und [fonftigen] Unrechts
-, denn es handelt fich um die Beeinträchtigung
des Nächften aus grober Selbftfucht. Zu wörtlich ift
dem Ref. 4, 35 ,wider das Rechte' ftatt .unpaffend' und
umgekehrt unnötig frei 4, 33 ,Kunftwerk törichter Luft'
ftatt .Werke verächtlicher Kunft. Bei Textabweichungen
oder fonftigen Schwierigkeiten ift in dankenswerter
Weife der ganze Apparatus criticus beigebracht worden,
und zwar hat Fl. in getrennten Abfchnitten textkritifche
Anmerkungen und ein Verzeichnis der (vom Texte
Lagardes) abweichenden Lesarten (= 79+11 Seiten) als
Anhang dem Texte der fyrifchen Didaskalia in der
deutfchen Überfetzung (= 145 SS.) beigefügt. Es folgt
noch ein Zitatenverzeichnis (7 SS.) und vier Abhand-
lungen (23 + 52+364.34 SS.), die bis auf den Anfang der
erften von Achelis verfaßt find. Die erfte handelt vom
Texte der fyrifchen Didaskalia, wovon bereits die Rede
war. Die zweite Abhandlung hat die Überfchrift: .Eine
Chriftengemeinde des 3. Jahrhunderts', und fchildert das
Gemeindeleben, das fich in befonders anfchaulicher und
vielfeitiger Weife in der Didaskalia wiederfpiegelt. Bei
der Schilderung der Rechte und Pflichten des Klerus,
der aus dem Bifchofe, den Presbytern und Diakonen
fowie den .Witwen' und Diakoniffen befteht, tritt befonders
das Witweninftitut hervor,,ein Rudiment aus alten
Zeiten, als die Gemeinde noch keinen monarchifchen
Regenten hatte, fondern der Geift Gottes alles regierte',
das der Verfaffer der Didaskalia darum mit allen Mitteln
einzudämmen fucht. Zu dem Zwecke fetzt er an die
Stelle der Witwe, die u. a. auch die Taufe vollzogen
hatte, einen anderen weiblichen Kleriker, die Diakoniffe,
die darum in der fyrifchen Kirche noch lange damit betraut
war, die mit dem Taufakte verbundene Salbung
am Körper der Frauen zu vollziehen (vgl. G. Diettrich,
Die neftorianifche Taufliturgie S. 97 k und Brooks, The
sixtli book of t/u- select letters of Severus, II. 194). Von
befonderem Intereffe find auch die fozialen Verhältniffe

in der Gemeinde, das Verhältnis der Reichen und der
Armen zu einander, die Agapen, die Verforgung der
durchreifenden Chriften, die Armenpflege und die Für-
forge für die Waifen und die Befoldung des Klerus.
Außerdem werden noch näher gekennzeichnet der Gottes-
dienft, die Taufe, die Bußdisziplin und die Partei der
,Katharer', ferner das kirchliche Schiedsgericht und die
Stellung der Chriften zum öffentlichen Leben, das häusliche
Leben und die Askefe fowie zum Schluffe die Zukunftshoffnung
.

Die dritte Abhandlung mit dem Titel ,Das Neue
Teftament der Didaskalia' ift von fpezieller Bedeutung
für die Kanonsgefchichte. Und in der vierten Abhandlung
über ,die Herkunft der fyrifchen Didaskalia' ftellt
Achelis Ermittelungen an über die Zeit und die Gegend,
in welchen fie entftanden ift. Scheinbar ift diefe Unter-
fuchung darum befonders fchwierig, weil fich der pfeudo-
nyme Verfaffer ein apoftolifches Gewand überwirft, infofern
er die Rolle durchführt, als wäre feine Schrift ein
Erlaß der zwölf Apoftel, verfaßt auf dem Apoftelkonzil
in Jerufalem, mit der ausgefprochenen Abficht publiziert,
die Härefien in der Kirche niederzufchlagen. Aber gerade
dadurch, daß diefe Härefien, die die Didaskalia fo
energifch bekämpft, in fehr bezeichnender Weife gekennzeichnet
werden, ergeben fich fo viele Anhaltspunkte,
daß man über die Herkunft der Schrift kaum in Zweifel
fein kann. Vor allem liegt dem Verfaffer der Kampf
gegen das Judenchriftentum am Herzen, und dies führt
uns in die Nähe einer propagandakräftigen, judenchrift-
lichen Umgebung, gegen deren Einflüffe er feine heiden-
chriftliche Gemeinde bewahren wollte. Eine folche kompakte
Menge judenchriftlicher Gemeinden läßt fich aber
im 3. Jahrhundert nur noch im Nordoften Paläftinas nachweifen
, weshalb A. wohl mit Recht Cölefyrien als die
Heimat der Didaskalia bezeichnet. Hinfichtlich der weit
fchwierigern Beftimmung über die Zeit der Abfaffung ent-
fcheidet fich A. für das dritte Jahrhundert und näher für
die Zeit vor Diocletian, da die Kirche damals gerade
Ruhe hatte vor Verfolgungen. Und aus der geiftigen
Phyfiognomie, die man trotz der Pfeudonymität aus der
Schrift herauslefen kann, fchließt A. weiter, daß der
Verfaffer ein katholifcher Bifchof, aber kein Theologe von
höherer Bildung, wenngleich von einer höchft refpek-
tablen Bibelkenntnis war, der vielleicht neben feinem
bifchöflichen Berufe eine Praxis als Arzt betrieben hat.

Zürich. V. Ryffel.

Frantz, Dr. Th., Der grosse Kampf zwischen Kaisertum und
Papsttum zur Zeit des Hohenstaufen Friedrich II. Berlin
1903, C. A. Schwetfchke & Sohn. (VIII, 205 S. gr. 8.)

M. 2.80

,Gegründet von Karl d. Gr. und wiederhergeftellt von
Otto d. Gr. zum Schutze der chriftlichen Kirche des
Weftens, follte dasKaifertum zunächft auf gleichem Boden
flehen mit dem Papfttum'. Diefer erfte Satz des Buches
charakterifiert das ganze Buch. Das Kaifertum ift nicht
von Karl d. Gr. gegründet, es ift nicht von Otto d. Gr.
zum Schutze der Kirche wiederhergeftellt worden, es follte
zunächft gerade nicht auf dem gleichen Boden flehen mit
dem Papfttum, wenn dies, wie ich annehme, bedeuten foll,
es follte eine dem Papfttum ebenbürtige Macht darfteilen.
Denn Karl d. Gr. fühlte fich und handelte durchaus als der
Vorgefetzte des Papftes.

In diefem Stile könnte ich den größten Teil des
Buches widerlegen, wenn dies nicht hieße das Buch noch
einmal machen. Ich führe nur einige bezeichnende dicta
zur Rechtfertigung eines fo harten Urteils an. S. 1: ,Das
Papfttum hat durch die Salbung Pippins — und das war
die erfte Veranlaffung, den Päpften und Bifchöfen weltliche
Macht im Frankenreiche zu verfchaffen — die Franken
| in kirchliche Bahnen getrieben, fie förmlich an fich her-