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Ausgabe:

1904 Nr. 12

Spalte:

355-356

Titel/Untertitel:

Die Chronologie der altchristlichen Litteratur bis Eusebius 1904

Rezensent:

Harnack, Adolf

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355

Theologifche Literaturzeitung. 1904. Nr. 12.

356

Harnack, Adolf, Die Chronologie der altchristlichen Litte-
ratur bis Eusebius. Zweiter Band. Die Chronologie
der Litteratur von Irenaeus bis Eufebius. (Gefchichte
der altchriftlichen Litteratur bis Eufebius. Zweiter
Theil, zweiter Band.) Leipzig 1904, J. C. Hinrichs'fche
Buchhandlung. (XII, 564 S. gr. 8.)

M. 14.40; geb. M. 17.40

Ich habe bei der Ausarbeitung diefes 2. Bandes der
Chronologie diefelben Grundfätze befolgt, die mich bei
der Bearbeitung des 1. Bandes geleitet haben: fämtliche
die Echtheit und die Zeit betreffenden Fragen mit Heranziehung
der gefamten, mir zugänglichen Literatur zu
behandeln, alle übrigen Probleme aber dem dritten Teile
des Werkes zu überlaffen, der die Charakteriflik und den
inneren Entwicklungsgang der Literatur behandeln foll.
Wo das Material reichlicher fließt, wie bei Origenes,
Eufebius, Hippolyt, Tertullian, Cyprian und Novatian,
ift die Grenze zwifchen den rein chronologifchen Fragen
und den verwandten, welche fleh auf die näheren Um-
flände der Abfaflung beziehen, nicht leicht zu finden.
Ich bin in folchen Fällen fo zurückhaltend wie möglich
gewefen, um dem 3. Teile nichts von dem zu nehmen,
was ihm gebührt. Infolge davon werden vielleicht
Manchem eben die Hauptabfchnitte des Buchs knapper,
trockener und dürftiger erfcheinen als fie erwartet haben.
Ich hoffe, fie auf die Zukunft vertröften zu dürfen; auch
diefe und jene chronologifche Frage wird durch pünktliche
Erwägung der fchriftftellerifchen Umftände genauer
beftimmt und geficherter gelöft werden können.

Auf die Dispofition des Stoffs, wie ich fie gegeben
habe, lege ich kein Gewicht. In den Hauptpunkten ergab
fie fich von felbft; im Einzelnen kann erft der dritte
Teil das Richtige bringen. Vor Behandlung der Fragen
der inneren Literaturgefchichte wäre jede organifche
Anordnung eine Erfchleichung gewefen.

Der Band wird zeigen oder vielmehr daran erinnern,
wie groß das Material ift, welches wir für die Gefchichte
des Chriftentums im 3. Jahrhundert befitzen. Schon in
Bezug auf diefes Jahrhundert find wir — von den In-
fchriften abgefehen — den Profanhiftorikern gegenüber
im Vorteil; wohl können fie unferm Clemens und Origenes
gegenüber ihren Plotin und Porphyrius fetzen, aber
weder dem Eufebius noch dem Tertullian und Cyprian
vermögen fie Jemanden an die Seite zu ftellen. Indeffen
unfer Clemens, Origenes, Eufebius,Tertullian und Cyprian
find auch ihr Eigentum. Daß fich das Bewußtfein um
diefen Befitz dort immer mehr einftellt, ift uns eine
Freude und verfpricht uns viel Gutes.

Wer den vorftehenden Band durchmuftert, wird er-
ftaunen, eine wie befcheidene Rolle die Fragen über
Echtheit fpielen und in wie hohem Maße auch in chrono-
logifcher Hinficht das Meiffe gefichert ift. Nimmt er den
vor wenigen Monaten erfchienenen zweiten Band der
altchriftlichen Literaturgefchichte von Barde nhe wer
hinzu, fo wird die Überzeugung, daß die urkundlichen
Grundlagen der Gefchichte der Kirche im 3. Jahrhundert
feft find, noch fteigen. Lücken gibt es freilich genug,
Aufgaben und Rätfei fehr viel mehr als jene Literaturgefchichte
ahnen läßt; aber was wir befitzen, bietet nicht
eine fumpfige oder fchwankende Grundlage, fondern ift
ficherer Boden. Die Echtheits- und die chronologifchen
Fragen, die zwifchen Bardenhewer und mir in Bezug
auf das 3. Jahrhundert kontrovers find, find nicht
zahlreich.

Ich ergreife die Gelegenheit um ein paar Berichtigungen
zu geben, die ich z. T. brieflichen Mitteilungen
verdanke. S. 5 Z. 5 v. u. ift Mayor, S. 434 Z. 7 v. u.
Brewer zu lefen. S. 89 hätte ich fagen follen, daß die
Angabe des Suidas, Julius Afrikanus fei ein Libyer gewefen
, gegen die Angabe, er flamme aus Emmaus (de
Boor, Texte u. Unterf. V, 2 S. 168), nicht wohl aufkommen
kann. Infolge des jüngft entdeckten Bruchftücks
aus den Keoxol läßt fich jetzt über Afrikanus Einiges
mehr fagen. Zu S. 9 Z. 3 hat Stählin mit Recht
darauf aufmerkfam gemacht, daß der überlieferte Text
Paedag. I, 6, 37 fchwerlich in Ordnung ift; wird er berichtigt
, fo fchwindet das Selbftzeugnis des Clemens dafür
, daß er z. Z. der Abfaffung des Buchs Presbyter war.
Zu S. 12 not. 2 erinnert Stählin an feine Darlegung
in den Texten u. Unterf. Bd. 20 H. 4 S. 8; fie hatten
die Hoffnungen, die man auf den Cod. Paris. Suppl. Gr.
1000 fetzen konnte, bereits zerftört. Derfelbe befreundete
Gelehrte hat mich endlich zu S. 541 darauf aufmerkfam
gemacht, daß Paedag. II, 10, 93 die fysxtaa oiöXiq nicht
wohl anders als ideal verftanden, alfo nicht auf eine ir-
difche Stadt (Alexandria) gedeutet werden kann. Souter
(Oxford) bemerkt zu S. 428 not. 2, daß das Anccdoton
Mercati aller Wahrfcheinlichkeit nach dem Ambrofiafter
gebühre, dem es auch fprachlich verwandter fei als dem
unbeholfenerem Victorin. Endlich hat es E. Schwartz
(Über den Tod der Söhne Zebedaei. Abh. d. Gött. Gefell,
d. Wiff. N. F. VII, 5, 1904 S. 5 not. i, zu S. 676". 105)
plaufibel gemacht, daß Pierius keinen löyoq tlq xbv ßiov
x. u. PtaficptXov verfaßt hat, fondern daß an der betreffenden
Stelle lediglich die bekannte Schrift des Eufebius
hervortritt, fobald man eine leichte Textänderung vornimmt
.

Berlin. A. Harnack.

Achelis, Hans, und Johs. Flemming. Die syrische Didas-
kalia übersetzt und erklärt. (Die älteften Quellen des
orientalifchen Kirchenrechts. Zweites Buch.) (Texte
und Unterfuchungen zur Gefchichte der altchriftlichen
Literatur. Herausgegeben von Oscar von Gebhardt
und Adolf Harnack. Neue Folge. Zehnter Band,
Heft II.) Leipzig 1904, J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung
. (VIII, 388 S. gr. 8.) M. 12.50

Seit 1854 war der Text der fyrifchen Didaskalia in
der guten Ausgabe Lagardes veröffentlicht, ohne daß
das von jeher in feiner Bedeutung gewürdigte Werk
während der langen Zeit, die feitdem verfloffen ift, einen
Überfetzer gefunden hätte. Doch hat dies das Gute gehabt
, daß für die deutfehe Überfetzung, die nun endlich
zu ftande gekommen ift, eine Reihe von Hilfsmitteln verwertet
werden konnte, die in der Zwifchenzeit, genauer
allerdings erft feit wenigen Jahren, unferer Kenntnis des
Textes der fyrifchen Didaskalia zu gute gekommen find.
So fand E. Hauler 1896 in einem Palimpfefte die .1900
von ihm herausgegebenen Kefte einer lateinifchen Überfetzung
, wodurch fich zugleich die erftaunliche Tatfache
ergab, daß die Didaskalia auch in Oberitalien Eingang
gefunden und dort als apoftolifche Schrift und kirchliches
Recht gegolten hatte; und zu dem Codex Sanger-
manetisis Lagardes kamen nicht weniger als drei neue
fyrifche Handfchriften hinzu. Alle diefe Hilfsmittel zur
Eruierung der urfprünglichen Textgeftalt wurden famt
der griechifchen Überarbeitung der Didaskalia in den Con-
stitutiones Apostolicae für die deutfehe Überfetzung forg-
fältig verwertet. Da die fyrifche Überfetzung des griechifchen
Urtextes, den fie treu und gewiffenhaft, aber doch zugleich
glatt und fließend wiedergibt, keine befonderen
Schwierigkeiten bietet, fo ift auch die deutfehe Überfetzung
nicht bloß gut lesbar, fondern auch forgfältig und zu-
verläffig ausgefallen. Nicht zum minderten wohl durch
die gewiffenhafte Vergleichung der oben angeführten
parallelen Textvorlagen ift es dem Überfetzer in der Tat
gelungen, über die franzöfifche Überfetzung von Nau
und die englifche der Mrs. Gibfon hinauszukommen, wie
fchon eine Vergleichung der S. 257 aufgeführten Stellen
zeigt, da Flemming hier überall gegenüber feinen Vorgängern
im Rechte ift. So hat er S. 26, Z. 27 (der