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Ausgabe:

1904 Nr. 1

Spalte:

5-8

Autor/Hrsg.:

Meinhold, Johannes

Titel/Untertitel:

Studien zur israelitischen Religionsgeschichte. Band I: Der heilige Rest. Teil I 1904

Rezensent:

Giesebrecht, Friedrich

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Theologifche Literaturzeitung. 1904. Nr. 1.

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allgemeineren Frage zulammen, ob diefe Mythen und
Ideen von Haus aus populäre oder priefterlich wiffenfchaft-
liche Gebilde waren; das Volk jedenfalls wird von den
irdifchen Anfchauungen und Erlebniffen ausgehen und
wird fich um Werden und Vergehen der Gertime nicht
fo fehr gekümmert haben. Und es wäre der umgekehrte
Vorgang denkbar, dafs urfprünglich populäre Mythen und
Ideen nachträglich von der priefterlichen Gelehrfamkeit
und Sternweisheit mit fiderifchen Erfcheinungen in Verbindung
gebracht wurden. So bleibt gerade bezüglich
der Urgründe manche Frage, und fo wohltuend im
ganzen die vornehme Zurückhaltung berührt, mit der der
Verf. fich bemüht, nur das Zuverläffige zu geben und
den Lefer auf die Höhe des Erreichten zu ftellen, fo
fühlt man fich doch manchmal nicht im Stande, dem
weiten Ausblick, den der Verf. von der erreichten Höhe
aus tut, zu folgen, fei es nun, daß die Phantafie den
babylonifchen Forfcher Unwirkliches fehen läßt, fei es
daß dem Geführten die gleiche Sehkraft und Übung
des Auges abgeht. Wenn der Vf. z. B. nach der Wiedergabe
des Gilgamefch-Epos fchreibt: ,Es fcheint fich immer
mehr herauszuflellen, daß die Darftellung der älteren
israelitifchen Gefchichte und andererfeits auch die fpät-
jüdifchen hiftorifchen Romane von der Gattung des Efth-
er- und Judithbuches, ja fogar auch die Evangelien in
ihrer Darfteilung des Lebens Jefu in ausgedehntem Maße
Züge aufweifen, die in dem babylonifchen Gilgamefch-
Epos ihre entfprechenden Parallelen haben . . .', fo wird
mancher Lefer fich zunächft einfach damit befcheiden
müffen, hier noch nicht mitgehen zu können und weiteres
ruhig abwarten zu wollen. Uebrigens ift auch Z. felbft
nüchtern genug, zuzugeben, daß die Berührungen zwifchen
den biblifchen Ideen und dem babylonifchen Stoff eigentlich
nur Peripherifches betreffen, daß der babylonifche
Stoff in der Hand der biblifchen Schriftfteller bezw. der
Religiöfen Israels etwas total Neues geworden ift und daß
die biblifche Idee der babylonifchen Urheimat oft nur
eine Anregung bezüglich der Form, der dichterifchen
Einkleidung verdankt. Etwas anderes ift es mit der babylonifchen
Weltanfchauung und mit der darauf gegründeten
babylonifchen Gefchichtsdarftellung überhaupt; diefe mag
auf die biblifche Gefchichtsdarftellung im ganzen, fowie
auf die Gedanken über die Entftehung der jetzigen und
der neuen Welt von weittragendem Einfluß gewefen fein.

Trotz all des Subjektiven, das auch bei Zimmern
zwifchen die Zeilen der Keilinfchriften eingefügt ift, bleibt
der Vorzug feiner Gabe doch eben das, daß bei ihm das
Subjektive und das Objektive wirklich unterfcheidbar ift.
Er gibt dem Lefer den Situationsplan in die Hand, auf
dem er die ausgegrabenen babylonifchen Berichte und
Ideen mit feften und ficheren Strichen anzeigt, zugleich
aber deutet er mit feinen Punkten an, welchen Gang die
weitere Arbeit nehmen möge.

Leonberg. P. Volz.

Meinhold, Prof. D. Johannes, Studien zur israelitischen
Religionsgeschichte. Band 1: Der heilige Reft. Teil i:
Elias, Arnos, Hofea, Jefaja. Bonn 1903, A. Marcus
und E. Webers Verlag. (VIII, 160 S. gr. 8.) M. 3.20

Der Ertrag diefer Unterfuchungen läßt fich in folgende
kurze Sätze zufammenfaffen: Elias war kein
Monotheift, die Zeit der von ihm handelnden Quelle der
Königsbb. und ihr Charakter laffen keine ficheren Schlüffe
auf die Theologie des Elias zu. Eins ergibt fich jedoch
mit Beftimmtheit, daß er lediglich für die Herrfchaft
Jahves in Israel gegenüber dem Baal alfo für Monolatrie
gekämpft hat.

Arnos hat lediglich den Untergang Nordisraels
vorhergehet, in Bezug auf J uda hingegen läßt fich mit
Sicherheit feftftellen, daß er diefes Reich in den Untergang
Israels nicht verwickelt gedacht hat. Juda ift alfo

I der Reft Ganzisraels, welches bei der Kataftrophe des
• nördlichen Reiches übrig bleiben foll.

Hofea zeigt ein doppeltes Zukunftsbild. Einmal
fpricht er von der Zerftörung Israels, die eine vollkommene
; fein foll, Juda wird zwar nicht erwähnt, fcheint aber mit
[ einbegriffen zu fein. Hier find die Affyrer nicht die
i Gerichtsvollftrecker, fondern umgekehrt die Freunde des
Volks, die ihm aber nicht helfen können.

Das zweite Zukunftsbild fpricht von einer Exilierung
des Volkes, wahrfcheinlich nach Affyrien. Danach foll
es fich bekehren und aus dem Exil wieder als Ganzes
zurückgeführt werden. Auch hier fcheint Juda einge-
fchloffen in die Strafe und die Begnadigung.

Jefaja hat vier Stufen durchlaufen. Die erfte beginnt
im Todesjahr Uffias, etwa 743/2 und erftreckt fich
ungefähr bis 738. Hier fieht Jefaia keine Möglichkeit
der Rettung, ift vielmehr überzeugt, das Volk durch
Verftockung der Vernichtung entgegenführen zu follen.
Das Gericht vollzieht fich durch ,Naturplagen'. Die
2. Periode von 738—735 reichend proklamiert Juda als
Reft des Gottesvolkes. Die 3. Periode, nach 735 beginnend
, hofft auf die Erhaltung eines Reftes aus Juda
(die Armen, der Eckftein), eine Zerftörung Jerufalems
ift von ihm in der Zeit von 734—701 nicht vorhergefagt.
Die 4. Periode zieht in der Zeit Sanheribs die Konfe-
quenzen: das Weltreich foll bei Jerufalem vernichtet
werden, die Stadt triumphieren und zu ungeahntem Glanz
und reichem Segen geführt werden. Endlich — auf
Grund von Jef. 22 — wird eine Wiederaufnahme der Gerichtspredigt
am Schluß der Wirkfamkeit des Jefaja
konftatiert.

Viel Neues konnte über den Stoff nicht gefagt
werden. Daß die Nachrichten über Elias abfolut authen-
tifch find, hat kein Verftändiger angenommen. So ver-
dienftlich die Quellenunterfuchungen Meinholds in Bezug
auf diefen Propheten find, fo machen fie doch, offenge-
ftanden, etwas den Eindruck unnöthiger Umftändlichkeit.
Und fchließlich — bleibt es doch die Frage, ob Meinhold
durch alle diefe Einzelbemerkungen die Gewichtigkeit
der Eliasgeftalt im Ganzen, wie fie in der Quelle deutlich
hervortritt, hat erfchuttern können. Ich gebe zu, daß
das mehr ein Gefühlsurteil ift, aber wir können fchließlich
auf Grund von ,Eindrücken', wie Wellhaufen hier
fagt, doch ein richtiges Urteil abgeben. —

Ganz ähnlich muß ich über die 2. Abhandlung
urteilen. Meinhold ift, trotz aller logifchen Operationen
im einzelnen, doch nicht im Stande, einen Arnos im
Ganzen vor uns hinzuftellen, der dem durch feine Schrift
erweckten Bild entfpräche. Es mag ja richtig fein, daß
wir die wenigen einzelnen Andeutungen, die auf das
Gericht über Juda weifen (wie fie fchon lange vor Meinhold
geftrichen waren,) ftreichen müffen, es ift möglicherweife
zuzugeben, daß die Worte in 3, 2 ,über das ganze
Gefchlecht, das ich aus Ägyptenland geführt habe' fpäter
hinzugefügt find, man mag nach Wellhaufen außer dem
Spruch über Tyrus noch den über Edom ftreichen (m.
E. bedenklich aus mancherlei Gründen), wird dadurch
der Eindruck des Ganzen ein anderer? Nötigt er, in
Juda den heiligen Reft zu fehen, der im Gericht übrig
bleibt? Die Streichung des Spruches über die Philifter
(Meinhold) ift ganz willkürlich. Man muß dem Interpo-
lator des Tyrusfpruches billigerweife eine kleine Grundlage
laffen, und die Philifter waren doch damals eine
recht beachtenswerte Macht. — Ift ferner der Schluß
zwingend: wenn Arnos den Gerichtsruf Jahves von Zion
her erfchallen laffe, fo habe er Jerufalem vom Gericht
ausgenommen? Jahve erfcheint ja dem Arnos in Bethel
mit der Gerichtsverkündigung, ja mit dem Gerichtsbefehl,
der auch das dortige Heiligtum zerfchmettern foll. Ob
der Nahal haarabä wohl = n. haarabim = Wadi el Alisa
ift? Die Grenzbeftimmung wäre fatal genau, da Amnion
und Moab doch in Kap. 1 und 2 jedes feinen befondt ren
Spruch neben Israel bekommen. Die Korrektur Well-

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