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Ausgabe: | 1904 |
Spalte: | 209 |
Autor/Hrsg.: | Caselli, Ioannis |
Titel/Untertitel: | Carmina sacra puerilia selecta 1904 |
Rezensent: | Cohrs, Ferdinand |
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Theologifche Literaturzeitung. 1904. Nr. 7.
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Caselii, Ioannis, Carmina Sacra puerilia selecta. A.D. 1549
et 1550. Jugendgedichte des Humaniften Johannes
Cafelius. In Auswahl und mit einer Einleitung herausgegeben
von Friedrich Koldewey. Braunfchweig
1902, J. H. Meyer. (XLVI, 48 S. 8.) M. 2.—
Der weitbekannte braunfchweigifche Schulmann, dem
wir fchon mehrere Beiträge zur Kenntnis des großen Helm-
fledter Humaniften Cafelius verdanken — zuletzt die
Lebensgefchichte feines Vaters Matthias Bracht von Keffel
in der Zeitfchrift der Gefellfch. für niederfächf. Kirchen-
gefch. VI (1901) S. 1—75 —, und der dem Vernehmen
nach demnächft uns mit einem eingehenderen Werke über
Cafelius in den Monutnenta Germaniae Paedagogica erfreuen
wird, bietet uns hier ein ganz eigenes Stück zur
Kenntnis feines Helden dar — etwas, das von den großen
Männern früherer Zeiten nur feiten erhalten ift —, Produktionen
aus der Jugendzeit, die einen Blick in die Entwicklung
des werdenden Geiftesheroen tun laffen, in diefem
Falle, der humaniftifchen Ausbildung entfprechend, la-
teinifche und vereinzelte griechifche Jugendgedichte in den
verfchiedenften Metren.
Ein früh gereifter Jüngling tritt uns aus ihnen entgegen
, der an den religionspolitifchen Ereigniffen der Zeit
lebhafteften Anteil nimmt, der feinem Abfcheu über das
Interim wiederholt in Verfen Luft macht, aber auch die
Uneinigkeit unter den Evangelifchen mit Paraphrafen über
das Salluftifche Wort beklagt: Coticordia parvae res cres-
cunt, discordia magnae (fo!) dilabuntitr. Jene Zeitereig-
niffe greifen ja freilich hart genug in fein junges Leben
ein. Namentlich die Verjagung der Interimsgegner aus
Göttingen hätte ihn bald um die Fortfetzung feiner Studien
gebracht, wenn nicht Mörlin — fo vermutet wenigftens
Koldewey und foiftes fehr wahrfcheinlich — ihm ferneren
Aufenthalt auf der Schule inNorthaufen ermöglicht.hätte.
Aber neben den öffentlichen fpiegeln auch feine per- |
fönlichen Erlebniffe in Cafelius' Jugendgedichten fich wieder
, fo fehr, daß fein Lebensgang in den Jahren, aus
denen die Gedichte flammen (1549—50), bis zu einem
gewiffen Grade fich aus ihnen konftruieren bezw. kontrollieren
läßt (vgl. z. B. S. IX Anm. 2). Alle diefe per-
fönlichen Gedichte atmen eine warme Religiofität, was fich
befonders da zeigt, als der zunächft fo freudig begrüßte
Aufenthalt in Northaufen durch eine fchleichende Krankheit
empfindlich geftört und vorzeitig beendet wird. Uberhaupt
fpielen religiöfe Stoffe in den Gedichten die Hauptrolle
— Paraphrafen des Vaterunfers find mehrere darunter
—, ja ohne jegliche religiöfe P"ärbung find nur ganz
wenige Carmina.
Im allgemeinen hat unfere Zeit an folchen lateinifchen
Verfifikationen keinen Gefchmack mehr, aber ich meine,
diefe dürfen um ihres oben gekennzeichneten eigenen Reizes
willen auch in weiteren Kreifen auf Intereffe rechnen.
Daß die Ausgabe forgfältig beforgt, die Anordnung
überfichtlich und die Einleitung äußerft inftruktiv ift, ver-
fteht fich bei Koldewey von felbft. S. XLII (oben) muß
es wohl heißen: ,Beigefügt ift auf Bl. 4a bis 5b in la-
teinifcher Cberfetzung das Lied: Chrift lag in Todesbanden
', denn die folgenden Reihen bezeichnen lediglich
fpätere Versanfänge desfelben Liedes (vgl. z. B. Wackernage
), Das deutfche Kirchenlied von Martin Luther bis
auf Nik. Herman, Stuttgart 1841, S. 137)
Zum Schluß bitte ich wegen der verfpäteten Anzeige
fehr um Entfchuldigung. Sie hängt zufammen mit meinem
gerade zur Zeit des Erfcheinens des Büchleins erfolgten
Amts- und Wohnortswechfel.
Erichsburgb.Markoldendorf(Hann.).FerdinandCohrs.
Horning, Pfr. W., Handbuch der Geschichte der evang.-luth.
Kirche in Strassburg im XVII. Jahrh. (Compendium
historiae Ecclesiae evang. lutheranae Argentorati.
Saecula XVI. XVII. XVIII. (Straßburg 1903, J. H.
E. Heitz. (VIII, 179 S. gr. 8.) M. 4.—
Diefe Veröffentlichung dürfte auf den Buchtitel, den
fie führt, kaum einen gerechten Anfpruch haben. Ent-
ftanden aus der Mühewaltung des ,Pfarrers an einer
volkreichen Stadtgemeinde, der, da er in nächfterNähe der
Bibliotheken und Archive lebt fich ein wenig nach der
Gefchichte der Kirche feiner Vaterftadt' umgefehen, teilt
hier ,nicht für Gelehrte, aber für folche, die außer ihnen
ein Intereffe an der Gefchichte der Kirche ihrer Vaterftadt
haben', ,feine Notizen und Exzerpte' mit. Er will
damit die Werke der Hauptforfcher auf diefem Gebiete
Röhrich, Ernft, Adam, Rud. Reuß ,mit etlichen neuen
Forfchungen ergänzen', teilweife .korrigieren'. Dem
fchuldigen Dank gegen diefe, die auch gefchmackvolle
Schriftsteller find, entfpricht es nicht völlig, wenn er von
feiner bloßen Notizenfammlung, die nur hie und da ge-
fpickt ift mit Urteilen, die aus gelehrten Werken entlehnt
find, die Wirkung erhofft, ,frei von allem unnützen
Wortkram und Phrafenballaft, allem pomphaften Aufziehen
der Figuren und Ereigniffe kann fich das Bild des
Jahrhunderts leichter und überfichtlicher aus der Maffe
der hiftorifchen Nachrichten abheben und fich intenfiver
dem Geht und Gedächtnis einprägen' (?)
Natürlich enthält eine folche Zufammenftellung von
biographifchen und bibliographifchen Daten über die
Straßburger Theologen uud Kirchenmänner, die kirchlichen
Schulen und Bücher, die theologifchen konfeffio-
nellen und kirchenpolitifchen Kämpfe in dem Jahrhundert,
wo Straßburg franzöfifch gemacht ward und insgeheim
auch wieder katholifch gemacht werden follte, vieles, was
für den Lokalgefchichtsforfcher und den Kulturhiftoriker
I intereffant ift. Aber diefen ift die Arbeit nicht erleichtert
, da für die der Nachprüfung bedürftigen Angaben
die Fundorte fehlen. Hätte fich der Verfaffer ein
wirkliches Verdienft um die Heimatsgefchichte erwerben
wollen, fo hätte er feine Sammelfrüchte in der Form
fortlaufender Regeften der Straßburger Kirche
im I7.jahrhundert geben follen. Andernfalls warder
geeignete Ort für die Ablagerung von folchem Baumaterial
für künftige Schriftftellerei eine lokalgefchichtliche Zeitfchrift
. Durch die ein intranfigentes Luthertum verratende
Gefinnung des Verfaffers dürften nicht viele fich ent-
fchädigt fehen für den Mangel alles deffen, was zu einem
lesbaren Buch gehört, vor allem der geiftigen Durchdringung
des Stoffes.
Bonn. K. Seil.
Rade, D. Martin, Die Leitsätze der ersten und der zweiten
Auflage von Schleiermachers Glaubenslehre nebeneinandergestellt
. (Sammlungausgewählter kirchen- unddogmen-
gefchichtlicher Quellenfchriften als Grundlage für
Seminarübungen herausgegeben unter Leitung von
G. Krüger. Zweite Reihe. Fünftes Heft.) Tübingen
1904, J. C. B. Mohr. (70 S. gr. 8.) M. 1.20
Die nützliche Zufammenftellung ift wohl hauptfächlich
für feminariftifche Übungen beftimmt und wird dafür
guten Dienft leiften können. Ihr Hauptwert wird
darin beliehen, an die erfte Auflage der Glaubenslehre
zu erinnern, nicht nur um fie als Kommentar zur zweiten
zu verwenden, fondern vor allem um das allmähliche
Reifen und Wachfen des Schleiermacherfchen Lehrgebäudes
kräftig anfchaulich zu machen und damit zugleich
die Notwendigkeit, dasfelbe nicht ifoliert und
allein aus fich, fondern als Entwicklungsergebnis zu verliehen
. Diefe Wirkung würde erhöht werden, wenn noch,
etwa in Anmerkungen, knappe und markante