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Ausgabe:

1904

Spalte:

202-203

Autor/Hrsg.:

Trautzsch, Friedrich

Titel/Untertitel:

Die mündliche Verkündigung des Apostels Paulus 1904

Rezensent:

Hollmann, Georg

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20I

202

unfere Aufmerkfamkeit; fie fleht in dem Mailänder aftro-
loAfchen Kodex E37 sup. und ift mitgeteilt von W. Kroll
in&der Berliner Philol. Wochenfchrift XXII (1902) 106:
(Zum Zwecke der Erlangung des Wohlgefallens eines
Menfchen) iv oiga (Lücke?) JSEXrjvnc, ovOngiv Aiovxi t)
iv AiybxEQcp olxovounoai uiav slxbva usxa xrjQov [aus
Wachs) ,«// tyovxoz uiXi iv xcp bvb/iaxi ovxivog evöo-
xiav XQn^sig xal ygdxpov iv avxy xo ovoua oov xal xb
bvoua x7tg urjTQog ixtivov xs xal oov xal xct ovouaxa xcbv
dyyiXcov 'AcpQoöixvg xal Aibg xal xct. onuEla ayxätv xal
ßäoxaCs xijv eixöva (isxa. Oov. Hier ift iv xcp ovbuaxi
m. E. ganz ähnlich fo gebraucht, wie elg ovoua in der
auch von Heitmüller S. 107 benutzten Zauberformel eines
Cod. Laurentianus, nur daß die Bedeutung wohl noch klarer
ift: das Wachsbild der umworbenen Perfönlichkeit wird
angefertigt unter fortwährender Nennung ihres Namens.
Das Bild wird kräftiger, wenn bei feiner Entftehung der
Nanu mitwirkt, das ift wohl die Vorausfetzung des Zaubers
. Die Stelle fpricht ftark für Heitmüllers Deutung
der Formel.

Auch der Beleg, den ich hier zur Formel ist ovbuaxi
gebe, paßt gut für Heitmüllers Theorie. Eine Infchrift
aus Theffalonike vom Jahre 145 nach Chriftus, Berliner
Philol. Wochenfchrift XXII (1902) 957, verkündet, daß
eine vornehme Frau eine Geldfumme ist ovbuaxi xrjg
d-vyaxgbg lg^ yegovoiav gegeben habe. Darin liegt, daß
die Schenkung irgend eine Beziehung auf die Tochter der
Geberin hatte: die Tochter wurde bei der Schenkung ausdrücklich
mit Namen genannt. Man vergleiche damit die
analogen Fälle bei Heitmüller S. 50h

es vermutlich von allen denen ausgefetzt werden, für die
der Exeget bloß der Advokat des prozeffierenden Dog-
matikers ift. Den katholifchen Dogmatikern wird das
Ergebnis übrigens weit weniger unbequem fein, als den
proteftantifchen Orthodoxen. Die immer wichtiger werdende
Diskuffion über das Wefen des Sakraments wird
durch Pleitmüllers Buch zweifellos die ftärkften Anregungen
und, wie ich ebenfalls glaube, Förderungen erhalten.

Dabei geftehe ich offen, daß ich eine Gefahr für die
praktifch-chriftliche Frömmigkeit der Gegenwart, foweit
fie ihre Lebenskraft aus dem Urchriftentum erhält, in
jenem Ergebnis nicht erblicken kann. Wir flehen dem
antiken Chriften mit feiner Ehrfurcht vor dem Jefus-Namen
und mit feinem Vertrauen auf den Jefus-Namen um fo
näher, je weniger uns der Jefus-Name Schall und Rauch
ift. Ift uns — in irgend einer Weife uns allen — der
Jefus-Name denn nicht Kraft und Aufrichtung, Troft,
Schutz und Schirm? Und wird uns nicht, je tiefer wir
in das Labyrinth des Wrrwrwglaubens der Völker eindringen
, der Jefus-Name, gerade durch die Vergleichung
mit den anderen Namen, immer grandiofer? Wo ift zudem
ein Name, der fo fehr Lofung und Feldgefchrei für
eine miffionierende Religion fein könnte? Welche Gewißheiten
, Hoffnungen, Vorfätze, welche Stimmungen in
mannigfachfter Abftufung des perfönlichen Erlebniffes der
Name Jefus auch heute bei denen auslöft, die ihn kennen
(ich fage nicht: die ihn rezitieren oder plappern oder als
Hieroglyphe aufs Pergament malen), — wer das alles
wüßte und wer das alles befchreiben könnte, der würde
wahrfcheinlich zu dem Ergebnis kommen, daß die Gold-

Daß die feit dem Druck des Buches neu erfchienenen j münze Gold geblieben ift, mag auch die Prägung bei uns

Papyruspublikationen wieder viele neue Belege zu den
Formeln Ig bvbuaxog (H. S. 41 f. 51. 106) und ihr bvbuaxog
(H. S. 51 f. 105. 108) wie auch für den fonftigen Gebrauch
von bvoua bieten, wird Heitmüller inzwifchen fchon felbft
bemerkt haben.

Der religionsgefchichtliche Teil könnte m. E. etwas
ftraffer disponiert fein; fpeziell hätten die Exkurfe in die
Gefamtdarftellung hineinverwoben werden müffen. In
formaler Beziehung ift mir fonft eine gewiffe Vorliebe für
die draftifche und maffive Wiedergabe der Vorftellungen
primitiver Religion aufgefallen; nicht überall hatte ich
den Eindruck, daß die Striche fo kräftig hätten fein
müffen. Mit Abtönungen vom Maffiven zum Zarten hin,
vom Sinnlichen zum Geiftigen hin wird man gewiß auch
bei dem Namenglauben der von Heitmüller für feinen
Zweck durchforfchten Religionen des öfteren rechnen dürfen
. Auch da, wo Heitmüller die chriftlichen bvoua-

anders ausfehen, als in den Tagen der römifchen Cäfaren.
Heidelberg. Adolf Deißmann.

Trautzsch, Realfch.-Oberl. Lic. theol.Friedrich, Die mündliche
Verkündigung des Apostels Paulus, dargeftellt nach

feinen Briefen. Frankenberg (1903), C. G. Roßberg.
(26 S. 4.) M. —.75

Das Schulprogramm gibt eine in den Hauptpunkten
zutreffende, knappe, auf guter Literaturkenntnis beruhende
Skizze deffen, was Paulus mündlich verkündigt hat. Als
Quellen werden in erfter Linie die Theffalonicherbriefe
benutzt (den zweiten würde ich beanftanden, da ich ihn
für unecht halte), mit Recht erft an zweiter Stelle Galater
und die beiden Korinther. Stellen primären und fekun-
dären Wertes werden angemeffen unterfchieden. Der erfte
Formeln auf dem religionsgefchichtlichen Hintergrund Hauptabfchnitt behandelt den Inhalt der Verkündigung

prüft, zeigt ffch jener Realismus der Auffaffung und der Pauli (Predigt von Gottjefus Chriftus, heiliger Geift, Efcha-
Wiedergabe, — nicht immer, wie ich glaube, mit voller j tologie, Glaube, Ethik, Taufe, Abendmahl, Gebet, chrift-
1 reffficherheit. Aber trotzdem muß ich auch diefen Teil für liehe Sitte und praktifche Fragen, das altteft. Element),
eine fehr tüchtige und höchft intereflante Leiftung anfehen. j der zweite Abfchnitt Anordnung und Wertung der Lehr'

Das Ergebnis ift folgendes: Ihren Mutterboden hat
die Verwendung des Namens Jefu bei der Taufe in dem
Vorftellungskreife des uralten Vöwrwglaubens, den wir,
wie Heitmüller durch eingehende Nachweife illuftriert, zur

ftoffe, der dritte und letzte die Art des paulinifchen Auftretens
und das Formelle feiner Verkündigung. Die Skizze
ift etwas trocken, aber forgfältig und befonnen gearbeitet.
Überwiegend kann man dem Autor zuftimmen. Wie man

Zeit der Entftehung des Chriftentums im Judentum wie aber aus i. Kor. i, 18-ia herauslefen kann, daß Paulus die
im fynkretiftifchen Heidentum in derfelben Lebendigkeit Einfetzung der Taufe durch Chriftus verkündigt habe ift
vorfinden, wie in den übrigen Religionsgebieten der an- fchwer verftändlich. V. 17 zeigt das direkte0 Gegenteil
tiken Welt. Die feierliche Nennung des Namens Jefu bei Auch die .Tatfache der Himmelfahrt Chrifti' den Parufie-
der Taufe ift dem antiken Chriften nicht eine nur finn- . ausfagen als Lehrftück entnehmen zu wollen, ift ftark.
bildliche Form (etwa für das Bekenntnis zur Meffianität ] Beim ,heiligen Geift' hätten die vorhandenen heidnifchen
Jefu), ,fondern fie ift mit realen, myftifchen, geheimnisvollen 1 Vorftellungen von religiöfer Ekftafe gewürdigt werden
Wirkungen verbunden gedacht; die Wirkungen müffen . müffen. Der Widerfpruch zwifchen 1. Theff. 5, iff. und
aber mutatis mutandis ähnliche fein wie die, die fonft dem j 2. Theff. 2, 1 ff. ift gänzlich vertufcht. Die Ausführungen
Gebrauch diefes Namens zugefchrieben werden: reale über den hiftorifchen Sinn des Paulus p. 2of. find unaus-
Befitzergreifung durch die Macht, die durch den Jefus- geglichen und fchwankend. Aus Rom. 1, {ff zu entnehmen
Namen bezeichnet ift, Verriegelung, innige Verbindung | daß Paulus auch in feiner Verkündigung die irdifche Seite
mit dem Träger des Namens, Vertreibung aller feindlichen ' Jefu vorangeftellt habe, ift mehr als gewagt. Die münd-
Mächte ^Exorzismus], Weihung und Begeiftung' (S. 268). liehe Verkündigung des Apoftels fcheint doch bei aller
Auch diefes Ergebnis wird, wie ich glaube, in der Innigkeit und Herzlichkeit unanfehnlich und befanden' ge-
Hauptfache die Probe aushalten. Einer Feuerprobe wird | wefen zu fein, vgl. befonders 2. Kor. 10, 1 10. Derfefbe