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Ausgabe:

1904 Nr. 7

Spalte:

197-199

Autor/Hrsg.:

Schlatter, Adolf

Titel/Untertitel:

Die Sprache und Heimat des vierten Evangelisten 1904

Rezensent:

Baldensperger, Wilhelm

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Theologifche Literaturzeitung. 1904. Nr. 7. 198

aber, wenn er meint Ckromis nilaticus finde (ich in Abi
Täblgha nicht. Heptapegon hieß nicht letztgenannte Quelle,
fondern der benachbarte Teil el Chanazir, der tatfächlich
von fieben Quellen umgeben ift. Sanday hätte nach Einficht
meiner Ausführungen Gamala nicht in die Nähe von
Hippos, fondern nach Gamle am Wadi Rakkad verfetzt,
und hätte Tarichea mit Magdala identifiziert

daß er dem Text des Evangeliums felbft nachgeht und
die Anklänge von Vers zu Vers verzeichnet, und fodann
in einer alphabetifchen Überficht des johanneifchen Sprachgebrauches
. Die Klarlegung des fprachlichen Charakters,
wie fie S. unternommen hat, ift zweifellos ein nicht zu
unterfchätzendes Moment in derLöfung des johanneifchen
Problems, und gerade die fyftematifche, zielbewußte Durch-

Den Bethesdateich habe ich fchon 1871 (f. Jerufalem führung der Aufgabe in vorliegendem Werke zeichnet es

in Schenkels Bibellex.) an der Stelle von Hammam efch
Schiiah gefucht und finde mich nicht veranlaßt, diefe Vermutung
aufzugeben. Baedeker irrt übrigens, wenn er das

vorteilhaft aus vor andern ähnlichen Verfuchen, wie z. B.
derjenige von Güdemann, der fchon vor Jahren auf eine
Reihe wichtiger Berührungen des 4. Evangeliums mit der

Waffer jenes tiefen Brunnens als durch den Schutt ge- jüdifchen Literatur aufmerkfam gemacht hatte. Allerdings

drungenes Regenwaffer erklärt. Eine umfaffende Unter
fuchung der dortigen Wafferverhältniffe fteht noch aus; aber
die Fülle des Brunnens weift auf mehr als auf oberflächlichen
Regenzufluß. Über den Urfprung des chriftlichen
Zion habe ich mich fchon im Januar 1902 in diefer Zeitung
ausgefprochen. Guthe ift auf dem Wege eigener
Forfchung zu dem wefentlich gleichen Refultate gelangt
(in der prot. Realencykl.3). Die Lage des Haufes, das den
erften Chriften als Mutterhaus diente, ift fchon in der Apg.
angedeutet. Auf weitere Einzelheiten will ich nicht eintreten
und bemerke nur noch, daß an der Gleichung Davidsturm
= Phafael wegen der Maßverhältniffe, die Jofephus
angibt, nicht zu zweifeln ift. Gegen die Rekonftruktion
der herodianifchen Tempelanlage hätte ich Manches einzuwenden
, indem ich immer noch dafür halte, daß auf
diefem Gebiet F. Spieß (1881) das Belle gekittet hat.

Möge die Schrift, die einerfeits lehrreiche Überfichten
über bisherige Forfchungsrefultate, anderfeits vortreffliche

find die vielen in der vorliegenden Schrift zufammenge-
ftellten Beifpiele von ungleichem Wert. Vielleicht wäre
eine Abftufung und Gruppierung derfelben unter dem
Gefichtspunkt ihrer Beweiskraft der Sache förderlicher
gewefen, als die von S. gewählte Anordnung. Im Vordergrund
des Intereffes flehen die Fälle, in welchen die johanneifchen
Formulierungen sich zweifellos als Anlehnungen
an den femitifchen Sprachgeift kundgeben und in den
rabbinifchen Parallelen wirklich ihre volle Erklärung finden.
So z.B. die Hervorhebung des Stehens Joh. 329 da, wo
wir es nicht für nötig halten, oder die für Johannes typifche
Satzform höxiv 6 xatrjyoQmv Joh. 545 eanv o gr/Talr» 850
ufw. Dazu bringt S. treffende Illuftrationen, die völlig
ausreichen. In andern Fällen hingegen ift es mit dem
fprachlichen Argument nicht getan. Joh. 129 z. B. haben
wir den von S. angeführten beliebten Gegenfatz zwifchen
,verleugnen' und .bekennen' nicht, denn das aQVtlöd-ai
wird im joh. Texte felbft mit einer Negation verfehen,

Anregungen zum weiteren Forfchen gibt, und in beftem j und außerdem kommt zu den beiden Ausdrücken das

Sinne von vornehmem Geilte durchdrungen ift, auch bei
deutfehen Lefern freundliche Aufnahme finden.

Zürich. K. Furrer.

Schlatter, Prof. D. A., Die Sprache und Heimat des vierten

Evangelisten. (Beiträge zur Förderung chriftlicher Theologie
. Herausgegeben von A. Schlatter und H. Cremer. j daß die Rede in 1 29 aus ganz befondern Gründen fo

wiederholte mfioXoyt]OEV, und für diefe Häufung, welche
das eigentlich Charakteriftifche der Stelle ift, bietet S.
gar nichts. Blickt man vollends über die engen Grenzen
der einen Stelle hinaus und erkennt man, welche grundlegende
Bedeutung der Evangelift dem unumwundenen
Zeugnis des Täufers noch an vielen andern Orten 3 m
5 33 ufw. zufchreibt, fo kann man nicht mehr zweifeln,

Sechfter Jahrgang 1902. Viertes Heft.) Gütersloh,
C. Bertelsmann. (180 S. gr. 8.) M. 3.—

Von der richtigen Erkenntnis aus, daß Paläftina zur
Zeit der Apoftel ein doppelfprachiges Gebiet war, d. h.
daß feine Bewohner nicht nur die aramäifche Mutterfprache
kannten, fondern auch von Jugend auf Griechifch zu
fprechen gewohnt waren, unterfucht S., ob das vierte
Evangelium beftimmte Merkmale von Doppelfprachigkeit
an fich trage und darum als ein paläftinenfifches Produkt
angefehen werden müffe. Es handelt fich aber nicht
darum, die klaffifche Korrektheit des johanneifchen Griechifch
zu prüfen oder die Entftehung der joh. Sprachformen
zu erklären, fondern daran foll fich die paläftinen-
fifche Herkunft des Evangeliften meffen laffen, daß er
feine griechifchen Sätze nach dem Mufter der aramäifchen
baut und fein Griechifch überhaupt den Einfluß des
femitifchen Sprachgenies verrät. Zur Klarlegung diefes
Tatbestandes hat S. einen Vergleich des Evangeliums mit
einem alten rabbinifchen Texte, nämlich mit der Mechilta
oder dem Kommentar der jüdifchen Lehrer zum Exodus
angefleht. Nebenbei wird auch Sifre, d. h. der Kommentar
zum vierten Buch Mofe herangezogen, weil derfelbe
mit der Mechilta ungefähr gleichaltrig ift, diefelben Spracheigentümlichkeiten
aufweift und verwandte Stoffe enthält.
Die Befchränkung des Vergleichs auf ein folch ausgewähltes
, der Sprache und dem Geifte nach einheitliches
rabbinifches Material foll am ficherften erkennen laffen,
wie nahe das 4. Evangelium der paläftinenfifchen Heimat
ftand. Die Mechilta ift, wie S. fchreibt, ,eines der fchönften,
gehaltvollsten Zeugniffe jener Frömmigkeit und Theologie,
die das mit Johannes zeitgenöffifche Rabbinat befaß'.

Das Verzeichnis der rabbinifchen Parallelen zu Johannes
wird vom Verf. in doppelter Form vorgeführt, zuerft fo,

zugefpitzt ift, und daß hier .die Erklärung nicht mehr
in das Reffort des Sprachkundigen fällt. Es ift hier nicht
anerzogene Sprechweife, nicht das Ohr des Evangeliften,
welches die Feder führt, fondern der Gedanke, die bewußte
Abficht. Die rein fprachliche Betrachtung, die
an und für fich etwas objektiv Sicheres hat, kann auch
irreleiten, wenn fie vorfchnell abfchließt, und zur vollen
Klarlegung eines literarifchen Problems ift es notwendig,
daß fie fich mit andern Inftanzen kombiniere.

Damit foll nicht geleugnet werden, daß die gründliche
Erforfchung des Sprachcharakters des ganzen Evangeliums
, fo wie fie S. verfucht hat, wenigftens gewiffe Anhaltspunkte
für die Verfafferfrage fchafft. Aus den vorliegenden
Refultaten fcheint uns aber der Schluß auf die pa-
läftinenfifche Heimat des Evangeliften weder evident noch
zwingend. Man wird es zwar auf Grund derfelben für
höchft unwahrfcheinlich halten müffen, daß das 4. Evangelium
einen in Ephefus oder Alexandrien geborenen und
anfäffigen Heidenchriften zum Verfaffer habe. Bei einem
geborenen Griechen würde, auch wenn er fich durch vertrauten
Umgang mit der Septuaginta an hebraifierende
Wendungen gewöhnt hätte oder wenn auch aus der
ihm geläufigen xoivr zahlreiche Anlehnungen an das
Elementar-Griechifch des Johannesevangeliums fich erklären
ließen, doch der durchgehende femitifche Charakter
des Werkes rätfelhaft bleiben. Man würde erwarten
, daß fich der Grieche doch hie und da verraten würde.
Aber zwifchen diefer und der von S. verfochtenen
Thefe liegen andere Möglichkeiten in der Mitte. Es
find uns heute die fprachlichen Verhältniffe zur neutefta-
mentlichen Zeit in Paläftina und in der auswärtigen Juden-
fchaft wohl beffer bekannt als der ältern Forfchung, aber
die neueren Unterfuchungen führen doch nur zu Schlüffen
mehr allgemeiner Art, hinter welchen im Einzelnen eine

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