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Ausgabe:

1904

Spalte:

193-196

Autor/Hrsg.:

Bezold, Carl

Titel/Untertitel:

Die babylonisch-assyrischen Keilinschriften und ihre Bedeutung für das Alte Testament. Ein assyriologischer Beitrag zur Babel-Bibel-Frage 1904

Rezensent:

Volz, Paul

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Theologische Literaturzeitung.

Herausgegeben von D. Ad. Harnack, Prof. in Berlin, und D. E. Schürer, Prof. in Göttingen.

Jährlich 26 Nm. Verlag: J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung, Leipzig. Jährlich 18 Mark.

Nr. 7. 2. April 1904. 29. Jahrgang.

Zur Bibel-Babel-Literatur, edler Artikel (Vöhl.
Sanday, Sacred Sites of the Gospels (Furrer).
Schlatter, Die Sprache und Heimat des vierten

Evangeliften (Baldensperger).
Heitmüller, ,1m Namen Jefu' (Deißmann).
Trautzfch, Die mündliche Verkündigung des

Apoftels Paulus (Hollmann).
Meyer, Max, Der Apoflel Paulus als armer

Sünder (Hollmann).
Kögel, Die Gedankeneinheit des erften Briefes

Petri (Hollmann).

Rietfeh, Die nachevangelifchen Gefchicke der
Bethanifchen Gefchwifter und die Lazarusreliquien
zu Andlau (Schürer).

Bacher, Die Agada der Tannaiten, 1. Bd. 2. Aufl.
(Schürer).

— Die Agada der Tannaiten und Amoräer,

Bibelftellenregifter (Derf.).
Monceaux, Histoire litteraire de l'Afrique

chretienne. 2 Bde. (Hennecke).
Ficker, Das ausgehende Mittelalter und fein

Verhältnis zur Reformation (Deutfch).

Caselii Carmina Sacra puerilia selecta, hrsg.

von Koldewey (Cohrs).
Horning, Handbuch der Gefchichte der evang.-

luth. Kirche in Straßburg im XVII. Jahrh.

(Seil).

Rade, Die Leitfätze der I. und 2. Aull, von
Schleiermachers Glaubenslehre (Otto).

Fifcher, Das deutfehe evangelifche Kirchenlied
des 17. Jahrh., hrsg. von Tümp e 1 (Cohrs).

Erklärung gegen Denifle (Harnack).

Zur Bibel-Babel-Literatur.

Erfter Artikel.

Zimmern, Prof. Heinrich, Keilinschriften und Bibel nach
ihrem religionsgefchichtlichen Zufammenhang. Ein
Leitfaden zur Orientierung im fog. Babel-Bibel-Streit.
Mit Einbeziehung auch der neuteftamentlichen Probleme
. Mit neun Abbildungen. Berlin 1903, Reuther
& Reichard. (54 S. gr. 8.) M. 1.—

Bezold, Prof. Dr. C, Die babylonisch-assyrischen Keilinschriften
und ihre Bedeutung für das Alte Testament. Ein

affyriologifcher Beitrag zur Babel-Bibel-Frage. Mit 100
Anmerkungen und 12 Abbildungen. Tübingen 1904,
J. C. B. Mohr. (VII, 67 S. gr. 8.) M. 1.50

Lehmann, Prof. C. F., Babyloniens Kulturmission einst und
jetzt. Ein Wort der Ablenkung und Aufklärung zum
Babel-Bibel-Streit. Leipzig 1903, Dieterich. (III, 88 S.
gr. 8.) M. 1.20

Grimme, Prof. Hubert, „Unbewiesenes". Bemerkungen eines
Philologen zu F. Delitzfch, Babel und Bibel I—II.
Münfteri. W.(i903),H. Schöningh. (80S.gr. 8.) M. 1.50

Mit der wohltuenden Überlegenheit des Fachmanns
tritt Zimmern in den wildwogenden Streit ein, indem er
das Wichtigfle aus feinem jünglt erfchienenen großen Werk
(Die Keilinfchr. und das A.T. 2. Teil) in ein überfichtliches
Bild zufammenfaßt. Seine Abficht ift, klar zu zeigen,
was an all dem aus dem babylonifchen Material Vorgebrachten
urkundliche Tatfache und was bloß abgeleitete
Kombination ift; er will auf die Probleme hinweifen, die
für den religionsgefchichtlichen Beobachter aus der Kenntnis
der babylon. Literatur entftehen. So geht er denn
der Reihe nach die religionsgefchichtlichen Partien (Sintflut
, Urväter, Schöpfung, Paradies, Gilgamefchepos, Kultgebräuche
, Sabbat, religiöfe Lieder, Götterlehre, Chriftus,
Taufe und Abendmahl, Prädeftination, Engel und Teufel,
Totenreich, Jenfeitsglauben) durch, indem er das babyl.
Material gibt und die Verwandtfchaft zwifchen dem
Babylonifchen und dem Biblifchen darftellt. Im Zufammenhang
der einzelnen Partien legt er die fchwebenden Probleme
dar, z. B. die Frage, was der urfprüngliche Sinn der
religiöfen Erzählungen, wie z. B. der Sintflutfage oder des
Marduk-Tiamatmythus war, wie der Übergang der babylon
. Erzählungen und Ideen in den Belitz des ifraelit.
Volkes zu denken fei und wann er eintrat, wie auch für
hochentwickelte religiöfe Ideen, z. B. die Chriftusidee, die
letzten Anknüpfungspunkte im Babylonien gefucht werden

dürften. Alles in allem nimmt Z. einen Zufammenhang
zwifchen Keilinfchriften und Bibel fowohl für das A.T.
wie für das N.T., insbefondere auch für das fpätere Judentum
in ziemlich weitem Umfang an, urteilt aber, daß die
übernommenen babylonifchen Ideen oder Einrichtungen
meift felbftändig und innerlich verarbeitet und zu einer
ganz neuen Geftalt vergeiftigt wurden; auch wo die Worte
der Keilinfchriften mit der Bibel übereinftimmen, wie z. B.
die mit ,Sünde' zufammenhängenden Worte in den babyl.
Bußpfalmen, könne doch der Sinn im Babylonifchen möglicherweife
ein anderer, äußerlicher fein.

Der Wert der Brofchüre von Bezold beruht hauptfächlich
darin, daß der Affyriolog die Fachgenoffen zum
Maßhalten mahnt und vor der Grenzüberfchreitung warnt.
Es liegt dem Verf. vor allem daran, die phantafievollen
Auswüchfe, die in letzter Zeit an dem Gewächs der babylonifchen
Forfchung hervorgetreten find, wegzufchneiden,
fo die Annahme von der Babylonifierung Kanaans und
Arabiens, die Einkleidung der Gefchichte Ifraels in das
aftralmythologifche Syftem, die zuverfichtliche Identifizierung
des Hammurabi mit Amraphel und die weitgehenden
Schlüffe, die daraus für Abraham und feine Zeit
gezogen werden; ebenfo werden die kühnen Ausfprüche
über einen angeblichen Jahwegott und über den Monotheismus
bei den Babyloniern, insbefondere jenes fpät-
babylonifche Zitat über Marduk, das Delitzfch für den
Monotheismus heranziehen wollte, entfehieden abgewiefen.
— Vielleicht ift Verf. nicht im Bande, die gefchichtsphi-
lofophifche Arbeit, die Winckler und Andere getan haben,
gebührend zu würdigen; aber gewiß werden ihm alle
darin beiftimmen, daß die Zeit zum Syftemebauen eigentlich
noch nicht gekommen fei, vielmehr die philologifche
Gründlichkeit und die undogmatifche Gefchichtswiffen-
fchaft hervortreten müffen, um den Infchriften mehr und
mehr den Mund zu öffnen. Die Abhängigkeit der biblifchen
Urgefchichten von den babylonifchen fleht dem
Verf. außer Zweifel; aber die Entzifferung der Infchriften
dient nur dazu, den geiftigen Gehalt des A.T. zu erkennen.
Nutzbringend find die in den Anmerkungen (S. 44—67)
aufgeführten Literaturangaben und insbefondere die auf
S. 58—63 alphabetifch und nach Schlagwörtern geordnete
ÜberfichtüberdieHauptpunkte des affyrifch-babylonifchen
Materials, die Delitzfch in feinen Vorträgen befprach und
für die Bezold die Quellen nennen will, aus denen D. ge-
fchöpft hat.

Eine der erfreulichften Erfcheinungen in dem Haufen
der Babel-Bibel-Brofchü ren ift das Schriftchen des Ge-
fchichtsprofeffors Lehmann, ausgezeichnet durch einen
freien und weiten Blick und durch einen feinen Sinn für
die gefchichtlichen und kulturgefchichtlichen Zufammen-

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