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Ausgabe:

1904 Nr. 6

Spalte:

177-179

Autor/Hrsg.:

Bauer, Walter

Titel/Untertitel:

Der Apostolus der Syrer in der Zeit von der Mitte des vierten Jahrhunderts bis zur Spaltung der syrischen Kirche 1904

Rezensent:

Dobschütz, Ernst

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'77

Theologifche Literaturzeitung 1904. Nr. 6.

178

bert als eine auf Grund des römifchen Archivmaterials
für Sixtus von feinem Archidiakon Leo, dem fpäteren
Leo I ausgearbeitete dogmatifche Denkfchrift über die
Sache des Pelagianismus erkannt wird, was entfchieden
auch deren baldige, autoritative Geltung am beffen erklärt.
Ein kurzer Anhang über die Entflehung des Codex Augien-
sis und ein treffliches Perfonenverzeichnis befchließen
das reichhaltige und forgfältige Werk. Mögen auch über
manche wichtige Einzelheiten, wie über den Wert der
hiflorifchen Eigenbemerkungen des erffen Buches des
Prädeftinatus (nach brieflicher Mitteilung hält von Sch.
das Verdikt über das Zitat aus Arius .drittem Buch'
S. 38 f. felbft nicht mehr unbedingt aufrecht), das Maß der
Beteiligung Julians an dem ganzen Werk und fpeziell an
deffen drittem Buch, die Herkunft des Pfalmenkommen-
tars des jüngeren Arnobius u. a. die Anflehten der Gelehrten
noch ftark von einander abweichen, in der Hauptfache
wird man doch mit dem Verfaffer einig gehen und
ihm dafür dankbar fein können, daß er endlich in diefe
verworrene Frage Licht gebracht hat.

Auf Wunfeh des Verfaffers füge ich hier noch einige
mir von ihm eigens zu diefem Zwecke mitgeteilte Ver-
befferungen und Zufätze bei, die für die Befitzer des betreffenden
Buches von befonderem Wert fein dürften.

S. 2 Zeile 3 von oben lies ,ihm' ftatt .ihnen'.

S. 53 Zeile 6 von unten lies ,Zeitgenoffen' ftatt .Gegner'.

S. 76 wäre auch darauf hinzuweifen gewefen, daß der
Verfaffer wohl abfichtlich fo ftark von Neftorius abrückt,
weil der Pelagianismus mit ihm zufammen auf der Synode
von Ephefus verdammt worden war.

S. 77 Zeile 13/14 von oben lies ,um der Kenntnis des
Griechifchen willen' ftatt ,um der griechifchen Brocken
willen'.

S. 94 follte noch beigefügt werden, daß diefe kecke
Fälfcherei durchaus ihre zeitgenöffifchen Parallelen in
Rom hat. Nicht nur Canon 6 von Nicäa und wohl auch
die Canones von Sardica, fondern vor Allem die Schwindeleien
der älteren vitae des Liber pontificalis und die
Symmachifchen Fälfchungen mit der Sylvefter-Konftantin-
Legende find heranzuziehen. In diefen letzteren Stücken
haben wir vollkommen die Belege, daß man in diefer
finkenden Zeit auf Grund römifcher, undeutlicher Lokaltraditionen
das Blaue vom Himmel lügen konnte und zu
lügen wagte. Man vergleiche befonders die Art, wie im
constitutum Svlvestri nicht nur Hippolyt, fondern ,Kallift,
Viktorin(!), Jovian(!)' als verdammte Ketzer behandelt
werden, ein Mifchmafch von Wahrheit und Dichtung mit
fouveräner Behandlung der eigenen, römifchen Vergangenheit
.

S. 123 Zeile 19 von unten lies ,einten' ftatt .erften'.

S. 131 Zeile 6 von unten nennt Sch. den Papft Gelafius
einen Afrikaner, in abfichtlichem Gegenfatz zu Mirbt RE36.
S.474, deffen Berufung auf Mommfen er für irrtümlich hält.

Wohlen (Kanton Aargau). Lic. A. Bruckner.

Bauer, Lic. theol. Priv.-Doz. Walter, Der Apostolos der Syrer

in der Zeit von der Mitte des vierten Jahrhunderts bis
zur Spaltung der fyrifchen Kirche. Gießen 1903, J.
Ricker. (IV, 80 S. gr. 8.) M. 1.80

Bauer will eine Lücke in der bisherigen Behandlung
der Kanonsgefchichte ausfüllen, die er bei dem Kanon
der fyrifchen Kirche wahrgenommen hat. Für die ältere
Zeit hat Th. Zahn GNK I 369—429 vorgearbeitet; dann
wird meift erft wieder die Zeit der Trennung von Neftori-
anern und Monophyfiten beriiekfichtigt, z. B. in Jülichers
knapper und doch fo ftoffreicher Darfteilung, Einl.2 437f.,
und in Zahn's Grundriß 1901, 44—53 (vgl. Th. Ltztg. 1903,
570f.). Gerade die Blütezeit der fyrifchen Theologie von
c. 360—460, da fie großen Einfluß auf die griechifche
Kirche übte, fallt meift ganz aus. Hier fetzt nun B. ein,
indem er die Oft- und Weftfyrer, die Theologen fyrifcher

wie griechifcher Zunge zufammenfaßt. Er befchränkt feine
Unterfuchung ganz auf dies eine Jahrhundert und darin
wieder auf den Apoftolos und fucht zu zeigen: 1) daß
neben der allgemein anerkannten kanonifchen AG nur
gelegentlich bei Rabbulas die Theklaakten als h. Schrift
auftauchen; 2) daß mit den 10 Gemeinde- und 3 Paftoral-
briefen auch der Hebräerbrief bei allen Syrern als pau-
linifch anerkannt ift, meift zu den Hauptbriefen (vor oder
nach Gal.) geftellt; daß die Ausfchließung von Phm ein
Privaturteil Ephraems ift; daß die Oftfyrer aber außer
dem apokr. 3. Korintherbrief auch einen 2. Philipperbrief
und vielleicht einen Laodicenerbrief hatten; 3) daß die
kath. Briefe den Oftfyrern ganz fehlten, aber auch von
Theodor v. Mopf., Titus v. Boftra, dem Verf. der Apofto-
lifchen Konftitutionen und dem Interpolator der Ignatianen
nicht zur Bibel gerechnet wurden, während Apolinarius,
Diodor, Polychronius, Neftorius einzelne der drei größeren
Briefe, Chryfoftomus und Theodoret diefe drei(Jac. 1 Pet. I
Joh.) in ihrem Kanon haben; 4) daß Apoc. Joh. zwar
Ephraem bekannt war, alfo früh ins Syrifche überfetzt
fein muß, aber von keinem Syrer als kanonifch angefehen
worden ift; von andern Apoc. fei nicht die Rede; im
ganzen fänden fich Apokryphen eher im Offen unter dem
Schutz der fremden Sprache. Im letzten Grunde zielt,
wie die abfchließende Betrachtung S. 77 fg. zeigt, die Studie
darauf hin, ,die großartige Gleichgiltigkeit' aufzuweifen,
,mit der die Kirche den Zuftand der Unfertigkeit ertrug.
Sie hat ihn gar nicht empfunden. Während xVbweichungen
vom Dogma einen Sturm des Unwillens entfachen, Kleinigkeiten
in der Lehre endlofe Debatten auf Konzilien
zeitigen, nimmt man Freiheiten in Fragen des Kanons
recht kühl auf. Chryfoftomus hält auch als Patriarch
von Konftantinopel an feiner fyrifchen Gewohnheit feft;
auch nichtfyrifche Theologen gehen in ihrer Polemik auf
diefe Differenzen gar nicht ein.

Ohne Zweifel ift diefe forgfältige, umfichtige, nicht
ohne eine gewiffe gelehrte Umftändlichkeit gefchriebene
Arbeit fehr verdienftlich. Man möchte nur fragen, ob
fie nicht doch gewonnen hätte, wenn es dem Verf. gefallen
hätte, fich nicht gar fo fehr zu befchränken. So
fchließt er das Testamentum J). N. I. Chr. als zu jung
aus; Aphraates, deffen Homilien 336/7 und 343/5 fallen,
berückfichtigt er nur ganz gelegentlich als Vertreter einer
ältern Periode; ebenfo die Doctrina Addai, die er wohl
mit Zahn vor 3CXD anfetzt: Lipfius, Tixeront, Harnack,
Bardenhewer, Duval, Krüger find einig, daß fie gerade
der von B. behandelten Zeit angehört (f. meine Chriftus-
bilder 171*); dazu wären denn auch andre Stücke aus
Curetons Spicilegium, ferner die Akten des Shamona und
Guria, des Habib, des Scharbil u. a. heranzuziehen gewefen;
vgl. Th. Ltztg. 1902, 21. Aus der hier befprochenen Schrift
Burkitts hätte Bauer auch ein etwas andres Urteil über
den gegenwärtigen Stand der Peshittafrage entnehmen
können und manches zur Kritik der Werke Ephraems
darin gefunden, u. a. daß der Sermon V 330 ff., worin
fich die Joh.-Apoc. zitiert findet, nur in Fat. syr. 117
(12. Jahrh.) erhalten und wahrfcheinlich unecht ift (p.20—22).
Da alle andern Berührungen nur der verbreiteten Bilder-
fprache angehören, fällt Ephraems Bekanntfchaft mit der
Apoc. famt den darauf gebauten Folgerungen dahin. Dagegen
hätte S. 75 erwähnt werden können, daß nach
Sozom. die Petrus-Apoc. in paläftinenfifchen Gemeinden
jahrlich einmal vorgelefen wurde; diefe haben manche
Beziehungen zu Syrien, fodaß dies für die Diodorfrage
(S. 80) bedeutfam ift. Über die apokryphen Apoftelakten
in der fyrifchen Literatur hat Baumftark Unterfuchungen
angeftellt, vgl. Th. Ltztg. 1902, 274«". Bauers Hinweis auf
die Rabbulasftelle bringt hier eine wichtige Ergänzung.
Daß die AG kanonsgefchichtlich wenig Probleme biete
(S. 18), kann man doch nicht fagen, wenn man die mani-
chäifchen und priscillianiftifchen Streitigkeiten, wie fie C.
Schmidt, Petrusakten (TU NF IX, 1, 43fr.; vgl. Th. Ltztg.
1903, 352) feln dargeftellt hat, und befonders Harnacks