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Ausgabe:

1903 Nr. 6

Spalte:

165-167

Autor/Hrsg.:

Lake, Kirsopp

Titel/Untertitel:

Codex 1 of the Gospel and its allies 1903

Rezensent:

Bousset, Wilhelm

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Theologifche Literaturzeitung. 1903. Nr. 6.

166

will zwifchen 13 und 14 nicht recht paffen. Man beachte
die durch diefe Anordnung entftehende dreimalige einführende
Charakterifirung des Kaiaphas. Ogleich bei
der Ordnung des Syrers die Erzählung des Verhörs
nicht mehr die Erzählung von der Verleugnung des Petrus
auseinanderfprengt, ift doch der Anfang der Verleugnungs-
gefchichte V. 15 vor das Verhör gerathen. — Eher ift
auf Grund des Syrers zu vermuthen, dafs V. 24 und dann
allerdings auch dstb xov Kcudcpa V. 28 ein fpäterer Zufatz
ift, durch den der Bericht des Joh.-Evangeliums mit dem
der Synoptiker ausgeglichen wurde.

Göttingen. Bouffet.

Lake, Kirsopp, M. A., Codex 1 of the Gospels and its allies.

(Texts and Studies, edited by J. A. Robinson. Vol. VII.

Xo. 3.) Cambridge 1902, University Press. (LXXVI,

201 p. gr. 8.) 7 s. 6 p.

Eine ungemein fleifsige und werthvolle Studie zur
Textkritik des neuen Teftaments fchenkt uns Lake in
der vorliegenden Arbeit. Nach dem Mufter von Ferrar's
berühmter/Abhandlung über die nach ihm genannte Ferrar-
gruppe widmet er der Minuskelgruppe 1 —118—131—209
(205 Abfchrift von 209) eine eingehende Unterfuchung.

L. siebt zunächft eine eingehende Befchreibung der
einzelnen Handfchriften, bei der fich leider nichts Sicheres
über deren definitive Herkunft ergiebt. Es wird im Gegen-
theil eine bisher allgemein angenommene Vermuthung
über die Herkunft der Handfchnft 1 (12. Jahrh.?) definitiv

zerftört Man nahm auf Grund des vor dem Johannes- ; mit wenigen Zeugen, die nicht jenen älteften Gruppen

von Blättern verftümmelt war. Freilich bleibt es fraglich
, ob diefer einfachfte Grund des Textwechfels überall
vorliegt. An einigen Stellen, z. B. in den letzten Capiteln
des Johannes, zeigt X einen willkürlich gemifchten Text.

Im Ganzen wird die Handfchr. 1 am beften den
Text des Archetypus repräfentirenL. zählt (p. XLI)
nur 21 Varianten —■ und von diefen ift die gute Hälfte
irrelevant — in denen 118—209. 131 zufammen eine eigentümliche
Lesart bewahrt haben, während 1 dem textus
receptus folgt, in denen alfo 118—209. 131 den Vorzug
vor 1 verdienen. Das ift ein aufsergewöhnlich günftiges
Refultat für die Genauigkeit der Ueberlieferung in 1.
Länger find natürlich die Liften (p. XLII ff.) der Stellen,
an denen 118. 209 gegen 1. 131, oder 131 gegen 1. 118. 209
einen fingulären Text gegenüber dem textus receptus bewahrt
haben. Doch wird man hier — nach der bereits feft-
geftellten gröfseren Vorzüglichkeit der Ueberlieferung
in 1 — fich jedesmal fragen müffen, ob in diefen fingulären
Lesarten nicht einfach Willkürlichkeiten der Schreiber
von 131 und 118—209 vorliegen.

Es handelt fich dann darum, diefem fo gewonnenen
Text feine Stelle innerhalb der Textgefchichte zuzu-
weifen. Zu diefem Zweck legt L. eine Reihe von
Varianten-Liften aus beftimmten Capiteln vor. Zunächfteine
Lifte (A) von Stellen, an denen die Gruppe mit den
meiften älteren Zeugen gegen den textus receptus fleht,
dann fpecielle Uebereinftimmungen mit altlateinifchen
(B), altfyrifchen (C), altlateinifchen und altfyrifchen Ver-
fionen (D), den Handfchriften Bs (E). In einer letzten
Lifte folgen dann Varianten, in denen die Gruppe nur

Evangelium befindlichen Gemäldes, auf dem man die
Figuren Leo's des Weifen und feines Sohnes Konllantin
Porphyrogenetus zu finden glaubte, feit Wetftein an, dafs
diefe Handfchrift einft im Befitz Leo's gewefen fei. Lake
zerftört durch die richtige Deutung des Bildes — es

angehören, übereinftimmen-).

L. gelangt dabei zu keinem unerheblichen Refultat.
Er conftatirt eine entfehiedene Verwandtfchaft, wenigftens
was den Text des Marcusevangeliums anbetrifft, zwifchen
der Gruppe 1, der Gruppe 13. 69. 124. 346, ferner den

handelt fich um eine Darftellung des Triumphes Chrifti | Handfchriften 22. 28. 565. 700. Es zeigt fich hier in der

über die Hölle; der fragliche König ift David — diefe
Meinung. — Somit find wir bei der Frage nach der
definitiven Herkunft der Handfchriftengruppe ganz auf

That zwifchen diefen Textzeugen eine weitgehende Verwandtfchaft
. L. zählt p. LXX1II für das erfte Marcus-
capitel im Ganzen 73 Varianten, an denen diefe Zeugen

innere Gründe angewielen; nur dafs im Allgemeinen ihre i vom textus receptus abweichen. An diefen Abweichungen
orientalifche Herkunft feftfteht. ift 5^5 mit 48, Gruppe 1 mit 31, Gruppe 13 mit 31, 700

In einem zweiten Capitel unterfucht L. das Ver
hältnifs der Handfchriften untereinander. Dafs fie aufs
Engfte unter einander verwandt find und einen gemein

mit 30, 28 mit 26 Varianten betheiligt. Diefe Zahlen
beweifen ein grofses Mafs gemeinfamer Abweichung
vom textus receptus. Namentlich laufen die Linien in der

famen Archetypus vorausfetzen, ift ficher. Eben fo ficher i bemerkenswerthen Handfchrift 565 (Tifchendorf 2pe) zu-
ift, dafs die Handfchrift I diefen Archetypus weitaus am fammen. An den 49 Fällen, an denen jedesmal zwei oder
getreueften repräfentirt. Die Handfchrift 131 hat nur in 1 mehrere unferer Zeugen zufammentreffen, ift fie 43 Mal
Mrc. 1 — 5 und Lc. i — 24 den der Gruppe gemein- j betheiligt. Wir werden in diefer Handfchrift — aber
famen Text und repräfentirt hier einen felbftändigen ! irnmer nur für das Marcusevangelium — die Führerin

Zweig der Ueberlieferung. Eng verwandt find 118 und
209 mit einander. Und zwar ftellt fich das Verhältnifs
der beiden Handfchriften zu Cod. 1 fo, dafs 209 fehr viele
Uebereinftimmungen mit I gegen 118 theilt, dagegen
118 faft nirgends mit 1 gegen 209 übereinftimmt. Man
könnte daraus fchliefsen, dafs 118 direct aus 209 abge-

diefer Gruppe erblicken dürfen.

Nun hat 565 mit anderen Handfchriften (A 20.157. 164.
262. 566. 829. 1071) bekannnthch zum Matthäusevangelium
die Unterfchrift eygdcpr^ xal dvxeftXr'iihr] ex xmv ev 'ieQOOO-
Xvpoiq staXaicbv dvxiygdtpcov xmv ev xm dylm dgei dstoxei-
[tevmv. L. nimmt an, da es einen dyiov ö'poc' in Jerusalem

. — •viiii«,uuii, «ml.. » * ~ — ■ ■--- —--—--j-> — -i_ — ------ § *^ 7ky,7r> 111 jv-i uiaiv,n

ichrieben ift. Da aber nach übereinftimmendem Urtheil nicht gab, (vgl. Studio, biblica et ecclcsiastica, V. 2 Ox

der bachverftändigen 118 dem dreizehnten, 209 de
vierzehnten Jahrhundert angehört, fo wird man doch
wohl annehmen müffen — Lake fchwankt hier in feiner
Entfcheidung —? dafs 118 und 209 einem gemeinfamen
Archetypus entflammen, den 209 faft getreu, 118 ziemlich
fchlecht wiedergiebt. Mit diefem gemeinfamen
Archetypus (X) hat es nun wieder eine befondere Be-
wandtnifs. X zeigt nur in den Abfchnitten Mt. I—10, 22—
Mc. 14, Lc. 4—23, Joh. 1—13.18 einen mit 1 eng verwandten
Text, dagegen in den übrigen Abfchnitten
einen abweichenden, refp. einen Mifch-Text. X mufs alfo
aus zwei Handfchriften Y (zur Gruppe gehörig) und Z, ab-
gefchrieben fein. L. yermuthet nun — und führt für
feine Vermuthung an einigen Stellen den überzeugenden
Nachweis —, dafs an den meiften Abfchnitten, an denen
X von Y zu Z abweicht, der Text von Y durch Ausfall

ford 1902, p.. 138), dafs der Text verdorben ift und etwa
in ex xmv IeQOOoXvpeixmv zu verbeffern ift u. f. w. Es
handle fich um Handfchriften, die, aus Jerufalem flammend,
fich auf dem Sinai befunden hätten. Ich zweifle, ob diefe

0 Lake ftellt das durch Unterfuchung der Stellen feft, an denen
die Handfchriften vom textus receptus abweichen, da, wie er mit Recht
hervorhebt, Abweichungen der einzelnen Handfchriften zum textus receptus
keiner weiteren Erklärung bedürfen.

2) Ich bemerke dazu, dafs fich die Lifte der Ucbereinftimmung
unferer Gruppe mit dem altfyrifchen Text noch bedeutend verlängern
liefse, wenn wir auch die auffälligen Uebereinftimmungen der fpäteren
fyrifchen Texte und namentlich der armenifchen Ueberfetzung mit unferer
Gruppe in Sonderlesarten (vgl. Lifte F) darauf zurückführen dürften, da
diefe Zeugen hier und da noch den altfyrifchen Text repräfentiren. Auch
theilweife Uebereinftimmungen des altfyrifchen Textes mit unferer Gruppe
(vgl. Lifte F.: Mc. 67 Lc. 922 Joh. 423) hätten mit unter Lifte C aufgenommen
werden können.