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Ausgabe:

1903

Spalte:

161-165

Autor/Hrsg.:

Blass, Fridericus

Titel/Untertitel:

Evangelium secundum Iohannem cum variae lectionis delectu 1903

Rezensent:

Bousset, Wilhelm

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Theologische Literaturzeitung

Herausgegeben von D. Ad. Harnack, Prof. in Berlin, und D. E. Schürer, Prof. in Göttingen.
Jährlich 2(> Nrn. Verlag: J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung, Leipzig. Jährlich 18 Mark.

Nr. 6.

14. März 1903.

28. Jahrgang.

Evangelium secuudum Johannem ed. Blass
(Bouffet).

Lake. Codex I of the Gospels and its allies
[Texts and Studies ed. by Robinson VII, 3]
(Bouffet).

Soltau, Unfere Evangelien, ihre Quellen und

ihr Quellenwert (Bouffet).
Mo eil er, Lehrbuch der Kirchengefchichte,

1. Bd. Die alte Kirche, 2. Aufl. 2. u. 3. Abth.
neubearb. von von Schubert (Loofs).

Schubert, v., Die heutige Auffaffung und Behandlung
der Kirchengefchichte (Derf.).

Crum, Coptic Ostraca (Sethe).

Spahn, Der grofse Kurfürft (Seil).

Goltz, von der, Reifebilder aus dem griechifch-
türkifchen Orient (Kattenbufch).

Raufch, Kirche und Kirchen im Lichte grie-

chifcher Forfchung (Kattenbufch).
Renz, Die Gefchichte des Mefsopferbegriffs,

2. Bd. (Kattenbufch).
Grafs, Gefchichte der Dogmatik in ruffifcher

Darftellung (Kattenbufch).
Blätter zur Pflege perfönlichen Lebens hrsg. von

Johannes Müller, 3. Aufl. (Drews).

Euancjelium secundum lohannem cum variae lectionis de-
lectu edidit Fridericus Blass. Lipsiae MCMII, B. G.
Teubner. (LXIV, in S. gr. 8.) M. 5.60

Nach ahnlichen Grundfätzen wie die Ausgabe des Matthäusevangeliums
ift auch die des Johannesevangeliums von
Blafs angefertigt. Auch hier wird in erfterLinie der Text des
Chryfoftomus zur Verbefferung des gebräuchlichen Textes
herangezogen; daneben tritt als zweiter Kronzeuge gegen
den modernen textus receptns der Schriftfteller Nonnus,

Stelle von dem Recht des kürzeren Textes des Chr.,
wo diefer alleinfteht, habe überzeugen können. Des
öftern entfcheidet hier B. aus dem Grunde zu Gunflen
von Chr., weil in den nach ihm zu ftreichenden Worten
eine grammatifche oder lexikalifche Singularität vorkomme
(318 b um 18 u). Dafs diefer Grund nicht durch-
fchlagend ift, gefleht B. p. LVII felbft ein, wenn er bei
Empfehlung einer ungewöhnlichen Lesart uns verfichert:
,Neque multum refert, quod id in N. T. alibi non exslai;
talia mint cuiag Xeyofikvu offcnsioni esse non debent

der bald nach 400 das Johannesevangelium unter genauem j (vgl. pag. XXIX). Sicher liegt z. B. kein Grund vor

Anfchlufs an feinen Wortlaut in hexametrifche Verfe um-
gegoffen hat. Sehr oft erhält auch hier wieder der syrus
sinaiHcus vor allen anderen Textzeugen den Vorzug. —
Bei der Kritik befchränke ich mich im Wefentlichen auf
die von Blafs in der Einleitung feiner Ausgabe herausgehobenen
Stellen.

Gegen den Gebrauch des Chryfoftomus erheben fich
hier wie dort diefelben fchwerwiegenden Bedenken. Hier
macht uns B. die Kritik noch leichter, da er felbft an einer
Reihe von Stellen eine bodenlofe Willkürlichkeit der
Textbehandlung bei Chr. wenigftens theilweife zugefteht.
So hat m. E. Chr. den Text von Joh. 1934—u ganz willkürlich
durcheinander gewürfelt. Merkwürdig unbeftimmt
urtheilt hier Blafs: Itaque si certus essem, sie revera
legisse Chr. non dubitarem Iianc ipsant loci formam
aeeipere. Puto equidem non temerc illum omnia miscere,
sed fideliter sequi ordinrm, quem reperiebat; at vix pos-
sit id satis dilucide demonstrari. In feiner Ausgabe
giebt B. dann im Grofsen und Ganzen den üblichen Text.
Ich meine, es giebt hier nur ein Entweder-Oder. Entweder
wage man auch hier den Text des Evangeliums nach
Chr. herzuftellen, oder man gebe zu, dafs Chr. feinen
Text fo willkürlich behandelt, oder feinem Commentar
ein fo fingulärer Text zu Grunde liegt, dafs er nur mit
höchfter Vorficht zur Reconftruction des Urtextes zu benutzen
ift.

Auch hier kommen unter den vermeintlichen Varianten
des Chryfoftomus-Textes vor allem Ausladungen
i' Betracht. Sie bilden etwa zwei Drittel der von Blafs
in der Einleitung befprochenen wichtigeren Varianten.
Wieder giebt uns B. felbft die Waffen in die Hand.
Hinfichtlich der gänzlich abweichenden Faffung der Verfe
11 55—57 bei Chr. urtheilt B. felbft: videtur heenter quae-
dam in brevius contraxisse. An einer ganzen Reihe
von Stellen [844 (Schlufs) 101s Iiis 1236 143b 1935
f. o.Yj desavouirt B. entweder ausdrücklich die Kürzung
des Chr. oder folgt nach längerer Erwägung in der Ausgabe
doch fchliefslich dem gebräuchlichen Text. Damit
ift von B. felbft eine Neigung des Chr. zu verkürzen zugestanden
. So wird man auch gegenüber allen übrigen
Kürzungen im Text des Chr. fehr mifstrauifch fein

tbrep xov Xaov (1150 18 u) defshalb zu ftreichen, weil im
Evangelium Xadq nur an diefen Stellen, fonft oyXoq gebraucht
werde. Denn hier bedeutet Xaöq Nation, während
dyXoq den Sinn von Haufen, Maffe hat. Entfchieden nicht
zu vermiffen find 423 die charakteriftifchen Worte bv
jivtvLiaxi xal aXrjOkiq. An anderen Stellen mufs ernstlich
gegen die ,Verbefferung' des Textes nach dem verkürzten
Text des Chr. Verwahrung eingelegt werden.
Für unwefentlich halteich noch die Streichung von eiq xijv
toQxi/v xavxnv 7». Denn keineswegs ist mit der Streichung
diefer Worte der hier vorliegende Anftofs, dafs Jefus
nein fagt und ja thut, gehoben, wie B. dies allerdings
annimmt. Daher glaube ich auch nicht, dafs Chr. hier
tendenziös verändert, fondern nur diefe nach dem sie
xrv ioQXTjv in 8a entbehrliche Wendung ausgelaffen
hat. —■ Dagegen ift durchaus nicht einzufehen, wefshalb
man mit Chr., der in diefem Verfe nachweislich überhaupt
kürzt (f. o.), Joh. 8 14 das akuminöfe (vgl. 841. 42)
hx xov staxQoq vor ötaßoXov ftreichen foll. Denn dafs
bei der Lesart das Mifsverftändnifs von einem Vater
des Teufels entliehen konnte, ift doch kein Grund gegen
ihre Richtigkeit. Endlich verändert B., wenn er 21 n
und 2123 %mq tQXopae auf Grund des noch dazu fich
felbft widerfprechenden Zeugnifses des Chr. (Chr. hat die
Auslaffung nur 2122) streicht, den ganzen Zufammenhang
der Weisfagung. Nach B. foll Petrus den Jünger,
den der Herr lieb hatte, gefragt haben: ovxog de xl, d. h.
foll diefer Dir nicht auch folgen? (vgl. v. 19 äxoXov&ei
uoi) Jefus aber habe geantwortet: Wenn ich will, dafs
er bleibe, was geht es Dich an?(l). Eine Kritik wird
nicht nöthig fein. Um andere Kürzungen will ich nicht
streiten; überzeugt hat mich kein einziger Vorfchlag (vgl.
noch 7 33 8 39 8 ss 13 10. 14 15 1).

Nicht beffer verhält es fich mit einer Reihe von
Umstellungen. Denn es fcheint, als wenn Chr. fich auch
hier grofse Willkürlichkeit in der Behandlung des Textes
zu Schulden kommen läfst. An einer Stelle (92fr.) wird
eine folche Umstellung im Text des Chryfoftomus zuge-
ftanden. An einer zweiten Stelle fchwankt Blafs, ob er
nach Chr. Cap. II V. 55. 57. 56 ordnen foll, giebt aber
fchliefslich in feiner Ausgabe die gewöhnliche Reihen-

müßen. Ich bekenne, dafs ich mich an keiner einzigen folge. Einfach falfch ift die von B. nach Chr. vorge-

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