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Ausgabe:

1903

Spalte:

142-144

Autor/Hrsg.:

Edling, Ernst

Titel/Untertitel:

Priscillianus och den äldre Priscillianismen 1903

Rezensent:

Dierich, ...

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Theologifche Literaturzeitung. 1903. Nr. 5.

B. von Fall zu Fall, ohne fich auf eine zufammenfaffende
Unterfuchung des Werthes und der Zuverläffigkeit diefer
Zeugen einzulaffen. Eine folche Unterfuchung wird aber
erft angefleht werden muffen, ehe man über Einzelheiten mit
gröfserer Sicherheit und ohne den Schein fortgefetzter
Willkürlichkeit zu erwecken, entfcheiden kann. Namentlich
hinfichtlich der Sonderlesarten des Boblncnsis (k),
des syrus sinaiticus, auch des Cod. D find derartige zufammenfaffende
Unterfuchungen in höchftem Mafse noth-
wendig, wie fie für den syrus sinaiticus neuerdings Merx
begonnen hat. Vor der Hand wird fich hier nicht viel
entfcheiden laffen. Ich fürchte fehr, dafs B.'s Verfahren
fich auch hier als ebenfo willkürlich herausftellen dürfte,
wie feine Behandlung des Textzeugnifses des Chryfoftomus.

Sehr oft nähert fich B. in feiner Textconflruction einer
Conjecturalkritik, wie fie neuerdings namentlich von der
holländifchcn Schule vertreten ift. Ich habe in der Theologi-
fchenRundfchau(IV 377) bereits auf einbefondersfchlimmes
Beifpiel eines willkürlichen und durchaus unnöthigen Con-
jecturalverfahrens hingewiefen. Hier ein andres Mt. 316
klammert B. die Worte: ßastxiG&elg 6s 0 'frjGovg svtivg
ävs'ßn astit xov vöaxog ein. Der einzige textkritifche Grund,
den B. beibringt, ifl der, dafs die fyrifchen Zeugen {cureton.
und sinaiticus) hinter ctcplrjoiv avxov beide ein ßajtxio&r/vai,
der cureton. dazu noch xal sßaxxiaO-f] 0 '/. einfügen. Daraus
fchliefst B., dafs syr. cur. wenigftens einen Text vorausfetzte
, in welchem die Taufe Jefu (16a) nicht erwähnt war.
Das heifst doch auf Grund einer ungefchickten Interpolation
eines einzelnen Zeugen, die in der Hauptfache bereits durch
den nächftverwandten Zeugen desavouirt wird, das Zeug-
nifs fämmtlicher anderer Zeugen vergewaltigen! Aber für
B. kommen innere Gründe hinzu. Die Taufflimme bei Mt
lautet ovxog eöxiv o viog (iov xxl. Alfo kann Jefus im
Vorhergehenden nicht der Hörende und der Sehende fein.
Alfo mufs Mt 16a fallen. Dann ifl alles in Ordnung.
Aufserdem verweiflB. auf das ungefchickte tvO-vg, das hier
überdies ftatt des bei Mt gebräuchlichen iv9-ta>g fleht, und
auf die Hervorhebung eines nebenfächlichen Zuges im
Hauptfatz {avtßrj). — Die heutzutage herrfchende fynop-
tifche Kritik löfl die hier vorliegende Schwierigkeit fehr
einfach. Sie fieht in Mt den fecundären Schriftfteller, der
gerade an diefer Stelle, auch da, wo er von Mrc. abweicht,
in den Unebenheiten feiner Darfteilung feine Abhängigkeit
von Mrc verräth. So erklärt fich der Widerfpruch im
Subject in der Tauferzählung und der Taufflimme, fo die ungefchickte
Stellung des evfrvg. Diefe Kritik erfcheint B.
nun im Allgemeinen als der Gipfel der Willkür. Sie operirt
nach ihm mit den Texten unferer Synoptiker, ohne ihre
kritifche Sicherheit erprobt zu haben. Wo liegt nun aber
die gröfsere Willkür? Bei der ,Kritik', die den Matthäustext
fo nimmt, wie er in der faft einftimmigen Ueberliefer-
ung vorliegt, und darauf ihren Schlufs, — Abhängigkeit
des Mt von Mrc, — aufbaut? Oder bei Blafs, der den Matthäustext
willkürlich zurechtfehneidet und dabei zu der
Annahme kommt, dafs Mt den wichtigften Vorgang der
ganzen Erzählung, die Taufe Jefu, nur durch das d(p'ir]GiV
cc&xöv angedeutet habe?

Neftle, der bereits in feiner Einführung in das griechi-
fche NeueTeflament den Hypothefen B.'s auf dem Gebiet
der neuteftamentlichen Textkritik eine m. E. zu grofse
Bedeutung beigemeffen hat, bringt in einer Beilage zur
dritten Ausgabe feines Novum Tcstamcntum ein Verzeich-
nifs der fämmtlichen Abweichungen des neuen, von B.
edirten Matthäustextes. Ich glaube, dafs die weitaus meiften
Vorfchläge B.'s zur Verbefferung des Matthäustextes fo
ungenügend fundirt find, dafs fie in die Textausgabe der
württembergifchen Bibelanftalt — auch als Appendix —
fo wenig hineingehören, wie etwa die meiften der con-
jecturalkritifchen Einfälle der holländifchen Schule.

Dagegen foll zum Schluffe noch betont werden, dafs
der von B. feiner Matthäusausgabe beigegebene textkritifche
Apparat den gröfsten Dank aller textkritifchen
Forfcher verdient. Mit grofser Umficht ift hier — noch

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über Tifchendorfs octava hinaus — unter Beifeitelaffung
des unwichtigen das wirklich werthvolle und von jedem
Textkritiker zu beachtende Material unter Berückfich-
tigung der neuen und neueflen Arbeiten gefammelt. So
lange wir eine den neueflen Anforderungen entfprechendc,
umfaffende Sammlung diefes Materials nicht befitzen, wird
Blafs neben Tifchendorfs octava unentbehrlich fein.

Göttingen. Bouffet.

Edling, Ernft, Priscillianus och den äldre Priscillianismen. I.

Akademisk Afhandling. Upsala 1902, Almqvist & Wikseil
. (XIII, 251 S. gr. 8.)

E. fleht feiner Arbeit ein gutes Literatur-und Quellen-
verzeichnifs voran, nur nennt er darin fowie in der ganzen
Abhandlung den Verfaffer der Gefch. d. deutfeh. Kirchenrechts
Loenig ftatt Loening, den Kaifernamen Valen-
tian ftatt Valentinian (S.X,40^,42,47, 150bis, 160,162)
Sein quellenkritifcher Standpunkt ift: Pr. ift Hauptquelle,
mufs jedoch, weil einfeitig, durch Sulpicius Severus ergänzt
werden. Der ftrebt nach Objectivität, ift aber mehrfach
einer Tradition erlegen, die durch Hydatius und Ithacius
gefchaffen worden ift. Diefes Urtheil wird erft fpäter
aus den Quellen näher begründet, ift alfo hier verfrüht.
Der Eklekticismus im Gebrauch der Quellen rächt fich.
Die folgende Darfteilung der Gefchichte Pr.'s legt auf
Sulp. Sev. immer noch zuviel Gewicht, fo in der Behandlung
der F"rage nach Pr.'s ,Lehrer' Markus. Im
Gegenfatz zu Hieronymus, vir. 111. 121 foll darunter
nicht der Gnoftiker des 2., fondern ein Asket des
4. Jhs. zu verliehen fein, der etwa 360—370 in Spanien
wirkte. Der Priscillianismus felbft ift alfo eine asketifche
Bewegung, die dem Mönchthum bald gleichartig, bald
verwandt genannt wird. Martin von Tours foll darum
gewufst haben, was mir jedoch Sulp. Sev. auszufchliefsen
fcheint. Aber die Bewegung war nicht fcharf gegen die
Härefie abgegrenzt. Pr., zum minderten der .ältere' Priscillianismus
gebrauchten vermuthlich häretifche Apokryphen
, die memoria ApostoL, die acta Ioann., Audrcac,
lliomae. So neigt fich denn fchliefslich Pr. in feiner
Lehre von Gott zum Pantheismus und Patripaffianismus
hin; in feiner Kosmologie correct, fieht er doch die eben
erft gefchaffene Welt als einen Kampfplatz für den Men-
fchen an. Allein eine Darftellung der Lehre Pr.'s, wie
fie hier gegeben wird, erweckt Bedenken. Pr. wird vergewaltigt
, wenn man aus Predigten mit rein praktifcher
Tendenz, wie den feinen, ein Syftem erhebt und es
nach dem üblichen Schema der Dogmatik abhandelt.
Die fchrofife Scheidung übrigens zwifchen ,älterem' und
jüngerem' Priscillianismus wird im vorliegenden Bande
nirgends begründet, enthält alfo eine petitio prineipii.
Sie wird fich auch fchwer beweifen laffen. Dem wider-
fteht die Befchaffenheit der Quellen. Ich möchte fchon
jetzt vor Verwendung der cc. Brac. 563 warnen, da fie
gröfstentheils wörtlich aus Leo's d. Gr. Briefe an Turribius
abgefchrieben find.

E. hat wenig felbrtrtändig gearbeitet. Seine Vorbilder
find für den Eingeweihten auch da deutlich erkennbar, wo
fie nicht genannt werden. Wenn fich aber der Verf. den
Anfchein giebt, als müfste er erft beweifen, was vor ihm
längt! bewiefen ift, und wenn er das obendrein mit den-
felben oder mit nicht befferen Gründen thut, fo ift ein
folches Verfahren gewifs nicht fchön. Als Beifpiele
feien angeführt feine Erörterung über die Abfaffungs-
zeit der trr. Pr.'s S. 62 ff. —, von 34 Belegen find 26 Pa-
rets Buche .Priscillianus' entnommen, — ferner die Ausführungen
über die cc. Caesaraug. 380 S. 130ff., über
die Abfaffung des tr. I im J. 384 S. 182 ff.; fie gefchehen
im engen Anfchlufs an meine Differtation ,Die Quellen
zur Gefch. Pr.'s'.

Doch es kommt noch fchlimmer. E. zeigt fich fchon
in feiner Einleitung und Literaturüberlicht (Cap. I) aufser