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Ausgabe:

1903 Nr. 3

Spalte:

134-137

Autor/Hrsg.:

Gregory, Caspar René

Titel/Untertitel:

Textkritik des neuen Testamentes. Zweiter Band: Die Übersetzungen. Die Schriftsteller. Geschichte der Kritik 1903

Rezensent:

Bousset, Wilhelm

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133

Theologifche Literaturzeitung. 1903. Nr. 3.

134

1) Ich halte wegen der Parallelen 451 6013 C|ÖKX b für die
richtige LA, wodurch der Inf. mit b deutlich den E. zum Subject erhalt.

die Tempora fcheinen mir nicht bedenklich. Der für's
Exil zu wenig belegte Seelforger fchiede damit fo ziemlich
aus. — Den .Berferker' von 50 t—9 (Soldaten auf f.
Porten!) finde ich eingetragen. — Von metrifchen Argu-
menten macht G. m. E. einen zu weit gehenden kritifchen
Gebrauch. — An bemerkenswerthen Conjecturen nenne

ich: 50.1 qyT; 5211 nn»a, 53» inoa; 5310 ftatt 15521

IjpiliTl; DttJSth (fubj. l»S3)VS3ii für baya baria (Smend);
für my-n iriay*l (©85). 12 b ftreicht G.: yis&i widerfpricht
504—<j. -— Einen befonderen Dank fcheint mir G. noch
darum zu verdienen, dafs er dem enthufiaftifchen Dtj.
nicht nach den uns vorliegenden Stücken israelitifcher
Literatur nachrechnet, welche Betrachtungsweifen er auf
Israel und feine Situation allein anwenden durfte.
Glücklicherweife ift die Gefchichte eines Volkes und der
Geift feiner grofsen Männer reicher an Beleuchtungen und
Blicken, als die kümmerlichen Rerte tendenziös ver-
fchnittener Literatur und die Schemata pedantifcher
Exegeten. Freuen wir uns, dafs uns in dem ganzen als
E.-J. perfonificirten Israel ein folches Stück ,deuteronomin-
freier' grofser Gefchichtsbetrachtung erhalten ift!1)

Simmern (FL). Alfred Zilleffen.

energtfchen Durchfuhrung der Perfonification und dem vom E. felbft gefagt fein. V. 2 redet dann von Schwäche
Nachweis der innigen Verbundenheit der E.-J.-Stücke mit | und Verzagtheit des E. (cf. AI- Kinn b« Virv-iViAi. o„„n
Dtj. in literarifcher, inhaltlicher, ftiliftifcher, fprachlicher -t,„;_ IL' l^u. u-j-"'.i:Lu TAL *7°_

Hinficht (die feine Bemerkung über den charakteriftifchen
Wechfel des Subjects d. 200). Schliefslich drängt fich
doch immer wieder die Frage zwingend auf: ift im Buch
der Ebed = Israel, foll er's dann in den fo eng mit dem
Buch verwandten Stücken nicht fein? — Ihre Haupt-
fchwierigkeit liegt darin, dafs dem E. bekanntlich an
einigen Stellen eine Wirkfamkeit an Israel zugefchrieben
wird — worin die Gegner der ,collectiven' Auffaffung,
um es kurz und derb zu fagen, eine barocke Münch-
haufeniade finden. G. hat, von dem ftarken Eindruck
ausgehend: ,Der E. wird von vornherein den Heiden gegenüber
geftellt und nurmit diefen hat er's zu thun', diefeKlippe
durch Correcturen und andere Exegefe umgangen. In 49.-,. i
ftreicht er 11535 npyi 22105 1 pDSi (sie) 15 5551011 und
123> 15 pmino in 50 10. n als Einfchübe eines ,indi-
vidualiftifchen' Gloffators; in 53» wird (mit Recht) iüJ>
durch die LA yjii EPOSO befeitigt; in 42 7 macht er
jahveh zum Subject der Inf. mit 5 und entgeht der
Noth des sy ni"l2 durch feine Deutung. Aber felbft
letztere angenommen, liegt nicht darin doch ein Beruf
des E. an Israel angedeutet, den die Inf. mit 5 darlegen
? Entfcheidend aber fcheint mir 49 5. 8. Trotz
allen Unebenheiten halte ich die Streichungen, vor
allem die des fo ganz dtj. Sätzchens V. 5 für zu bedenklich
, und hier läfst G. felbft den E. als Subject der
Inf. zu. Dann aber ift er's auch 42 7. Da hätten wir
alfo die fchönfte Münchhaufeniade!? Oder aber —
und auf diefe Löfung komme ich im Anfchlufs an
Wellhaufen (cf. G. 113 f.) immer wieder: was wir nur
als eine blaffe, logifche Doppelheit (G. 166) empfinden,
ift dem Orientalen, wenigftens Dtj. (cf. 50-iff.), eine
lebensvolle poetifche Differenzirung: Israel sub specie
dei (s. v. v.) — das bekehrungsbedürftige Object der An-
fangsthätigkeit des E., Israel sub specie mundi (s. v. vi) —
die allgemein-deuterojef. Parallele zu dem fpeciellen
Ebed der E.-J.-Stücke. Ift eine folche Trennung poetifch
möglich, dann behält auch Wellhaufen Recht damit, dafs
fie einen auffallenden Grad tieffinniger Meditation bekunde
, die allerdings durch die gefchichtliche Entwicklung
geleitet wurde (cf. G. 120!). Damit wird auch
die fcharffinnige Löfung z. Th. überflüffig, die G. der für
ihn bleibenden Schwierigkeit giebt, ,dafs der E. einerfeits
als noch nicht in Thäligkeit getreten, andererfeits als
einer erfolglofen Wirkfamkeit gegenüberftehend bezeichnet
wird'.

Ich glaube bei der Art Dtj.'s und dem Zuftand feiner
Schrift überhaupt nicht an eine reinliche Löfung vieler
drückender Probleme. Jeder Verfuch, eine einheitliche
Deutung lückenlos durchzuführen, führt zu Gewaltfam-
keiten, die die Deutung felbft wieder gefährden. M. E.
dürfte die wachlende ,Minorität', Wellhaufen's Sätze als
Programm aufnehmend, fich im Uebrigen nochmaliger genauer
Unterfuchung der Einzelprobleme widmen, ohne
dabei gleich auf's Ganze zu fchielen (ein trefflicher Anfang
in G.'s feiner, wenn auch jetzt revifionsbedür ftiger Studie:
Das Alte und das Neue). Dafs felbft LXX, die fich im
Jef. mit Recht keines grofsen Dankes erfreut, noch allerlei
abwerfen kann, glaube ich in m. Bern. ZAW XXII
gezeigt zu haben.

Es erübrigen noch einige Einzelheiten. Mit Recht
betont G. die Perfonification des Propheten. Aber ift
nicht an Sellin's ,König' doch das richtig gefehen, dafs
diefe Perfon faft uberall eine religiös-politifche Wirkfamkeit
ausübt? Der Seelforger fcheint mir zu ftark betont
. Ja ich komme (cf. den Excurs über Cornill 20ff)
nicht von dem Eindrucke los (cf. 461.2), als muffe (unter
Aenderung der Verba in 423 a) das "i fßp und "2 nnOB

Gregory, Caspar Rene, Textkritik des Neuen Testamentes.

Zweiter Band: Die Ueberfetzungen. Die Schriftfteller.
Gefchichte der Kritik. Leipzig 1902, J, C. Hinrichs'fche
Buchh. (S. VII—X u. 479—993. gr. 8.) M. 12.—

Im zweiten Bande feines zufammenfaffenden Werkes
behandelt Gregory zunächft die Ueberfetzungen und die
kirchlichen Schriftfteller. Zum Schlufs diefes Abfchnittes
(III) giebt er eine nach Jahrhunderten und Ländern geordnete
Lifte von Zeugen. In einem vierten Abfchnitte
giebt er dann die Gefchichte der Kritik, zunächft Einiges
über die äufsere Form des Textes, dann die Gefchichte
des Textes und feiner Ausgaben, fowie der Grundfätze,
nach denen diefe angefertigt find.

Neue Arbeit ift im Grofsen und Ganzen wenig geboten.
Die Lifte der Vulgata-Handfchriften ift um etwa 140
Nummern (S. 722 fr.) vermehrt. Die eben erwähnte Lifte
der Zeugen ift nicht nur nach Jahrhunderten wie Prole-
gomena III I233ff., fondern auch nach Ländern geordnet,
wobei zu bemerken, dafs nunmehr endlich auch bei Gregory
die Handfchriften Bit als ägyptifche erfcheinen
(vgl. meine Ree. ThLZ 1901, Sp. 545J. Im Abfchnitt IV1
ift eine Ausfuhrung überTnterpunction eingefügt 895—906.
Im Uebrigen find natürlich an zahlreichen Stellen kleinere
Nachträge gemacht, und die neuere Literatur verzeichnet.

Leider find diefe Nachträge nicht mit derjenigen Sorgfalt
gearbeitet, die früher den Verfaffer der Prolegovwna
auszeichneten. Vielfach ift namentlich die Anlehnung an
das ältere Werk eine rein mechanifche, auch da, wo man
eine gründliche Umarbeitung hätte erwarten follen. Ein
befonders fchlimmes Beifpiel ift die Behandlung der Eu-
thaliusfrage. Hier ift die Weiterarbeit eine befonders rege
gewefen, und man hätte wohl erwarten dürfen, dafs G. hier
Gelegenheit genommen hätte, wenigftens das von ihm 1884
gebotene Material nach feiner rein thatfächlichen Seite
bedeutend zu erweitern und überfichtlicher darzuftellen.
Wir finden in dem betreffenden Abfchnitt an neuer Arbeit
nur eine, zwar hinreichend vollftändige, aber recht unüber-
fichtliche Darfteilung der feitdem geleifteten neueren For-
fchungen (872—874), und dann bietet uns G. (874—879) eine
beinahe wörtliche Ueberfetzung feiner Prolegomena aus
dem Lateinifchen ins Deutfche! So findet fich denn hier.

l) Treffend ift auch die Bemerkung zu 507 (S. 56): ,lft es auch
vielfach nicht fo gewefen, wie es hier befchrieben wird, fo follte es
doch jedenfalls fo fein, und ein Dichter hat das Recht, wenn er mit
einem Idealbilde etwas fagen will und kann, ein folches vor uns hinzu-
ftellen.' Das gilt auch — mutatis mutandis — vom Ganzen.