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Ausgabe:

1903 Nr. 3

Spalte:

72-77

Autor/Hrsg.:

Peters, Norbert

Titel/Untertitel:

Der jüngst wiederaufgefundene hebräische Text des Buches Ecclesiasticus 1903

Rezensent:

Smend, Rudolf

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Theologifche Literaturzeitung. 1903. Nr. 3.

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deutung des Kopten überfchätzt hat. Von den 16 Stellen,
an denen er in der vorliegenden Schrift (S. 60) dem Kopten
für c. 39—49 die allein richtige Lesart vindicirte, beftehen
fehr wenige die Probe. Das von ihm verworfene iv stiGxEi
4116 ift kein alter Fehler für iv stavxi (= Kopte), fondern
= nüN3; vgl. 42 l. s, wo Gr. es mit aXrj&ivmg überfetzt.
Uebrigens fteht iv stavxi auch in cod. 70. 41 11 ift die
Lesart des Sca noch beffer als die des Kopten und 42 15
ftimmt er ungefähr mit jenem. Als wirklich ftngulär
und gut kommt von den 16 Stellen eigentlich nur in
Frage 45 26, wo der Kopte vermuthlich yEVEctg yEvecöv
für yEV. aixcbv las. Trotzdem hat der fahidifche Text
erheblichen Werth. Singuläre und gute Lesarten bietet
er zu 31. 98. 1420. 23 18. 3312. 341.4. 4417. 453. Ich habe
die betreffenden Varianten oben aufgeführt. Man vgl.
ferner Ii (ßa&og dßvGGov), 7» (ort xXrv avxmv ovx dv
EyEvnd-rjg), 89 (ot für xal yäg), 444 (Xamv für Xaov 1 °).
Danach ift der koptifche Text namentlich für diejenigen
Abfchnitte, für die der Hebräer fehlt, einer wiederholten
Erforfchung wohl werth. Unter Benutzung des gefammten
kritifchen Materials würde fie fchwerlich erfolglos fein.
Inzwifchen gebührt Peters Dank für feine fleifsige und
nützliche Arbeit.

Göttingen. R. Smend.

Herkenne, D. Henr., De veteris latinae ecclesiastici capitibus

I—XLIII. Una cum notis ex eiusdem libri translationi-
bus Aethiopica, Armeniaca, Copticis, Latina altera,
Syro-Hexaplari depromptis. Leipzig 1899, J. C. Hinrichs'
fche Buchhandlung. (VII, 268 S. gr. 8.) M. 7.-

Die altlateinifche Ueberfetzung des Sirach ift ohne
Zweifel einer der wichtigften Zeugen für den griechifchen,
daneben aber auch für den hebräifchen Text. Sie geht
nämlich nicht nur auf die Ueberfetzung des Enkels zurück,
fondern zugleich auf eine zweite griechifche Ueberfetzung,
die auf einem jüngeren, vielfach erweiterten, an manchen
Stellen aber auch befferen, hebräifchen Text beruht. Diefe
zweite griechifche Ueberfetzung war dabei freilich wohl
nur eine Bearbeitung der erften. Der uns vorliegende
Text des Lateiners ift fehr fehlerhaft, übrigens ift er kein
einheitliches Werk. Er wimmelt von doppelten und gelegentlich
dreifachen Ueberfetzungen derfelben Worte
und Verfe, die deutlich auf verfchiedene lateinifche Ueber-
fetzer zurückgehen und die vielfach die ältere und die
jüngere griechifche Ueberfetzung, zuweilen aber auch blofs
griechifche Varianten wiedergeben, die fich grofsentheils
in unferen griechifchen Hff. noch finden. Den urfprüng-
lichen Text des Lateiners völlig wiederherzuftellen wird
kaum möglich fein. Die bis jetzt bekannten Handfchriften
tragen nicht allzu viel dafür aus. Ob die von Thielmann
neu gefundenen fpanifchen Hff. in diefer Beziehung viel
mehr bieten, mufs die von ihm angekündigte Ausgabe zeigen.
In der Hauptfache wird man aber wohl auf die höhere
Textkritik angewiefen fein, zu der Thielmann den Anfang
gemacht hat und für die auch diefe Erftlingsarbeit Her-
kenne's von nicht unerheblichem Werthe ift.

Zur Kritik des Lateiners zieht er aufser dem Griechen,
Syrer und Hebräer auf Grund eigener Sprachkenntnifs
die armenifche, die äthiopifche und die koptifchen Ver-
fionen heran. Für die letzteren benutzt er auch den
boheirifchen Text Bouriant's [Recueil Vol. VII. Paris
1886) und die fahidifchen Fragmente der Berliner Bibliothek
. Uebrigens hat er viele Citate aus den griechifchen
und lateinifchen Vätern gefammelt. Im Wefentlichen hat
er fich darauf befchränkt, auf Grund diefes Materials den
Lateiner zu gloffiren, wobei ihn die Emendation des Textes
fehr oft zum Rückgang auf den Griechen und den Hebräer
nöthigte. Leider reichen die Gloffen nur bis zum Schlufs
des43.Capitels, ungern vermifstman auch eine eingehendere
Charakteriftik des Lateiners, die in der Hauptfache auch
jetzt fchon gegeben werden könnte. Vermuthlich haben

die Druckkoften dem Verf. hier unliebfame Grenzen gezogen
. Mit Recht behauptet er aber, dafs der Ueberfetzer
fich keineswegs mit der Freiheit bewegt hat, die man ihm
meiftens zufchreibt. Viele feiner Abweichungen und Zu-
fätze laffen fich griechifch belegen, namentlich auch durch
die Loci communes des Maximus Confessor und des Antonius
Melissa (Migne, Patrol. Gr. Tomm. 91. 136).

Vielfach bin ich durch die Nachweife und die Argumentation
des Verfaffers belehrt. Anderswo find ihm
Einzelheiten entgangen und noch öfter mufs ich feinen
Schlüffen widerfprechen. 1.29. 30 fteht dem Griechifchen
iv xolgyEiXtGi Gov stgoGEys. (irj i^vtpov GEavxov gegenüber:
,et nou scandalizeris in labiis tuis. attende in Ulis1. Dahinter
ftecken nicht, wie Herkenne meint, verfchiedene
hebräifche Lesarten, vielmehr war in der Vorlage des
Lateiners GxavöaXiO&rjGsxai iv avxolg aus 23.8 (vgl. v. 7)
eingedrungen, worüber ftrj igvyjov Geavxöv verloren gegangen
war. — 2, 9 ift veniet nach alcövog xai Fehler für
aevi et, wonach vobis zu ftreichen und misericordiam zu
fchreiben ift. ■— 3, 27 geht cor nequam, das Lat. für xagöia
GxXtjgd hat, auf xagöia jcovrjgd bei Antonius Melissa (a. a.
O. S. 165) zurück. — Zu deus prospector (al. conspector)
3, 31 ift zu vergleichen 7,1. 36,22 Lat. — 4,7 erfcheinen die
Varianten animam tuam und caput tuum auch im fyrifchen
Text, wo der gewöhnlichen Lesart 7©1 im Cod. Ambrof.
7©S3 gegenüberfteht. — 11,3 ift ist iödcpovg nach Lat.
Syr. (jetzt auch Hebr.) zu ändern in isti öicpgov (vgl. 38, 33).

Dafs die Abweichungen des Lateiners vom Griechen
(durch Vermittelung der zweiten griechifchen Ueberfetzung)
in vielen Fällen auf verfchiedenen hebräifchen Text zurückgehen
, leidet keinen Zweifel. Aber Herkenne greift oft
ohne Noth zu diefer Erklärung und fehr oft find dabei
feine Retroverfionsverfuche mifsglückt. Das hat inzwifchen
an vielen diefer Stellen der Urtext gelehrt, der zur Zeit,
wo Herkenne fchrieb, nur für C. 39—49 publicirt war.
Aber an anderen Stellen braucht er fich feiner Retrover-
fion auch jetzt nicht zu fchämen. Zu 10, 12 hat er z. B.
damit Recht behalten, dafs er zum hebräifchen Aequivalent
von dgyji vstEgqmaviag als Prädicat ein BIS mit entfprechen-
dem Attribut poftulirte.

Mit Unrecht leugnet er übrigens, dafs die fpätere
lateinifche Ueberfetzung, von der C. Douais (itne ancienne
Version latine de IEcclesiastique Paris 1895) ein Fragment
entdeckt hat, unter Benutzung unferes Lateiners gemacht
fei. Es ift felbftverftändlich, dafs der fpätere Ueberfetzer
den älteren kannte, dann aber auch, dafs er ihn benutzte, was
übrigens die vielfache wörtliche Uebereinftimmung beweift.

Die biblifche Wiffenfchaft darf vom Verf. noch
manchen nützlichen Beitrag erwarten.

Göttingen. R. Smend.

Peters, Dr. theol. Norbert, Der jüngst wiederaufgefundene
hebräische Text des Buches Ecclesiasticus unterfucht, herausgegeben
und mit kritifchen Noten verfehen. Freiburg
i. B. 1092, Herder. (XVI, 92 u. 448 S. gr. 8.)

M. 10.—

Der Verf. giebt auf S. 319—434 einen emendirten Text
der hebräifchen Fragmente mit deutfeher Ueberfetzung,
dem S. 1—318 ein Commentar vorausgeht. Eingeleitet
ift das Ganze durch Prolegomena (S. 1*—92*), in denen

j der Verf. den hebräifchen Text, die griechifche und die
fyrifche Ueberfetzung nebft den Afterüberfetzungen behandelt
und die von ihm befolgte textkritifche Methode
darlegt. Aufserdem giebt er (S. VII—XI) ein Literatur-
verzeichnifs und am Schlufse (S.435—448) Indices, namentlich
einen hebräifchen.

Ohne Zweifel hat der Verf. mit diefer Arbeit das Ver-
ftändnifs des Sirach nicht unwefentlich gefördert. Mit ehr-

, lichem Fleifs und lebhaftem fachlichen Intereffe verbindet
er ein nüchtern verftändiges Urtheil, das er in feinem

j Commentar auch überall knapp zu präcifiren weifs. Gern