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Ausgabe:

1903 Nr. 26

Spalte:

715-717

Autor/Hrsg.:

Mentz, Georg

Titel/Untertitel:

Johann Friedrich der Grossmütige.(Beiträge zur neueren Geschichte Thüringens. Band I.) 1903

Rezensent:

Virck, H.

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Theologifche Literaturzeitung. 1903. Nr. 26.

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Speirer Capitel über den Bifchof Georg zu Gericht fitzt.
Sehr beachtenswerth ift der Nachweis der Ueberzahl der
Predigten. Die Bemerkung gegen Kolde S. 82 Anm.
kann fich höchftens auf ftädtifche Verhältnifse beziehen.
Auf dem platten Land kann die Predigt nicht ein inte-
grirender Beftandtheil des Gottesdienftes gewefen fein.
Dazu war die nöthige Bildung nicht vorhanden. Das
beweifen die Vifitationsberichte wenigflens für Süddeutfch-
land. Das Urtheil über den Bifchof Johann V. Turzo
erfährt durch Meyer eine wohlbegründete Modification.
Es ift fchlechterdings unbegründet, in ihm einen Vorarbeiter
der Reformation und einen Freund der Reformatoren
zu fehen.

Wünfchenswerth wäre, wenn ein jüngerer Gelehrter
das reiche von Meyer dargebotene Material über die
Streitfragen zwifchen Geiftlichen und Weltlichen und die
Niederlage der Kirche im Kolowrat'fchen Vertrag 1504,
wie die vom Ref. in den oben genannten Beiträgen zur
bad. pfälzifchen Reformationsgefchichte und in der Abhandlung
über die Reformation von Creglingen (Publ. des
hift. V. f. württb. Franken 1903) gegebenen Nachweife
verfolgen würde, um die Anfätze zu einem Staatskirchenrecht
durch ganz Deutfchland zu verfolgen, damit wir
verftehen, wie die Staatskirche der Reformation nicht
plötzlich wie Athene aus dem Haupte Jupiters ent-
fprungen ift.

Nabern. G. Boffert.

Mentz, Prof. Dr. Georg, Johann Friedrich der Grossmütige

1503—1554. Erfter Teil. Johann Friedrich bis zu
feinem Regierungsantritt, 1503—1532. Feftfchrift zum
400jährigen Geburtstage des Kurfürften, namens des
Vereins für Thüringifche Gefchichte und Altertumskunde
herausgegeben von der thüringifchen hiftorifchen
Kommiffion. Mit dem Bildnis Johann Friedrichs als
Bräutigam. (Beiträge zur neueren Gefchichte Thüringens
. Band I.) Jena 1903, G. Fifcher. (XII, 142 S.
gr. 8.) M. 3.60

Ueber der Pflege der Erinnerung an die Zeit unferer
claffifchen Dichter war im Grofsherzogthum Weimar die
Förderung der Studien über die Zeit der Reformation
lange Zeit nur allzufehr in den Hintergrund getreten.
Während wir über die Gefchichte Philipps v. Heffen oder
Ulrichs v. Württemberg fchon feit lange z. Th. ausgezeichnete
, auf gründlichen Studien beruhende Arbeiten
befafsen, während die Stadt Strafsburg beträchtliche
Summen auswarf, um in einer Reihe ftattlicher Bände
die Polit. Correfp. der Stadt im 16. Jahrh. zu veröffentlichen
, und man in Dresden daran ging, die Gefchichte
Moritz' v. Sachfen und Herzog Georgs auf Grund neuer
Quellenforfchung von berufener Hand fchreiben zu laffen,
befchränkte fich bis vor Kurzem alles, was von Weimar
aus für die Gefchichte der drei Kurfürften aus der Reformationszeit
gefchah, faft allein auf die Arbeiten des verdienten
Vorftehers des Erneftinifchen Gefammtarchivs,
deffen wichtigfte Schriften über diefen Zeitraum aber
fchon vor mehr als 20 Jahren erfchienen find. Um fo
erfreulicher ift es unter diefen Umftänden, dafs die 400.
Wiederkehr des Geburtstages Johann Friedrichs die
Thüringer hift. Commiffion beftimmte, die Bearbeitung
der Gefchichte Johann Friedrichs des Grofsmüthigen in
Angriff zu nehmen. Dies hat dann auch den oben genannten
Verfaffer zur Abfaffung der vorliegenden Schrift
veranlafst. Sie behandelt leider nur den erften und dazu
den unbedeutendften Abfchnitt aus dem Leben Johann
Friedrichs, da die Erzählung nur bis zum Antritt der
Regierung Johann Friedrichs führt. Einen gröfseren Theil
des Lebens zu fchildern verbot die Kürze der Zeit, die
dem Verfaffer für feine Arbeit zur Verfügung ftand. So
fehr das zu bedauern ift, fo muffen wir doch dem Verf.

für das von ihm gebotene dankbar fein. Denn indem
er das bis dahin gedruckte weit zerftreute Material zu-
fammenfafste und durch eingehende Forfchung hauptfächlich
in dem Weimarer und Dresdener Archiv ergänzte,
hat er es verftanden, uns ein, foweit es möglich war,
deutliches Bild von dem Leben Johann Friedrichs in dem
angegebenen Zeitraum zu entwerfen, das die früher
darüber herrfchenden Anfchauungen in vieler Hinficht
ergänzt und berichtigt. Das tritt fchon in dem 1. Capitel
hervor, das über die Jugend, Erziehung und Vermählung
Johann Friedrichs handelt. Das Refultat der wiffenfchaftlichen
Erziehung Johann Friedrichs zeigt fich hauptfächlich
in feinem lebhaften wiffenfchaftlichen Intereffe, das
fich befonders in feiner Liebhaberei für Bücher kund-
giebt. Das gröfste Vergnügen bereitete ihm die Be-
fchäftigung mit der Theologie und Gefchichte. Schwerer
ift es, über die wiffenfchaftlichen Kenntnifse Johann Friedrichs
zu urtheilen. Mentz meint, von dem erlernten Latein
und Franzöfifch habe er fpäter wohl nur wenig Gebrauch
gemacht. Seine vielen deutfchen Briefe und Denkfchriften
aber feien zwar etwas umftändlich, aber im Ganzen gut
und klar gefchrieben. — Nicht unwichtig für die Beur-
theilung von Johann Friedrichs Charakter ift die Thatfache,
dafs der auf den Bildern aus fpäteren Jahren fo fchwer-
fällig erfcheinende Herr in feiner Jugend ein unermüdlicher
und dabei höchft gewandter und gefürchteter Turnierheld
war. Von 1531—34 hat Johann Friedrich an nicht weniger
als 146 Turnieren theilgenommen. — Das 2. Cap. unterrichtet
uns über Johann Friedrichs Stellung zur Reformation.
Schon a. 1519 läfst fich ein lebhaftes Intereffe des Kurprinzen
für Luther nachweifen, und 1521 gilt er am Hof
als deffen eifrigfter Vertheidiger. Mehr und mehr wird
er dann der Mittelpunkt eines ftreng lutherifchen Kreifes
und ift eifrig beftrebt, Luther neue Anhänger zu gewinnen
. Während der widertäuferifchen Bewegung, der
auch fein Vater nicht ganz abgeneigt war, vertritt Johann
Friedrich mit dem Kanzler Brück den gefunden Menfchen-
verftand. Um der Bewegung entgegenzuwirken, wünfchte
er eine Kirchenvifitation ins Werk gefetzt zu fehen, ein
Gedanke, der fomit von ihm zuerft ausgefprochen ift.
Die mancherlei Mafsregeln, die damals gegen die
Schwärmer ergriffen wurden, gehen, wie Mentz meint, in
der Hauptfache auf Johann Friedrich zurück. In dem Streit
zwifchen Zwingli und Luther ftand er natürlich auf des
letzteren Seite; indefs hatte er von der Gröfse des Gegen-
fatzes keine deutliche Vorftellung. — In dem letzten
Cap., das über Johann Friedrichs Thätigkeit bis zum Nürnberger
Anftand handelt, tritt befonders Johann Friedrichs
Thätigkeit in der Wahlfrage hervor. Die von Kurfachfen
hierin eingenommene Haltung ift im Wefentlichen von
dem Kurprinzen beftimmt worden. Gröfseren Antheil
hatte er auch an den Verhandlungen über die Pack'fche
Angelegenheit. Er galt damals für befonders kriegerifch;
indefs hat er doch nach Möglichkeit den unbedachten
Eifer des Landgrafen zu mäfsigen gefucht. Bei den
Verhandlungen über ein zwifchen denevangelifchen Fürften
abzufchliefsendes Bündnifs fehen wir Johann Friedrich zu-
nächft wenig thätig. Erft feit dem Jahre 1529 tritt er mehr
dabei hervor. Bemerkenswerth ift, dafs ein von ihm
wahrfcheinlich im Mai 1529 ausgearbeiteter Entwurf zu
einem evang. Bunde auch die Theilnahme der Schweizer
vorfieht. Vom Jahre 1531 an laufen dann die Fäden der Säch-
fifchen Politik allmählich in den Händen Johann Friedrichs
zufammen. Er vertritt den Vater a. 1530 auf dem
Cölner Wahltag und 1532 in Schweinfurt und Nürnberg.
Trotzdem ift es fchwer, die per fönliche Stellung Johann
Friedrichs in den zur Verhandlung flehenden Fragen im
Einzelnen genau feftzuftellen, da er fich ja an die In-
ftruction feines Vaters gebunden fah. Man kann es daher
nur gutheifsen, wenn Mentz fich in der Beurtheilung der
politifchenThätigkeit Johann Friedrichs fehr vorfichtig ausdrückt
. Immerhin ift das Gefammturtheil, das er über
Johann Friedrich im Beginn feiner Regierung fällt, nicht un-