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Ausgabe:

1903 Nr. 25

Spalte:

687-688

Autor/Hrsg.:

Puech, Aimé

Titel/Untertitel:

Recherches sur le Discours aux Grecs de Tatien 1903

Rezensent:

Knopf, Rudolf

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Seite 1

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687

Theologifche Literaturzeitung. 1903. Nr. 25.

688

Text felber druckt K. nicht unverändert ab, er ; und Periphrafen, dem reichlichen Gebrauch der Fragehat
ihn noch weiter emendirt oder ih hie und ; fätze ausführlich nach. Tatian handhabt die Koine, er
da zur Handfchrift zurückgekehrt. Ich notirte mir ift kein Purift, aber auch kein Barbar, fondern ein für
folgende Abweichungen der vorliegenden Ausgabe vom die Zeitverhältnifse gewandter Schriftheller. Die Com-
Texte der Kirchenväterausgabe: S. 4, Z. 13 Weglaffung pofition der Or. als eines Ganzen ift (gegen Kukula) eine
des [tv] vor zfj; Z. 29 fifza ft. öia; Z. 31 Weglaffung des j fchwache, Compolition war niemals eine Stärke der
[ö]vor ovfißalov; S. 6, Z. 7 jtoZkajrZüoiovft.jioXXajrXaöiova; Sophiftik. — Sehr intereffant find die Ausführungen von
Z. 14 zoGovzovg ft. zo(oo)vzovg; S. 10, Z. 22 cog jtsQt ft. j Cap. 4: Ueber die Quellen und die Methode der Polemik
coOJcsQsi; S. 12, Z. 2 ozav ft. hav; Z. 9 kxslvco und im j Tatians. P. zeigt, dafs dem Autor für die Polemik von
Apparat z. St. bcslvov; Z. 26 avzov ft. avzov; S. 14, Z. 10 ! Or. 1 die reiche Literatur der alexandrinifchen Zeit über
cog und im Apparat z. St. Neben dem griechifchen ; die tvQr'j/iaza zu Gebote ftand; die Polemik gegen die
Text fteht parallel auf der jeweils rechten Seite die Philofi.phen in cc. 2 und 3 bafirt auf den Klatfchge-
lateinifche Ueberfetzung des Hieronymus. j fchichten zeitgenöffifcher Quellen. Die Vorliebe für

Die Auswahl der bisher gebotenen Texte ift eine I derlei Hiftorien tritt auch in der gleichzeitigen Biogra-
glückliche. Manches fchöne Stück zeigen die Profpecte phienliteratur reichlich hervor: die fachliche Polemik
noch an. Am meiften flach mir in die Augen die Aus- ! gegen die Philofophen, die Aufweifung ihrer Widerwahl
wichtiger Texte aus gnoftifchen Papyri, die nebft ! fprüche (c. 25) ift direct von den jIQozqsjizixoi Xöyoi der
andern Texten Dieterich verfpricht, ferner die Texte zur j Philofophen felber abhängig; die Polemik gegen die
neuteftamentlichen Textgefchichte und die wichtigen j antike Kunft (Statuenkatalog cc. 33 f.) zeigt ebenfalls
Stellen des NT. mit kritifchem Apparate, die Lietzmann I BerührungenmitderProfanliteratur: auchdie Cynikcrhaben
felber in Ausficht ftellt. Mag dem Unternehmen auch fich gegen die Aufhellung der Statuen von Courtifanen
fernerhin gedeihlicher Fortgang befchieden fein. gewandt. — Capp. 5 und 6 hängen zufammen. P. ftellt

Marburg i. H. Rudolf Knopf. j? ihnen die Lehre Tatian's zufammen: Die Lehre von

j Gott und dem Logos, vom Menfchen, den Dämonen,
1 der Materie und dem Beginn des Ucbels. Die intereffan-
Puech, Aime, Recherches sur le Discours aux Grecs de teften Ausführungen der beiden Capp. find die über die

Tatien. Paris 1903, F. Alcan. (VI, 159 p. gr. 8.) Fr. 6.—

Puech liefert in dem vorliegenden Buche eine fehr
fchätzenswerthe Arbeit zum Verftändnifs Tatian's, des
dunklen und fchwierigen Schriftftellers. Wie der Titel
zeigt, zerfällt das Buch in 2 Theile: S. 1 —105 flehen die
Unterfuchungen, S. 107—158 folgt die commentirte Ueberfetzung
der Oratio. j werdung des Logos; 2) feine Darlegung des inneren
Der erfte diefer beiden Theile ift natürlich der Gemeindelebens. Das Minus bei Tatian kommt daher,
wichtigere. Zwar in den Unterfuchungen, die P. über ! dafs die Or. gar keine Darlegung des chriftlichen Glaubens
Zeit und Entftehungsort der Or. anheilt, liegt die Be- geben will, fondern ein jtQozQEJtzixög, eine exhortätio ift,

Seelenlehre Tatian's. — Cap. 7 des Buches befafst fich
mit den Lücken in der Or., und der Art, wie fie fich
erklären. Wenn man die Darlegungen der Or. mit den
Apologien Juftin's vergleicht, fo bemerkt man auf Seiten
Tatian's Auslaffung gewiffer Themata, die Juhin behandelt.
Und zwar kommen dabei in Betracht die Ausführungen
Juftin's 1) über Jefus und Chriftus, über die Fleifch-

deutung feiner Ausführungen nicht. P. hellt fich mit
Kukula gegen die Chronologie von Harnack und Zahn.
Nicht bald nach der Bekehrung Tatian's, nicht 155 fpäte-
hens, fondern nach Juhin's Tode, andererfeits aber noch
vor dem Bruche Tatian's mit der Kirche ih die Or. ge-
fchrieben, d. h. nach 169 und vor 172. Benutzung von
Juhin's Schriften hält P. in einem Falle mindehens {Apol. I

die die Lefer in ihren alten Anfchauungen erfchüttern
will, um in ihrer Seele überhaupt erh Raum zu fchaffen
für fpätere pofitive Belehrung. — Im Schlufscapitel (8)
handelt P. von dem Altersnachweis, den Tatian zu Gunhcn
dcr,barbarifchen Philofophie' antritt. Juhin. der die Lehre
vom Aoyog OjttQfiazixog vertrat, hatte es nicht nöthig,
die zeitliche Priorität des Mofes vor den Anfängen der

171 und 3 : Or. 4 Anfang) für erwiefen. Thatfächlich griechifchen Weisheit befonders nachzuweifen; für Tatian,
freilich ih die Abhängigkeit Tatian's von Juhin's Schritten 1 der Wirkungen des Logos in der Pleidenwtlt nicht an-
nicht zu beweifen, und aus Or. 18 (0 Q-avfiGicözazog erkannte, war diefer Nachweis von grundlegender Be-
'lovözlvog on&cög t^ecpcovt/öev) läfst fich nicht fchliefsen, [ deutung und Or. 31; 36 ff. tritt er den Altersnachweis
dafs Tatian von einem Todten redet. Dafs ein fo eigen- , ausführlich an, zeigt mit Berufung auf chaldäifchc, ägyp-
artiger und entfehiedener Geih wie Tatian bald nach tifche, phönizifche Gefchichte, für die er Autoritäten
feiner Bekehrung abfonderliche, häretifch fchillernde 1 citirt, dafs Mofes älter ih als die Griechen, und dafs er
Meinungen vertreten konnte, ih keineswegs unmöglich. I die Quelle ih, aus der die Griechen gefchöpft haben.
Der chronologifche Anfatz der Or., den Harnack und j Hat er bei diefem Nachweis fich an jüdifche Schriftheller
Zahn vertreten, wird durch P. nicht widerlegt. Was den j angefchloffenr Das kann nicht bewiefen werden. Auf
Abfaffungsort der Or. betrifft, fo hellt P. neuerdings feh, keinen Fall war, wie fchon Dembowski gezeigt hat,
dafs fie nicht in Rom gefchrieben fein könnte. An Hellas | Jofcphus feine Vorlage. — Mit einer Conclusion, die die
möchte er auch nicht denken, fondern er zieht den 1 Refultate der vorangehenden Unterfuchungen zufammen-
ferneren Offen vor, am Behen würde nach ihm Antiochien ! fafst, fchliefst P. den erhen Theil feines Buches ab.

paffen.

Wichtiger und ertragreicher find die Unterfuchungen,
die P. in den anderen Capiteln des Buches anhellt. In Cap. 1
loh er die Frage, ob die Or. eine wirkliche Rede fei, gegen
Kukula mit vollem Rechte dahin, dafs die Or. an ihren
Adreffatenkreis, die /Hellenen', nur kommen konnte,
wenn fie von vornherein für Buchcirculation behimmt
war, was freilich vielleicht nicht ausfchliefst, dafs Tatian
fie vor der Publication dem in der Hauptfache chriftlichen
Auditorium feiner Zuhörer vorlas. — In Cap. 3
behandelt P. das Thema: Tatian und die Sophihik.
Tatian ih Sophih, und den Einfiufs der zeitgenöffifchen
Sophihik weih P. im Rhythmus feiner Claufeln und feiner
Sätze, in den gekünhelten Wortheilungen, den kleinen
Kola, den gefuchten Bildern, den Wortverbindungen

Ueber den Wortlaut der Ueberfetzung, die im zweiten
Theil folgt, heht dem Nichtfranzofen kein Urtheil zu.
Die Anmerkungen unter dem Text beziehen fich meid
auf textkritifche und rein fprachlich-exegetifche Fragen;
die materielle Erklärung hätte viel ausführlicher fein
können. Doch liegt hier wohl Abficht des Verf.'s vor,
der vor allem den dunklen Text Tatian's aufklären wollte.
Die nicht fehr umfangreiche Literatur über Tatian hat
durch P.'s Buch unzweifelhaft eine werthvolle Bereicherung
erfahren.

Marburg i. H. Rudolf Knopf.