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Ausgabe:

1903

Spalte:

679-685

Autor/Hrsg.:

Seeberg, Alfred

Titel/Untertitel:

Der Katechismus der Urchristenheit 1903

Rezensent:

Wendt, Hans Hinrich

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679 Thealogifche Literaturzeitung. 1903. Nr. 25. 680

den Prieftern gehören. So auch noch Zobit 1, g nach I dasfeibe bezieht er (ich nicht nur Rom. 16, 17, fondern
dem Text des cod. Sinait. und Philo De caritate § 10. j befonders auch I. Cor. 4, 17. An letzterer Stelle find die
Nach der fpäteren Halacha ift er wie der zweite Zehnt j Worte ai oöoi fiov Name der chrifllichen Sittenlehre,
zu behandeln, alfo von den Darbringenden vor Gott zu j welche P. infofern als die feinige bezeichnet, als er fie
verzehren (Sebachim V, 8, vgl. meine Gefch. II, 251). — i bei feiner Thätigkeit verwendete. Ueber den Inhalt diefer
5. Nach 49, 2n foll das Paffa ,im Hof des Heiligthums' i ,Wege' geben Auffchlufs die Stelle I. Theff. 4, 3-s und
gegeffen werden. Die fpätere Halacha geblattet den Ge- ; die verfchiedenen Tugend- und Laflerkataloge im N. T.,
nufs in Jerufalem überhaupt. — Aus alledem darf ge- ! befonders Col. 3, off., denen ein gemeinfames Schema zu
fchloffen werden, dafs der ftreng gefetzlich gefinnte Verf. j Grunde liegt. Aus einem Vergleiche diefer Kataloge
zu einer Zeit fchreibt, als die Halacha noch nicht durch- ; läfst fich erfchliefsen, welche einzelnen Lafter und Tugen-
weg in der fpäteren, im Wefentlichen fchon bei Philo und j den ficher, welche wenigftens wahrfcheinlich oder tnög-
Jofephus nachweisbaren Geftalt fixirt war. Gewiffe licherweife in den ,Wegen' aufgezählt waren. Es hellt
Schwierigkeiten bleiben freilich auch dann noch, infofern j fich dabei heraus, dafs diefe ,Wege' der urchriftlichen
die gefetzlichen Beftimmungen unferes Buches auch mit J Zeit denen der nachapoftolifchen Zeit nächftverwandt
der Thora nicht immer völlig übereinftimmen (die am 1 waren. Sie werden aber in der apoflolifchen Zeit nur
Laubhüttenfeft darzubringenden Opfer 16, 21-31 find nicht j fnündlich tradirt fein und daher auch an verfchiedenen
diefelben wie Num. 29, 12—39; bei den ,Heilsopfern' 21, s—10 ! Orten und zu verfchiedenen Zeiten im Einzelnen abwird
die Abgabe an die Priefter nicht erwähnt). weichende Formen gehabt haben. Sie trugen in der

Die wichtigfle Stelle für die Beftimmung der Ab-
faffungszeit würde die apokalyptifche Gefchichte c. 23,12—31
fein, wenn ihre Deutung im Einzelnen ficherer wäre. In
Betracht kommen namentlich folgende Verfe:

23,20 (nach der Schilderung des Abfalles des Volkes): ,Und fie
werden in Bogen und Schwertern und Krieg flehen, um fie auf den Weg
zurückzubringen; aber fie werden nicht umkehren, bis viel Blut auf Erden
vergolten wird, von diefen an jenen. (23, 21) Und die fich gerettet haben,
werden nicht auf den Weg der Wahrheit von ihrer Bosheit umkehren;
fondern fie alle werden fich zu Betrug und zu Reichthum erheben, dafs

apoflolifchen Zeit die Bezeichnung: Weg des Lichtes und
der Finfternifs (Eph. 5, sf. Rom. 13.12 I. Theff. 5,4 I. Jon. 1,
gf.) Aus Rom. 6, 17 Eph. 5, g I. Cor. 6, off. ergiebt fich,
dafs diefe ,Wege' zur Zeit des Paulus Gegenftand des
Taufunterrichts waren; aus Rom. 6, 17, dafs fie, folange
es römifche Chriften gab, alfo ungefähr feit a. 35 p. Chr.,
in Rom und alfo wohl auch in der ganzen Cnriftenheit
bekannt waren. Dann aber hat Paulus fie bei feiner Bekehrung
bereits vorgefunden. Sie haben alfo urfprüng-

ein Jeder all' feines Nächften Gut nehme .... und das Allerheiligfte lieh in aramäifcher Sprache exiftirt. Für einen fchon

werden fie durch ihre Unreinheit und durch die Verderbnifs ihrer Be- j Jefu bekannten (vgl. Mt. 15, 19 Mc. 7, 21) jüdifchen Befleckung
befchmuUen (23, 22) Und es wird eine grofse Züchtigung über j ftand der zwei Wege' zeugen die Laflerkataloge in der
das Werk diefes Gefchlechts von Gott ausgehen, und er wird fie dem !-.,,-> u / . o > j • t- a. j -n

Schwert und dem Gericht und der Gefangenfchaft und der Plünderung und AP°k- Baruch (c. 4. 8. 13) und im I eftament der 12 Pa-
der Vernichtung preisgeben. (23, 23) Und er wird wider fie die Sünder , triarchen (Levi 17 u. Ö.).

der Heiden erwecken, bei denen kein Erbarmen und keine Gnade ift..... Neben diefen ,Wegen' mufs es im Urchriflenthum

Und fie werden gegen Israel Gewalt üben und gegen Jakob Sünde, und 1 e;ne ^laubensformel' gegeben haben. Paulus referirt fie
es wird viel Blut auf der Erde vergolten werden, und es ift keiner, der , • T /-„_ „ . rr, „;_,„<. ».._J.4i.-l„i:,.u_ u__.„ „ .r

r ,, ... j u -cu ' ml. Gor. 13,3—5. rtr nimmt ausdrücklichen Bezug; auf

fammelt, und keiner, der begrabt'. . , . •>' ,., r . ... . , r , ,p

,—, . «- , ... , . ■ ™ . , c fie als aul die INorm leiner evangehfehen Verkündigung
Der Anfang (23 20) ift wohl mit Charles darauf zu ,n den Worten v lf . rf ^ayyiXl0V--xlm 6 %

beziehen, dafs die Makkabaer mit Gewalt die Abtrünnigen ^yyslto^riv iulv. Denn hier ift rlvi XÖym Dativ der
zur Gefetzesbeobachtung zurackbrachten. Bei dem Fol- ; njrm. ^ch Mafsgabe welches Wortes ich'euch Evan-
genden denkt Charles (S LXIII und Commentar) an die j Hum verkündigte'. Auf diefelbe Formel weift er hin
Wirren unter Judas, Jonathan und Simon. Es fcheint mir ; Röm g ^ und Cq1 wq ebenfalls die höch(ten

aber die Deutung uberall zu unficher um genauer den | Güter des Chriftenthums an die Thatfache des Todes,
Punkt beft.mmen zu können bis zu welchem der hiftonfche Be äbnifses und der Auferweckung Chrifti angelehnt
Horizont des Verfaffers reicht zumal die Darftellung dann i w ^ Abef T ^ jft d> Formel nkht yoU_

unvermerkt ins Eschatolog.fche ubergeht. Wir werden , ftänd fa Ihren Anfang und ihr Ende hat P.

uns alfo doch mit den oben bereits gezogenen Grenzen . w |laffen* Am Anfang mufs nacb Gal.4,3 undRöm.8,8
begnügen mullen. gefagt gewefen fein> dafs Gott feinen Sohn fandte. Da-

Göttingen. E. Schürer. , bei war wahrfcheinlich Gott als Weltfchöpfer — vielleicht

I auch als der Lebendige — bezeichnet, fo dafs fich hier-
Seeberq, Prof. D. Alfred, Der Katechismus der Urchristen- aus der wiederholte Hinweis des P. auf die Weltfchöpf-
... t . . t a n • , . at , f Ar oQt c i ungsvermittlung durch Chriftus begreift. Der Sohn aber
heit. Leipzig 1903, A. Deichert, Nachf. V, 281 S. 9- , Tr „& . ,r - %- ^ ' u -.u ^ „

' P s y j> - mufs nach II. Cor. 1,19 als Jrjaovg Xqiötoc bezeichnet ge-

Sr- ° ) M- wefen fein, und nach Rom. 1, 3 (vgl. II. Tim. 2, s) müffen

A. Seeberg will in diefem Werke den Nachweis j hinzugefügt gewefen fein die Worte: ,der hervorging aus
führen, dafs es im apoflolifchen Zeitalter von Anfang dem Samen Davids'. Am Schluffe der F"ormel mufs nach
an einen Katechismus'gab, deffen Inhalt von Paulus wie j Rom. 8, 31 Col. 3, 1 Eph. 1, 20 erwähnt gewefen fein, dafs
von den anderen Miffionaren gepredigt und denen, die | fich Chriftus zur Rechten Gottes im Himmel gefetzt hat;
fich der chrifllichen Taufe unterziehen wollten, gelehrt ferner nach Eph. 1, 21 4, 8 Col. 2, 10-15, dafs ihm die
wurde. Er findet in den neuteftamentlichen Schriften fo j (feindlichen) Engelmächte untergeordnet find; endlich
mannigfache Spuren der Verwerthung diefes Katechismus, i nach Rom. 2, ig 1. Theff. 1,10, dafs er zum Gerichtsvollzug
dafs ihm eine Reconftruction des wefentlichen Inhalts j kommen wird.

desfelben möglich erfcheint. Ich verfuche es, den Gang ' Diefelbe von P. gekannte Glaubensformel, wohl nur
feiner Argumentation kurz vorzulegen. mit geringen Modificationen des Wortlauts am Schluffe,

Erftlich mufs es in der apoflolifchen Zeit ein Lehr- i ift vorausgefetzt im I. Petrusbrief, wo in 3, 13—22 4, 5, aber
ftück ethifchen Inhalts von normativer Bedeutung ge- j auch in 1, 11. 18-21 ihre Sätze verwertet find; terner in
geben haben. Darauf beziehen fich die Worte Rom. 6,17: j den Paftoralbriefen, wofür II. Tim. 2, « 4,1 und I. Tim. 6,
elg ov jiaQsöoO-rjte xvjcov öidayrig. Unter dem rvjtog öiö. 13 f. zeugen. An letzterer Stelle ift unter der ivtoXfj der
ift zu verltehen ein in der chriillichen Lehre gegebenes j Inhalt der Glaubensformel verftanden, der fonft in djefen
Vorbild, eine darin enthaltene Norm. Dem Zufammen- 1 Briefen auch als jtaQaftyxr], o/zoXoyia, ftlötig und aXr)&Sia
hang nach mufs eine Lehrnorm nur fittlicher Vorfchriften J bezeichnet wird. Diefelbe Glaubensformel ift in I. lim.4,0
gemeint fein. Paulus fetzt alfo in der ihm perfönlich j unter den Xoyoi zrjg JciatEcog gemeint, während die daunbekannten
römifchen Gemeinde ein beftimmtes ethifches i neben genannten Xoyoi xyg xaXrjg diöußxaXiag die Sitten-
Schriftftück als bekannt und gültig voraus. Auf eben | lehre, d. i. das Lehrftück ,die Wege' (I. Tim. 1, 10) bedeuten.