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Ausgabe:

1903 Nr. 2

Spalte:

45-46

Autor/Hrsg.:

Hjelt, Arthur

Titel/Untertitel:

Die altsyrische Evangelienübersetzung und Tatians Diatessaron 1903

Rezensent:

Nestle, Eberhard

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Theologifche Literaturzeitung. 1903. Nr. 2.

46

Hjelt, Lic. theol. Dr. phil. Arthur, Die altsyrische Evangelienübersetzung
und Tatians Diatessaron, befonders in
ihrem gegenteiligen Verhältnis unterfucht. (For-
fchungen zur Gefchichte des neuteftamentlichen Kanons
und der altkirchlichen Literatur, herausgegeben
von Th. Zahn. VII. Teil, I. Heft.) Leipzig 1903,
A. Deichert, Nachf. (VIII, 166 S. g. 8.) M. 6.—

Aus dem Vorwort der vorliegenden Unterfuchung
ift mitzutheilen, dafs fie fchon im Frühjahr 1901 gedruckt
und als eine Concurrenzfchrift an die theol. Facultät der
Univerfität Helfingfors eingereicht wurde. Als folche lag
fie dem Unterzeichneten fchon vor, als er den Artikel
Syriac Versions für Hartings' Dictionary of the Bible
fchrieb. Daher erklärt es fich, dafs er auf eine Schrift,
welche jetzt die Jahreszahl 1903 auf dem Titel trägt,
fchon a. a. O. Bd. IV, 646 mit dem Vermerk ,Leipzig 1901'
hinweifen konnte. Die Abficht des Vfs. war, ihr noch
in demfelben Jahr einen zweiten Theil folgen zu laffen,
in welchem die Evangeliencitate bei Ephraim und Aphra-
ates und die fonft bekannten Diateffaroncitate unterfucht
und auf ihren fyrifchen Wortlaut zurückgeführt werden
follten. Da bekam der Vf. von einem Herrn Dr. M.
Kmosko in London Nachricht von neuen in dies Gebiet
einfchlagenden Funden. Zunächft werde er, Kmosko,
.ein ziemlich umfangreiches Buch publiciren, welches um
360 verfafst worden ift. Diefes Werk enthält ausfchliefs-
hch Diateffaroncitate. Meine zweite Publication wird
Fragmente des Maruthakommentars . . . enthalten mit
wichtigen N. T. Citaten. Das spätefte Werk, wo ich das
Diateffaron citiert fand, ift die Disputatio des Sergius
Stylita cum Judaeo quodam, Anfang VIII. Jahrhundert'.
Es ift begreiflich, dafs der Vf. auf dies hin die Fortfetzung
feiner Arbeit einftellte, ebenfo begreiflich aber, dafs,
nachdem die angekündigten Veröffentlichungen noch
immer nicht erfchienen find, er mit dem Verleger nicht
länger warten wollte und nun wenigftens den erften Theil
zugänglich macht, der ohnedies ein für fich abgefchloffenes
Ganzes bildet. Und wer mit dem Unterzeichneten der
Meinung ift, dafs die fonft fo verdienftlichen Unter-
fuchungen von Merx über den älteften fyrifchen Evangelientext
in der Luft fchweben, weil fie nach dem Zusammenhang
des Sinai-Syrers mit dem Diateffaron in
keiner Weife gefragt haben, wird unferem Vf. für feine
mühevollen Unterfuchungen um fo dankbarer fein, auch
wenn eine nähere oder fernere Zukunft durch neue Funde
im Stande fein follte, manches in ein helleres oder anderes
Licht zu rücken. Es ift übrigens, fo weit ich fehe, in
den faft 2 Jahren, feit diefe Unterfuchungen abgefchloffen
find, nicht viel erfchienen, was fie wesentlich, hätte be-
einfluffen können, abgefehen von der wichtigen Thefe
Lippelts, dafs auch fchon Tatian's Lehrer Juftin eine
Harmonie benützt habe.

Doch berührt diefe Frage den eigentlichen Gegen-
ftand diefer Unterfuchungen nur von ferne. Ihr Inhalt ift
folgender. Nach einigen Vorbemerkungen über die Bedeutung
der alten Ueberfetzungen für die Textkritik und
über die Anfänge der fyrifchen Kirche wird zuerft über
die Auffindung des Curetonianus und über die Beurthei-
lung berichtet, die er bei Cureton, Ewald, Hermansen,
Crowfoot, Wildeboer und Baethgen fand. Dann werden
alle bis jetzt erreichbaren Nachrichten über Tatian und
fein Diateffaron zufammengetragen und abgewogen, unter J
eingehendfter Berückfichtigung der Literatur. Doch ver- |
miffe ich bei der Bemerkung S. 80, dafs vor Zahn und
Harnack (1881) nur Abbot auf die Wichtigkeit des durch
Möfinger zugänglich gewordenen Harmoniecommentars
Ephraim's aufmerkfam gemacht habe, einen Hinweis auf
Lagarde's Vorrede zu den Apoftolifchen Conftitutionen '[
vom Jahre 1862. Ja fchon in feiner erften aufs Neue
Teftament gerichteten Abhandlung von 1857 erwähnt er 1
(liefen Harmoniecommentar (Abhandlungen S. 92, mit Anmerkung
2). — Dann erft kommt der Syrus Sinaiticus
an die Reihe (S. 76—106), deffen Verhältnifs zu Tatian
im nächften Abfchnitt unterfucht wird (S. 107—162), woran
noch einige Rückblicke und Schlufsfolgerungen ge-
fchloffen werden.

Im Gegenfatz zu Zahn, dem das Heft in ,Dankbarkeit
und Ehrerbietung' gewidmet ift, kommt Hjelt zu dem
Ergebnifs, dafs nicht Tatian's Diateffaron die ältefte Form
fei, in der das Evangelium zu den Syrern kam, fondern
dafs Tatian eine ältere Ueberfetzung, die uns im wefent-
lichen noch im Sinaifyrer erhalten fei, benützt habe. Der
Curetonifche Text fodann fei eine unter dem Einflufs Tatian
's entftandene Recenfion diefer alten Ueberfetzung, die
Pefchito endlich eine Befreiung diefer Ueberfetzung von
den Tatianifchen Einflüffen unter neuer Vergleichung des
griechifchen Textes. Tatian's Arbeitsweife fchildert er
S. 155 f. fo: ,ln ihm fehen wir den theologifch intereffirten
Textkritiker. Er hat die von ihm vorgefundene altfyrifche
Evangelienüberfetzung einer durchgehenden Revifion auf
Grund des ihm bekannten griechifchen Textes unterzogen
, offenbare Fehler und Mifsverftändniffe corrigirt,
Ausdrücke und Wendungen, die ihm allzufrei oder ungenau
fchienen, geändert, andere Lesarten, die er vorzog,
aufgenommen u. s. w. In feinen Händen wurde Syr. vi.
in manchen Stücken dem griechifchen Grundtext näher
gebracht, aber diefe Conformirung hat er nicht! in
fklavifcher Verehrung^ des griechifchen Buchftabens vollbracht
. Er ift ein typifcher Repräfentant eines SioQxtüJTrjt;
des zweiten Jahrhunderts'. Am wichtigften ift wohl der
Abfchnitt S. 96 fr., der dem Verfuch gewidmet ift, nach-
zuweifen, dafs die verfchiedenen Evangelien in Syr. sin.
von verfchiedenen Händen überfetzt seien, und es wird
nicht zu leugnen fein, dafs namentlich der Ueberfetzer
des Matthäus durch die Wiedergabe von (pvXaxxrjQia
und XQaösieöa durch 'pbi&n und rton eine Kenntnifs
jüdifcher Verhältnifse beweift, die wir fonft nicht finden.
Ob der andere Nachweis, dafs T auf Ss ruhe, gelungen
fei, ift_ für !den Unterzeichneten eine offene Frage. Es
wird gut fein, die von Burkitt fchon fo lange verfprochene
neue Ausgabe diefer Texte abzuwarten. (S. 95 ift dem
Verf., deffen Mutterfprache nicht das Deutfche ift, das
Verfehen begegnet, «die Frage, ob Ss fpäter als das Dia-
[ teffaron entftanden fei oder früher, dahin zu beantworten:
Burkitt, Holzhey und Bewer haben fich für die erfte
Alternative entfehieden; Zahn dagegen ift für die Priorität
des Diateffaron eingetreten'. Es mufs natürlich zweite
ftatt erfte heifsen.) Zu der Anmerkung über die frühere
Heimath der Handfchrift des Sinaifyrers ift jetzt Studio
Sinaitica IX, Appendix VIII p. XXIV und Bd. XI Preface
zu vergleichen. Die Anm. 6, S. 87 erledigt fich durch 5,
S. 88. Dafs diefe Texte das fyrophönieifche Weib ,aus
Emefa' fein laffen, follte allmählich auch in unfere Com-
mentare kommen. Auf dem Titel von Cureton's Ausgabe
fteht ,Ant/ent' nicht ,Ancienf (S. 11).

Zufammenfaffend wird zu fagen fein, dafs die Arbeit
der Aufnahme in die ,Forfchungen' würdig ift, die fich
gerade auch um Tatian fchon fo grofse Verdienfte erworben
haben.

Maulbronn. Eb. Neftle.

Carleton, James, G., D.D., The part of Rheims in the
making of the English Bible. Oxford 1902, Clarendon
Press. (VII, 259 S. gr. 8.) 9 s. 6 d.

Die Gefchichte der englifchen Bibel ift fchon feit lange
mit einer Liebe bearbeitet worden, der wir in Deutfch-
land nichts an die Seite zu ftellen haben. Trotzdem ift
noch immer Raum zu neuen Studien. Als 1604 die
Commiffion eingefetzt wurde, welcher England die foge-
genannte autorifirte Bibel von 1611 verdankt, bekämpfte
den Auftrag der ,Bifchofs-Bibel' von 1568 zu folgen und
fo wenig zu ändern als die Wahrheit des Originals zulaffe,