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Ausgabe:

1903

Spalte:

673-675

Autor/Hrsg.:

Bauer, Leonhard

Titel/Untertitel:

Volksleben im Lande der Bibel 1903

Rezensent:

Furrer, Konrad

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Theologische Literaturzeitung

Herausgegeben von D. Ad. Harnack, Prof. in Berlin, und D. E. Schürer, Prof. in Göttingen.

Jährlich 20 Nrn. Verlag: J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung, Leipzig. Jährlich 18 Mark

Nr. 25. 5- December 1903. 28. Jahrgang.

Bauer, Volksleben im Lande der Bibel (Furrer).
Charles, The book of Jubilees (Schürer).
Seeberg, Der Katechismus der LTchriftenheit
(Wendtj.

Longinus, Ueber das Erhabene, verdeutfcht

durch Hashagen (Wendland).
Lietzmann, Die drei alterten Martyrologien

(Knopf).

Kloftermann, Apokrypha I (Derf.).
Origenes' Homilie X über den Propheten
Jeremias hrsg. von Kloftermann (Derf.).

Puech, Recherches sur le Discours aux Grecs

Bolliger, Die Willensfreiheit (Ritfchl).i
Dreyd o rf f, Gottwelt, eine philofophifche Plauderei
(Elfenhans).
Pflanz, Verlaffen, nicht vergeffen. Das heilige

de Tatien (Knopf). i La"d ,UJ.'d d e ^utfch-evangebfche L.ebes-

aibcit (hurrer).
Brockhaus' Konverfations - Lexikon, 14 voll-

Denifle, Lutherund Lutherthum in der erften
Entwicklung quellenmäfsig dargeftellt, I. Bd.

ftändig neubearb. Aufl. Neue rev. Jubiläums-

(Harnack). Ausgabe, n. bis 16. Bd. (Schürer).

Bauer, Leonhard, Volksleben im Lande der Bibel. Leipzig Urfprungs. Den Einfchlag lieferten Hebräer, Aramäer,
iqoj H. G. Wallmann. (VII, 312 S. gr. 8.) | Phüifter, Griechen, Araber, Kreuzfahrer. Noch dankbarer

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M. 4.20; geb. M. 5.40

Seit Titus Tobler im Jahr 1856 feine Denkblätter aus

lerufalem veröffentlicht hatte, erfchien in deutfcher Sprache

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wären wir gewefen für ein genaueres Bild vom religiöfen
Leben des Volkes. Das officielle Kirchenthum fpielt in
der Volksfeele eine untergeordnete Rolle. Welches find
die entfcheidenden Geiftesmächte nach dem Glauben des

keine Schrift mehr, die uns in fyftematifcher Ueberficht j Volkes? Wie äufsert fich fein fittlich-religiöfes Bewufst-
dasLeben und dieLebensverhältnifse in Paläftma fchilderte. 1 fein? Welches find feine höchften Ideale? Einzelne Bei-
Die dadurch entffandene Lücke will Bauer's Schrift aus- I träge zur Beantwortung diefer Fragen bringt der Ver

füllen. Seit vielen Jahren im Lande anfäffig, der dortigen
Sprache ganz kundig, zugleich ein bibelfcfter Mann, war
der Verfaffer in befonderem Mafse ausgerüflet, uns ein
zuverläffiges Bild vom Leben feiner neuen Heimath zu
geben. Er fchildert wefentlich nach eigener Beobachtung.
Sein Werk würde an Gehalt noch bedeutend gewonnen
haben, wenn er die vortrefflichen englifchen Schriften der
Frauen Rogers und Kinn über das häusliche Leben in Palä

faffer; aber hier wäre namentlich auch dem Legenden-
fchatz mehr nachzuforfchen. Bei Schilderung der mora-
lifchen Zuflände hätte der Verfaffer noch beffer zwifchen
der Bevölkerung an der Pilgerftrafse und der entlegeneren
Gegenden unterfcheiden follen. Deutfchen Sinn und
deutfche Art wird man nicht in Hamburg oder Berlin
am deutlichften erkennen, fondern in den Orten, die
weniger am Weltverkehr theilnehmen. Da Bauer nicht

ftina, das Werk von Jeffup über dte arab.fchen Wetber, ! genugfam unterfcheidet, leidet feine Darftellung unter e.ner
Thomfons grofses Werk Tu- Land and the Book und rite gewiffen Verworrenheit. Das Sundenregifter, das er at£
fehr inftruct.ven fachbezughchen Artikel in den Quarterfy flihrtj trifft gröfstenthe,ls nur auf die Städter und ihre
Statements of the Palestine «^^ ^«/««r/ bera hen hatte, „ächften Nachbarn zu, nicht aber auf die intacten Fei
Es wäre aufserordentheh werthvoll, eine Volkskunde aus iachen. Bei diefen kann von Spielfucht Trunkfucht Un
Paläftina zu befitzen, die allen Forderungen der modernen „«henkelt als von verbreiteten Ladern keine Rede fein"
Wiffenfchaft entfprache. Sie konnte uns allerdings nur , ebenfowenig von Lug und Trug. (Recenfent kaufte ein^
ein Forfcher geben, der ausgerüflet mit Kenntn.fsen in | Morgens in einem Dorfe der philiftaifchen Ebene für
Sprache, Gefchichte und Naturw.ffenfchaft, wo möglich j einen Piafter (18 Pf.) Brot. Da es ihm aber zü larige gi„J
auch mit etwelchem med.cin.fchen W.ffen und Können, bis das Brot bereitet war, zog er weiter Nachdem er"
ein gefchulter Pfychologe dast Land jahrelang durch- | eine Stunde lang gewandert war, hörte' er hinter fich
wanderte, die Aeufserungen der Volksfeele ,hre Traditionen , Pferdegetrappel. Wer war's? Ein Reiter kam in eeftreck-
und Hoffnungen ablaufchte, den Lmflufs der Naturver- | tem Galopp daher, das gekaufte Brot hoch in der Recken
hältnifse und die Macht der gefch.chthchen Nothwendig- haltend.) Kenten
keit mit einander abzuwägen verftünde und dabei von j Das Familienleben befchreibt Bauer zunärhft r„ . 1
jenem allgemeinen Wohlwollen befeelt wäre ohne das es in ftädtifchen Verhältnifsen und bei den Grofsen W
auch der fcharffinnigfie Forfcher nur Zerrbilder fchaut. ( dem Lande fich zeigt. Dem, was er über den 7 X
Es würde uns von Herzen freuen wenn einmal einem j Harem fchreibt, w.derfprechen die MittheilloVn
deutfchen Mann diefes grofse Werk gelange Hoffent- j Quintana in feiner Schrift Stria y d Libam Nn

von

lieh würden, ihm bei Durcharbeitung des uberreichen hier nach Jeffup, Snouck Hurgronje u. A. nicht zu fawn

1 Selbftverftändl.ch giebt es auch für das Frauenleben^m
Orient relative Urbilder und Zerrbilder Ohne Fracre

Stoffes auch die Grazien ein wenig zur Seite flehen. Es
ift ja nicht immer nöthig, dafs gelehrt und langweilig als
Synonyma erfcheinen

find die Verhältnifse beim einfachen Landvolk im Ganzen

Die Schrift Bauer's ift innerhalb gewiffer Schranken gefunder und würdiger. Unverfchlciert verkehrten Frauen

ein treffliches Werk; er hat fehr Vieles genau beobachtet
und befleifsigt fich bei feiner Befchreibung der Klarheit,
Billigkeit und ftrenger Wahrhaftigkeit. Da und dort
mulste er fich, als im Lande wohnend, eine gewiffe

und Jungfrauen mit meinem Begleiter Abdallah, und die
ergraute Mutter des Haufes nahm fich des fremden
Wanderers oft mit der gleichen mütterlichen Beforgtheit
an, wie eine deutfche Frau in gleichen Verhältnifsen. Bauer

Referve auferlegen; denn es fcheinen auch in der Türkei giebt von den Fellachinnen eine recht freundliche, anfpre

dieLetitenachgeradeziemlichempfindlichgeworden zu fein, chende Schilderung.

Gleich im Anfang wären wir dankbar für eine An- Ueber das Bild des Landes in den verfchiedenen

r>abe gewefen ob fich in den einzelnen Landestheilen Jahreszeiten, über Landwirtschaft, Handel und Gewerbe

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noch Racenunterfchiede an der Gefichtsbildung confla
tiren laffen. Racenunterfchiede haben fehr oft ein zähes

das Leben im Haufe, über Nahrung, gefellfchaftlichen Verkehr
, Krankheit, Aberglauben, Begräbmfs weifs er Vieles

Leben. Der Zettel der Bevölkerung ift canaanäifchen | zu berichten. Auch Sprüchwörter erwähnt er eine grofse
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