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Ausgabe:

1903 Nr. 24

Spalte:

652

Autor/Hrsg.:

Hollmann, Georg

Titel/Untertitel:

Urchristentum in Korinth 1903

Rezensent:

Schürer, Emil

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Theologifche Literaturzeitung. 1903. Nr. 24.

652

die Didascalia. Selbft Buch VII und VIII der apofto-
lifchen Conftitutionen werden unter diefen Gefichtspunkt
geftellt (col. 588: the last two, which cotttain, besides a
remodeled version of the ,Didache many liturgical pieces
of very ancient character and indisputably of Jewish
origin, are later additions, but seem to have belonged
in part to the older Jewish original). So gewifs diefe
Auffaffung abzulehnen ift: fie enthält doch ein Wahrheitsmoment
. Das ältefte Chriflenthum hat ficherlich in
der religiöfen und fittlichen Unterweifung, in Predigt
und Gottesdienft vielfach mit einem aus dem Judenthum,
namentlich dem griechifchen Judenthum der Diafpora,
ererbten Belitz gearbeitet. In den Unterweifungen der
Didache und der Didascalia mag daher manches Jüdifche'
flecken. Nur find wir leider nicht mehr im Stande, dies
im Einzelnen nachzuweifen.

Zahlreiche und gutgewählte Illuftrationen dienen
auch in diefem Bande zur Erläuterung des Textes, z. B.
in den Artikeln Circumcision (Werkzeuge, welche dabei
erforderlich find), Coat of Arms (Wappenfchilde), Costume
(fehr reichhaltig), Creation (Darftellung der Schöpfungs-
gefchichte nach der Haggada von Sarajevo), Crown (an
den Handhaben der Thora-Rollen), Cups of Sanctifica-
tion, Curtain (Vorhänge vor den Schränken für die Thora-
Rollen), Disraeli (Werner's bekanntes Bild des Berliner
Congreffes), Divorce, Dreyfus (das Bordereau).

Göttingen. E. Schürer.

Dobschüiz, Prof. E. von, Ostern und Pfingsten. Eine Studie
zu I Korinther 15. Leipzig 1903, J. C. Hinrichs'fche
Buchhandlung. (54 S. gr. 8.) M. —.80

(Feftfchrift f. Hilgenfeld zum 80. Geburtstag.)

,Eine Studie zu I Korinther 15' nennt fich diefe Unter-
fuchung. Die Abficht ift aber nicht, eine Erläuterung der
Korintherftelle zu geben; vielmehr fucht der Verfaffer aus
diefer Stelle Licht zu gewinnen für das Verftändnifs fo-
wohl der Öfter- als der Pfingftgefchichte. Den Ausgangspunkt
bildet ,Das leere Grab' (S. 6—22). Die Thatfache,
dafs das Grab Chrifti am Sonntag Morgen von etlichen
Frauen offen und leer gefunden wurde, hält v. D. für
,gefchichtlich ficher bezeugt (S. 15). Aber diefe Thatfache
für fich allein würde noch nicht den Ofterglauben
erzeugt haben. Dazu bedurfte es erft noch der ,Erfchein-
ungen des Herrn' (S. 22—31). Ueber diefe orientirt uns
eben Paulus. Aus feinem Berichte fehen wir, dafs die
Chriftus-Erfcheinungen ,von der Petruserfcheinung bis zu
der Damaskusoffenbarung in ununterbrochener Folge
gehen' (S. 32); dafs wir alfo mit der aus Act. I flammenden
Vorftellung brechen mülfen, als ob die Erfcheinungen
auf die 40 Tage nach Ottern befchränkt gewefen feien
und dann die,Himmelfahrt' einen Abfchlufs gebildet habe.
Auferftehung und Himmelfahrt fallen vielmehr nach allen
Zeugnifsen des Neuen Teftamentes (abgesehen von Act. 1),
wie nach dem Barnabasbrief 15, 9 und dem Petrus-Evangelium
unmittelbar zufammen; und fchon die erften Erfcheinungen
find Erfcheinungen des Erhöhten analog der
dem Paulus bei Damaskus zu Theil gewordenen (S. 32).

Diefe Auffaffung ift gewifs richtig und in der neueren
Theologie wohl ziemlich allgemein anerkannt (Joh. 20,17
hätte als entfcheidendes Argument dafür noch ftärker
hervorgehoben werden dürfen). Im Wefentlichen neu —
wenigftens in der hier gegebenen Durchführung — ift aber
der Verfuch, auch die Pfingftgefchichte aus I Kor. 15 zu
erläutern, v. Dobfchütz hält nämlich die Pfingftgefchichte
Act. 2 für identifch mit der Erfcheinung Chrifti vor 500
Brüdern, welche Paulus bezeugt. Er weift darauf hin,
dafs nach Paulus und Johannes ,Chriftus' und ,der Geift'
im Grunde identifch find. Für Paulus ift Chriftus felbft
die in den Gläubigen wirkfame Geifteskrafc (II Kor. 3,17
6 xvQtoq to Jtv£vpä sOTiv). Und für Johannes ift das
Kommen des Paraklet und das Kommen Chrifti eins und

dasfelbe: im Paraklet kommt Chriftus felbft. So fei auch
die Erfcheinung Chrifti vor 500 Brüdern identifch mit dem
Kommen des Geiftes, welches Act. 2 erzählt wird. Ja
auch Joh. 20,19-23 fei nur eine andere Form derfelben
Gefchichte oder vielmehr eine Vereinigung der paulinifchen
und lukanifchen Pfingftauffaffung (S. 40): Chriftus erfcheint
und theilt den Geift mit. — Letzteres wird richtig fein;
Joh. 20,19-23 ift in der That die johanneifche Parallele
zu Act. 2. Dagegen glaube ich nicht, dafs Act. 2 fich als
populäre Umbildung der von Paulus I Kor. 15 berichteten
Thatfache begreifen läfst. Die paulinifchen und johannei-
1 fchen Gedankenreihen, welche v. D. zur Begründung feiner
! Thefe heranzieht, find mehr oder weniger Theologumena,
nicht Beftandtheile der populären Gemeinde-Anfchauung.
Chriftus und der Geift identifch, das Kommen des Geiftes
ein Kommen Chrifti felbft: fo fagen Paulus und Johannes
die Theologen. Für die Gemeinde ift eine Erfcheinung
Chrifti etwas ganz Anderes als die Mittheilung des Geiftes.
Und fie ift ja auch in der That etwas Anderes. Eine Erfcheinung
Chrifti wird als etwas aufser dem Subject
Liegendes gefchaut, der Geift wird in das Innere des
i Herzens aufgenommen. Auch für Paulus ift Beides ver-
fchieden: die Erfcheinung des Erhöhten ift nicht identifch
mit der Aufnahme desfelben in das Innere des Herzens.
Die Pfingftgefchichte Act. 2 ift alfo ficher nicht auf Grund
der Gleichung Chriftus = Geift entftanden, fondern auf
Grund des Bewufstfeins der älteften Gemeinde, dafs fie
den Geift befitzt. Die meffianifche Gemeinde ift die,
welche nach Joel 3 den Geift empfangen hat. Die Gründung
der Gemeinde mufs alfo erfolgt fein durch Mittheilung
des Geiftes.

Wenn ich demnach in diefem Punkte dem Verf.
nicht zuftimmen kann, fo möchte ich doch andererfeits
hervorheben, dafs feine Arbeit im Text mannigfache Anregung
bietet und in den Anmerkungen viel gelehrtes
Material enthält, befonders aus der Apokryphen-Literatur,
in welcher v. D. wie kaum ein Anderer zu Haufe ift.

Göttingen. E. Schürer.

H 011 m an n, Privatdoz. Lic. Dr. Georg, Urchristentum in Korinth.

Eine religions- und kulturgefchichtliche Studie. Leipzig
1903, J. C. Hinrichs'fche Buchh. (32 S. gr. 8.) M. —.50

Der Zweck diefes erweiterten Vortrages ift, zu zeigen,
dafs die Eigenart und die mancherlei Schwächen des
korinthifchen Chriftenthums aus dem heidnifchen Boden,
auf welchem die Gemeinde erwachfen ift, zu erklären find.
Intellectualismus, Aufgeblafenheit, Cliquenwefen, Freiheits-
ftreben, heidnifche Unfittlichkeit, daneben aber auch as-
ketifche Neigungen, magifche Vorftellungen, ekftatifche
Erfcheinungen, alles hat feinen Grund in der Bildungs-
Sphäre, aus welcher die von Paulus für das Chriflenthum
Gewonnenen herkamen. Die für Nicht-Theologen berechnete
Schilderung des Verfaffers ift anfchaulich und
zutreffend. Theologen feien namentlich auf die Ausführ-
j ungen über ,die Taufe für die Todten' I Kor. 15, 29
I aufmerkfam gemacht, für welche der Verf. (S. 22—24)
| ebenfalls heidnifche Analogien aus Plato und den Or-
phikern beibringt (von Blafs ihm mitgetheilt). Plato berichtet
, dafs nach der Behauptung derOrphiker ,Löfungen
und Reinigungen von unrechten Thaten durch Opfer und
j Freuden des Spiels für Lebende wie für Todte möglich
1 feien, welche fie Weihen nennen' (Plato Rep. II, 364 EJ.
j Ein orphifches Fragment fagt, dafs die Menfchen ,die
Geheimdienfte ausführen, Löfung erftrebend für die fün-
| digen Vorfahren' (Abel, Orphica fr. 208). Von diefen Vor-
S ausfetzungen aus wird in der That I Kor. i5> 2(1 leicht
verftändlich.

Göttingen. E. Schürer.

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