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Ausgabe:

1903 Nr. 21

Spalte:

576-579

Titel/Untertitel:

Christendom Anno Domini 1901 1903

Rezensent:

Kattenbusch, Ferdinand

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Theologifche Literaturzeitung. 1903. Nr. 21.

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könne, wie man es gerne möchte'. Kein Wunder, wenn I es möglich wäre, dafs über die Zuftände in Ingolftadt,
aus diefen Berathungen ein Entwurf hervorging, der zwar ; auf die fich Ottheinrich in feinem Brief vom 27. Dec. 1555
die Ewigkeit und Unbedingtheit des Religionsfriedens mit ! bezieht, mehr Licht verbreitet würde (S. 379). Der Band,
vielen Worten betonte, der aber zur Abgrenzung der der von derfelben gründlichen Arbeit zeugt, wie die beiden
beiderfeitigen Rechte und zur Entwirrung der vielen | vorangehenden, wird in den Kreifen der Reformations-
Streitigkeiten recht wenig beitrug, und der von den Prote-
ftanten des Fürftenrathes mit Recht als general, unordentlich
und obfcur beurtheilt wurde.

Am 15. März hatte der Mainzer Kanzler unter den
Aufgaben, die im Religionsfrieden zu löfen feien, auch genannt
, dafs ein jeder der Unterthanen feiner Confcienz
nach glauben möge. ,Wenn er fchon am folgenden Tag
anderer Anficht war, fo mag dabei die fchwächliche Haltung
Sachfens mitgewirkt haben' (S. XXXV II ff.). Mit
Schmerz bemerkt man, dafs die Bedeutung der Städte
für die Reichstage dahin ift und keine Männer wie Sturm
in ihrer Mitte mehr für die Sache des Proteftantismus
eintreten. Hier hatte Karl ,der Städtezerftörer' mit feinem
Hafenrath reinen Tifch gemacht. Der Kampf um den
,geiftlichen Vorbehalt' endet mit einer unabwendbaren

hiftoriker Marke Beachtung finden und vielfach anregen.
Ref. fchliefst mit dem lebhaften Wunfeh, dafs es Ernft
vergönnt fein möchte, den ganzen Briefwechfel des Herzogs
Chriftoph, der in den folgenden Jahren die Thätig-
keit des ausgezeichneten Fürften für den Gefammtprote-
ftantismus beleuchten wird, ungeftört zu Ende zu führen.

Nabern. G. Boffert.

Christendom Anno Domini 1901. Edited by Rev. William
D. Grant, Ph. D. With introduetory note by President
Charles Cutbert Hall, D. D. New York 1902,
Holt. (582 and 471 p. gr. 8.)

Wenn ich diefes Werk hier zur Anzeige bringe, fo
Niederlage des Proteftantismus; eine Ausbreitung desfelben ' gefchieht das aus perfönlicher Veranlaffung. Man hat es
in geiftlichen Gebieten wurde unmöglich. Der Gefchichte i in ihm mit einem Sammelwerk zu thun, vergleichbar,
des deutfehen Reiches ift damit für die nächften Jahr- ; wenn auch nur in befcheidenem Mafse, mit dem deut-
hunderte bis zum Reichsdeputationshauptfchlufs ihre Bahn 1 fchen Prachtwerke, welches den Titel trägt: ,Der Pro-
vorgezeichnet. Sehr merkwürdig ift die Begründung der | teftantismus am Ende des 19. Jahrhunderts'. Der Heraus-
Nothwendigkeit des geiftlichen Vorbehalts in einer Ver- 1 geber, Rev. W. Grant in New York, hat fich bemüht,
fammlung aller katholifchen Stände: Wo fie davon weichen für die einzelnen Themata Specialiften zu gewinnen und

follten, fei es um die Religion gefchehen und das Reich
würde zu Scheitern gehen. Denn wenn die Bifchöfe die
Macht haben follten, von der katholifchen Religion abzufallen
(sc. ohne Verluft ihrer Herrfchaft und ihres Fürften-
ftandes), würden fie von Stund an die Inful und alle geiftlichen
und bifchöflichen Ceremonien wegwerfen, weltlich

ift U.A. auch an Herrn D. theol. Pieper, Paftor zu Gerresheim
, und mich mit der Bitte um einen Beitrag herangetreten
. Herr D. Pieper hat fich bereit finden laffen,
eine Ueberficht über die deutfehen Verhältnifse zu geben.
Ich war gebeten, einen Artikel über Rufsland zu liefern,
und bin leider darauf eingegangen, richtiger gefagt:

werden und einen Prädicanten als Bifchof aufftellen und ' hereingefallen. Herr D. Pieper und ich haben beide fo
als weltliche Fürften alle Güter einziehen und erblich I unliebfame Erfahrungen bei diefer Gelegenheit gemacht,
machen, und wenn der abgefallenen Bifchöfe viel würden, , dafs wir es für richtig halten, diefelben nicht zu ver-
würden fie und die weltlichen Fürften eine Nationalver- j fchweigen, fondern hier mitzutheilen, um andere für
fammlung halten und die weltlichen und geiftlichen ka- 1 etwaige zukünftige ähnliche Fälle zur Vorficht zu mahnen,
tholifchen Fürften durch Concildecrete auszufolgen unter- Der Gedanke des Werks ift nicht übel. Er will fein

nehmen, ja die weltlichen Fürften, König und Kaifer,
würden mit Hilfe der abgefallenen Bifchöfe angefochten
und an ihrer Regierung verhindert und von ihren eigenen
Unterthanen vertrieben werden (S. 244). Man fieht, wie
niedrig die Bifchöfe und die Kraft der katholifchen Ueber-
zeugung von Kennern eingefchätzt wurden. Das Beifpiel
des Hochmeifters fchien zu verführerifch.

Der ganze Band bietet auch fonft des Neuen fehr viel.
Trefflich ift dieCharakteriftik des Herzogs Chriftoph herausgearbeitet
. Man lernt hier fein warmes proteftantifches
Bewufstfein recht fchätzen. Man fpürt, wie er fich feiner
theologifchen Bildung gegenüber anderen Fürften, auch

,a presentation of Christian conditions and activities in
every country of the world at the beginning of tlie twen-
tieth Century'. Im erften Bande werden in einunddreifsig
Artikeln die einzelnen Länder als folche mit Bezug auf
Art und Stand des Chriftenthums in ihnen kurz charakteri-
firt. Die Reihenfolge ift die alphabetifche, anhebend mit
Africa', dann ,Arabia and Persia', fchliefsend mit ,Uni-
ted States' und , West Indies'. Solch eine fummarifche
Ueberficht über die alten und neuen Kirchengebiete, die
längft gewonnenen chriftlichen Völker und die Miffions-
felder, ift fehr willkommen und das Intereffe, welches
ich an dem Plane des Werkes nahm, hat mich benimmt.

den Bifchöfen, bewufst ift. Wenn von Wolf hervorgehoben I unter die Mitarbeiter mit einzutreten. Die Autoren find
wurde, dafs in Augsburg 1555 der Einfiufs der Theologen 1 zum Theil Eingeborene der Länder, die fie fchildern (fo

ganz zurückgetreten fei, fo ift das für Württemberg nicht
richtig. Immer werden Gutachten der Theologen, be-
fonders von Brenz eingeholt. Des Herzogs Votum berührt
fich wohl einmal faft wörtlich mit folchen Gutachten.
Zu beachten ift die Charakteriftik des Cardinais Otto von
Augsburg als eines Strebers, der auch Proteftanten im
Unklaren über feine eigentliche Gefinnung laffen konnte.
Scharf tritt der ftarke Einfiufs feines Kanzlers Kon. Braun
hervor. Sehr lohnend wäre es, die Haltung der Kurpfalz
näher zu verfolgen. Der nach dem Ausgang des fchmal-
kaldifchen Kriegs gebrochene Muth Friedrich's hatte fich
wieder gehoben. Er erbittet fich fämmtliche württem-
bergifche Ordnungen für die Reformation feines Gebietes,
die nach dem jähen Abbruch durch das Interim wieder
neu aufgenommen werden follte. Wie fchwierig es weltlichen
Fürften gemacht wurde, ihr Reformationsrecht auf
Grund des Augsburger Religionsfriedens auszuüben, be-
weifen die Klagen Ottheinrich's über Bifchof Otto von
Augsburg (S. 372 ff.). Erwünfcht wären bibliographifche
Nachweife S. 266, 286. Wünfchenswerth wäre auch, wenn

behandelt Eug. Reveillaud in Paris Frankreich und Belgien,
C. F. Lundin in Upfala den fkandinavifchen Norden),
die meiften find wohl Amerikaner (wenn nicht Engländer
), doch fo, dafs fie zu den Ländern, über die fie
berichten, anfeheinend befondere Beziehungen haben,
etwa dort zur Zeit leben. Das Princip der Auswahl der
Autoren ift nicht zu beanftanden. In den einzelnen Artikeln
habe ich erhebliche Ungleichheiten bemerkt. Neben
exaeten Schilderungen trifft man phrafenhaft unbeftimmte.
Meift begegnet man reichlichen ftatiftifchen Angaben, die
ficher von Nutzen find, falls fie zuverläffig find.1 Den Artikel
über die Vereinigten Staaten hat der Herausgeber
felbft geliefert. Befonders intereffant ift die Ueberficht über
die Zahlen der einzelnen Denominationen nach einem
Artikel von H. K. Carroll (dem bekannten Verfaffer von
The religious forces of the United States, womit die

1) Anm. Wie die weiter unten zu berührenden Mitteilungen des
Herrn D. Pieper ergeben hat man vielleicht mit erheblichen Druckfehlern
zu rechnen.