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Ausgabe:

1903 Nr. 21

Spalte:

566

Autor/Hrsg.:

Haussleiter, Johannes

Titel/Untertitel:

Die Geschichtlichkeit des Johannesevangeliums 1903

Rezensent:

Schürer, Emil

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung. 1903. Nr. 21.

566

Ausfprüche einer kurzen überfichtlichen, mehr zufammen- j die übrigen Eintheilungen hinzugefügt habe. Eine folche

faffenden Befprechung unterworfen, die namentlich um die
Feftftellung des Textes der poetifchen Stücke bemüht ift

Königsberg i. Pr. Fr. Giefebrecht.

Schmidtke, Alfred, Die Evangelien eines alten Unzialcodex
(Bx-Text). Nach einer Abfchrift des dreizehnten Jahrhunderts
herausgegeben. Leipzig 1903, J. C. Hinrichs'-
fche Buchhandlung. (XL, 116 S. gr. 8.) M. 4.—

In der Anzeige des erften Bandes von Gregory's
Textkritik (ThLZ 1901 Sp. 549) fchrieb ich gelegentlich
einer Befprechung der Evangelienminuskel Paris nat.
Gr. 79 (Gregory N. 579): .Martin veröffentlicht {Intro-
duction a la critique texttielle du N. T. II 167— 170) zwei
Blätter der Handfchrift. Aus ihnen geht hervor, dafs
579 einen fehr werthvollen, Bx verwandten Text bietet.
Seit etwa fünfzehn Jahren ift das bekannt, oder konnte
es wenigftens bekannt fein. Warum ift diefe fo leicht
erreichbare Minuskel noch immer nicht collationirt?'

Als ich den vorftehenden Satz fchrieb, ahnte ich
noch nicht, wie bald das dort ausgefprochene Defiderium
fich erfüllen follte. Wie fruchtbringend das Studium
auch einer fpäten Minuskel unter Umftänden fein kann,
hat nun Schmidtke wieder einmal in feiner vorzüglichen
Unterfuchung bewiefen.

Die betreffende Minuskel ift im dreizehnten Jahrhundert
auf Veranlaffung einer Aebtiffin Ülympias in
Syrien oder Aegypten gefchrieben. Der Matthäustext
ift Copie einer jungen, den Vulgärtext bietenden Handfchrift
, aber die drei übrigen Evangelien find — vielleicht j Auf die Einleitung läfst dann Schm. den Text der
auf befondere Veranlaffung der Auftraggeberin — aus J drei letzten Evangelien nach der Handfchrift folgen,
einem, wie fich auf Grund der Schreibfehler erfchliefsen j Es find fehr werthvolle neue Auffchlüffe über die
läfst, alten, etwa aus dem fünften Jahrhundert flammenden ; Gefchichte des neuteftamentlichen Textes, die wir Schm.'s
Majuskelcodex mit mechanifcher Treue abgefchrieben. j gründlicher und äufserft fcharffinniger Arbeit verdanken.
Auf Grund der durch Zeilenausfall entftandenen Omif- Göttingen. Bouffet
fionen der Handfchrift kann man noch erkennen, dafs

auf Matthäus aufgebaute Synopfe hat nun aber nach dem
Bericht des Eufebius Ammonius gefchrieben (tot xara
Maxd-atov rag ouoqjcovovg rcov Xoijccov EvayyeXiOrmv
jtSQtxoxäg xaQafreiq). So wäre uns alfo in BS und
unterer Handfchrift ein Stück der Arbeit des Ammonius
aufbewahrt!

Vielleicht liefsen fich von hier aus gar weitere
Schlüffe für den Text des Hefych gewinnen. Wenn fich
erweifen liefse, dafs auch der Text des Hefych in Matthäus
und den mit Matthäus fich deckenden Perikopen
andersartig fei im Vergleich mit dem der übrigen
Partien, fo dürfte man annehmen, dafs Hefych auch den
Text des Ammonius herübergenommen habe. Doch
giebt S. nach diefer Richtung nur einige Andeutungen
und Verfuche.

Zum Schlufs weift Schm. darauf hin, dafs fich in unterer
Handfchrift auch eine Reihe von Auslaffungen
findet, die auf Zeilen von 16 Buchftaben Länge weifen.
Das würde darauf hindeuten, dafs der alte, unferer Handfchrift
zu Grunde liegende Majuskelcodex feinerfeits
von einer noch älteren mit Zeilen von 16 Buchftaben
abgefchrieben wurde und bereits jener die Auslaffungen
zur Laft fielen. Zeilen von 16 Buchftaben hat nun auch
der Codex B. So wird es fehr wahrfcheinlich, dafs gerade
B Text, Eintheilung, Orthographie und felbft Zeilenaufbau
des alten Werkes des Hefychius uns auf das ge-
treuefte bewahrt hat. — Die Beobachtung aber von der
16-buchftabigen Anordnung des Hefychtextes ift endlich
auch für die Textkritik bei der Beurtheilung von
Omiffionen von grofsem Werth.

die alte Handfchrift in Zeilen von 23 Buchftaben ge- 1 li„....1 „:*»„ r>.„r„rr^ t n:„n___ui.uii! ui -x j ■ 1.

fchrieben war und auf einer Seite etwa 24 Zeilen hatte, "aussleiter, ProfefforJ., Die Geschichtlichkeit des Johannes

Sie hat einen mit den Zeugen Bx CL A'P 33. 892 verwandten
Text, erweift fich alfo als ein Mitglied derjenigen
Gruppe, die ich feiner Zeit als die zur Vulgata der
Kirchenprovinz Aegypten gewordenen Hefych-Recenfion
zu erweifen fuchte, eine Anfchauung, der Schm. zu
meiner Freude zuftimmt. Befonders verwandt erfcheint
unfere Handfchrift mit dem Führer diefer Gruppe B;
mit L ./JIF892 hat fie Joh. 5, 4, mit L Tb ¥ bereits den
doppelten Markusfchlufs.

Vor allem bemerkenswerth ift, dafs die in diefer
Handfchrift markirten Abfätze fich mit der in Bä fich
findenden alten Capiteleintheilung der vier Evangelien
in 170. 62. 152. 80 Capitel aufs engfte berühren. Man
darf daher annehmen, dafs auch dem Schreiber jener
alten Majuskel diefe Capiteleintheilung vorlag, die, da
auch die Textgliederung von X fie noch wiederfpiegelt,
damit wohl als Eigenthümlichkeit der Hefychrecenfion
erwiefen fein dürfte.

S. nimmt von hier aus Veranlaffung, das ganze hier
vorliegende Eintheilungsfyftem mit den in feinem Codex
vorliegenden Unterabtheilungen einer näheren Unterfuchung
zu unterziehen und kommt dabei zu über-
rafchenden Ergebnifsen. Mit v. Soden, deffen Unter-
fuchungen er hier aufnimmt und weiterführt (ThLZ 1903,
Sp. 327), nimmt S. an, dafs die vorliegende Eintheilung
einft fvnoptifchen Zweck gehabt habe. Er folgert dann

J r -er r.i • j______J__U„U___11____

evangeliums. Ein Vortrag. (Hefte zum „Alten Glauben
". 9.) Leipzig 1903, H. G. Wallmann. (20 S. gr. 8.)

M. -.35

Die Berichterftattung über diefen Vortrag kann fich
darauf befchränken, zu conftatiren, dafs die Probleme, um
die es fich handelt, überhaupt nicht berührt werden. Keiner
der fchwerwiegenden Gründe gegen die Gefchichtlichkeit
und den apoftolifchen Urfprung des vierten Evangeliums
wird auch nur erwähnt, gefchweige denn, dafs der Ver-
fuch gemacht würde, fie zu widerlegen. Statt die Zuhörer
zu orientiren, redet der Verf. nur neben der Sache her
Derartiges kommt ja auch fonft vor. Dafs es aber
von Seite eines berufsmäfsigen Vertreters der Neuteftamentlichen
Exegefe gefchieht, ift befonders betrübend.
Göttingen. E. Schürer.

Achelis, Prof. Hans, Virgines subintroductae, ein Beitrag
zu 1 Cor. 7. Leipzig 1902, Hinrichs. (75 S.) M. 2.50
Der Verfaffer will in vorliegender Schrift ein merkwürdiges
Stück in dem Leben der alten Kirche, das
Syneisaktenthum, fchärfer beleuchten und einer gerechteren
Beurtheilung unterziehen. Er ift dazu durch den
AutlatzE. Gräfes ,Ueber geiftficheVerlöbnifsebei Paulus',
Ineol. Arbeiten aus dem rheinifchen wiffenfchaftlichen
weiter aus der Verfchiedenartigkeit der Behandlung, Predigerverein N. F. Heft III, 69 ff. an<*ere<ft worden Die

welche die Parallelen zum Matthäusevangelium im Unter
fchiede von den übrigen Perikopen zeigen, dafs Hefychius
die Capitel und fynoptifchen Unterabtheilungen eines
Matthäus mit Parallelen umfaffenden Werkes für feine
Ausgabe vollftändig recipirt habe und dann in Nachahmung
diefes Werkes, aber nicht mit derfelben Tendenz,

Auslegung Grafe's von 1 Cor. 7 fucht er durch Heranziehung
der einfchlagigen kirchenhiftorifchen Nachrichten
über die Gefchichte des Syneisaktenthums als richtig zu
erweifen. A. geht dabei von den Aeufserungen Cyprians
über das Zufammenleben von männlichen und weiblichen
Asketen aus und verfolgt die Erfcheinung rückwärts bis