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Ausgabe:

1903 Nr. 2

Spalte:

549-551

Autor/Hrsg.:

Kyriakos, A. Diomedes

Titel/Untertitel:

Geschichte der Orientalischen Kirchen von 1453 - 1898 1903

Rezensent:

Meyer, Ph. L.

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549

Theologifche Literaturzeitung. 1903. Nr. 20.

als gioiöxTjQeq bezeichnet werden, beweifst gewifs nicht I
Aftralcharakter ihrer mythifchcn Vorläufer: Harris giebt
S. 16. 48 felbft das Conventionelle folcher Wendungen zu:
er hätte ftatt auf Aefchylos Agam. 6 lieber auf Dan. 122
als Quelle hinweifen und S. 46 zu Ambrofius I Kor. 1542
notiren können; zu den 2 Säulen in Edeffa (teilen fich
Jachin und Boaz I Kön. 7 als Parallele: hier wird allerdings
Dioskurencult fchwer nachzuweifen fein.

Weitaus das wichtigfte Stück ift der Verfuch einer
Erklärung der Thomaslegende: dafs, trotzdem diefe in
Edeffa zu Haufe ift und Edeffa fich rühmte, den Leichnam
des Apoftels zu befitzen, als deffen Miffionsbezirk
Indien angenommen ift, wird hier fehr einleuchtend auf
die in Bardefanes' Schule übliche Zutheilung der Länder
an die einzelnen Zeichen des Zodiacus zurückgeführt:
Indien war den Gemini = Thomas (Didymus) zugefallen.
Auch die Aneinanderreihung von Brautfegnung, Tempel-
bau, Wildefeifahrt in der Legende wird aus Dioskuren-
bezw. Acvin-Mythen fein erläutert. Aber Manches
bleibt docli unerklärt: fo vor allem, wie es zu der merkwürdigen
Identification des Apoftels Thomas mit dem
Herrenbruder Judas, und zu der Aufltellung diefes höchft
merkwürdigen Zwillingspaares: Jefus — Judas Thomas
kam. Dafs Jefus in Geltalt feiner Apoftel erfcheint, findet
fich auch in anderen, ficher älteren Acten.

Harris deutet an, dafs eine weitere Mufterung der
Heiligenfchaar noch mehr Dioskuren liefern würde. Bereits
hat man Brüderpaare wie die in 3 Formen vorkommenden
Anargyren Kosmas und Damian und die
Alexandriner Kyros und Johannes als folche bezeichnet. In
der That kann durch Häufung von Beifpielen der Eindruck
des Beweifes verftärkt werden. Aber wichtiger wäre doch,
dafs die Lücken im bisherigen Beweis ausgefüllt, an Stelle
der Poftulate urkundliche Beglaubigung gefetzt würde.
Die höchft anregende Studie von Plarris wird hoffentlich
nicht verfehlen, weiter eindringende Unterfuchungen von
verfchiedenen Seiten zu veranlaffen.

Jena. von Dobfchütz.

Kyriakos, Prof. A. Diomedes, Geschichte der Orientalischen I
Kirchen von 1453—1898. Autorifierte Überfetzung neblt
einem Vorworte von Lic. Dr. Erwin Raufen. Leipzig 1902,
A. Deichert, Nachf. (X, 280 S. gr. 8.) M. 4.—

Diomedes Kyriakos, feit langen Jahren Profeffor der
Kirchengefchichte in Athen, hat feine 1881 zuerft er-
fchienene dreibändige Kirchengefchichte im Jahre 1898
neu herausgegeben. In deren drittem Bande behandelt
er auch die orientalifchen Kirchen von 1453 an. Diefe
Stücke hat Erwin Raufch durch die Ueberfetzung der
deutfehen Literatur näher zu bringen gefucht und fie
mit den beften Empfehlungen in die Welt gefandt.

Das Buch zerfällt in vier Haupttheile. Der erfte
Hellt die Gefchichte der orthodoxen Kirche unter türki-
fcher Herrfchaft dar (S. I—160), der zweite behandelt die
orthodoxe Kirche in Hellas (S. 161—218). Die beiden
letzten befchäftigen fich auf 55 Seiten mit der neueren
Kirchengefchichte Rufslands und den älteren von der orthodoxen
Kirche getrennten Kirchen des Orients. Schon aus
der geringen Seitenzahl, die diefem weiten Stoff gewidmet
ift, fieht man, dafs hier nicht die Bedeutung
des Buches liegt. In der That find diefe Abfchnitte, in
denen auch noch Rückficht auf die politifche Gefchichte
genommen ift, zu kurz gerathen, um der geftellten Aufgabe
genügen zu können. Der Ueberfetzer hätte fie
weglaffen follen, zumal auch nur abendländifche Literatur
benutzt ift.

Die Gefchichte der orthodoxen Kirche in der Türkei
behandelt Verf. fo, dafs er fie nach verfchiedenen Längsrichtungen
darfteilt. Das Verhältnifs der otomanifchen Regierung
zur Kirche; Verfaffung, Cultus, Sitte; die Be- j
Ziehungen der Kirche zum Proteftantismus; der Papis-

mus im Orient; die kirchlichen Schriftfteller bis zur
Gegenwart: dies find die Gefichtspunkte, unter denen
der Verf. feinen Stoff gruppirt hat. Wir erhalten fo
einige mehr oder weniger klar beleuchtete Streifen aus
der Gefchichte, eine Anzahl von mehr oder weniger
guten Monographien, aber einen Ueberblick über die
Gefchichte der Zeitalter, eine Anleitung zu ihrem Ver-
ftändnifs und zum Verftändnifs der in ihnen wirkenden
Kräfte erhalten wir nicht. Was würde man fagen, wenn
die deutfehe Kirchengefchichte feit der Reformationszeit
in folche Längsftreifen zerfchnitten würde? Gewifs liegt
es anders bei verhältnifsmäfsig fo armen Verhältnifsen,
wie fie in der orthodoxen Kirche fich darfteilen. Aber
auch bei einfachen Zufammenhängen müffen von dem
Hiftoriker die bewegenden Kräfte aufgewiefen werden,
will er auf Wiffenfchaftlichkeit Anfpruch machen. Für
die Gefchichte der griechifchen Theologie feit 1453 habe
ich die Entwicklungsgedanken in der Einleitung meiner
,Theologifchen Literatur der griechifchen Kirche im
16. Jahrhundert' zu geben verfucht. Bei tieferem Quellen-
ftudium liefsen fich auch für die allgemeine Kirchengefchichte
der Orthodoxen die leitenden Gefichtspunkte
wohl auffinden. Wenn nicht, fo ift die Zeit für Gefammt-
darftellungen noch nicht gekommen.

Diefe Aufteilungen können aber nicht abhalten, das
Gute auch in diefem Theile gern anzuerkennen. Eis liegt
namentlich in den Darftellungen aus dem 19. Jahrhundert.
Z. B. ift das über die Gefchichte der Kirchenverfaffung
zu loben. Hier fliefsen die Quellen auch reichlicher. Unzureichend
und fehlerhaft dagegen find die Ausführungen
über die theologifchen Schriftfteller. Hier rächt es fich,
dafs Verf. fich feit der erften Auflage feines Werks nicht
genügend mehr um die Literatur gekümmert hat. Wer
darf die Arbeiten von Legrand vernachläffigen! Auch
über das Mönchthum ift Verf. den neueren Forfchungen
nicht mehr gefolgt. Um der Wahrheit willen mufs ich
aber auch an einem Beifpiele aus der neueren Zeit zeigen,
dafs Verf. nicht immer zuverläffig ift. Der Ueberfetzer
hat in der Einleitung befonders empfehlend gerade auch
auf das vom Verf. über die Bibelüberfetzungen Gefagte
hingewiefen. Kyriakos (teilt diefe Angelegenheit (S. 104)
nun fo dar, als ob die orthodoxe Kirche von fich aus
nichts gegen die Ueberfetzung der Bibel ins Volks-
griechifche gehabt habe, vielmehr dann erft gegen diefe
aufgetreten fei, als die Proteftanten angefangen hatten,
Profelytenmachcrei zu betreiben. Diefe Darlegung ift
unrichtig. Als Meletios Syrigos gegen die erfte volks-
griechifche Ueberfetzung des Maximus Kalliupolites auftrat
, hatte er die orthodoxe Kirche hinter fich. Dofitheos
von Jerufalem, der Wortführer der Orthodoxie im 17. Jahrhundert
, nennt diefe Ueberfetzung in der djt/Lrj rpgäaig
ein tQyov dxorooJiatov. Wenn der Patriarch Parthenios
aber die Verbreitung diefer Ueberfetzung geblattete, fo
gefchah das dem englifchen Gefandten zu Gefallen. Die
neue Bearbeitung diefer Ueberfetzung, die 1703 in London
herauskam, wurde von dem Patriarchen Gabriel
(1702—1707), der keine Rückfichten zu nehmen hatte,
fofort verboten, und zwar weil ein derartiges Unternehmen
als eine ,Neuerung' angefehen wurde. Auch die
wohlwollende Stellung der anatolifchen Kirchenrcieruno-
im Anfang des 19. Jahrhunderts erklärt fich aus der Rück-
fichtnahme auf Rulsland und England. Namentlich mit
dem Tode Alexanders I., und anderfeits mit dem Selb-
ftändigwerden von Hellas fiel folche Rückfichtnahme fort.
Daher auch im dritten Jahrzehnt die grofse Reaction der
orthodoxen Kirche gegen die volksgriechifchen Bibelüberfetzungen
. Uebrigens bin ich ganz der Meinung der
Griechen. Sie müffen das Volk dazu erziehen, dafs es
die Kirchenfprache, das Altgriechifch verftehen lernt.
Die Bibel kann nicht in die durchaus vulgäre Sprache
der Ungebildeten überfetzt werden. Aber das gehört
nicht hierher. Die Darftellung des Kyriakos von der
Sache bleibt irrig. (Für die Quellenbelege vgl. Herzog's