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Ausgabe:

1903 Nr. 20

Spalte:

547-549

Autor/Hrsg.:

Harris, J. Rendel

Titel/Untertitel:

The Dioscuri in the christian legends 1903

Rezensent:

Dobschütz, Ernst

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Theologifche Literaturzeitung. 1903. Nr. 20.

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wirklich vor uns haben. Bis 37; denn mit diefem Vers

theilnehmen; man blickt genau in die Werkdatt und freut

hat Hippolytus feine Arbeit befchloffen. In dem, was fich mit ihm jeder neuen Entdeckung. Aber dabei wird
bis jetzt vorliegt, ift kein Wort, das gegründeten Zweifel ! doch unwillkürlich auch das Gefühl des Zufälligen, Will-
an der Echtheit erwecken könnte. kürlichen in dem nachprüfenden Leier erweckt und Be-

Die typologifche Exegefe des Hippolytus liegt unferm j trachtungen über die rechte Methode folcher Forfchung
Denken und Gefchmack fehr fern; an feiner rhetorifchen in ihm angeregt. Mit erftaunlicher Belefenheit verbindet
Begabung, feiner religiöfen Wärme und feiner chriftlichen ! Harris ein unerfchöpfliches Combinationsvermögen: er
Ueberzeugung wird fich Jeder erfreuen, der fich für die weifs immer neue Beziehungen aufzudecken. Aber diefe
Anfänge der Predigt intereffirt. An der deutfchen Form, ; einzelnen Lichter blenden den Lefer mehr, als dafs fie ihn
in der fie uns geboten wird, braucht fich Niemand zu j klar fehen liefsen. Das ift das Schickfal der meiden
dofsen: fie bedeutet bei der Eigentümlichkeit der Ueber- religionshidorifchen Studien: wie fascinirend wirkten von
lieferung einen Vorzug, da fie eine Gewähr für die Treue i Gutfchmid's feinfinnige Erklärungen der apokryphen Apo-
der Ueberfetzung id; und der Gedankeninhalt id durch delgefchichten und feine Analyfe der Georgslegende: fie
fie nur feiten undeutlich geworden oder gar entdellt. j haben dennoch nicht dichgehalten. Es fehlt hier noch
So werden es hoffentlich weitere Kreife von Theologen | an einer ficheren Methode! Ich werde immer an die Art
fein, die fich für diefe neue, und wieder fo werthvolle der Allegorie erinnert, deren Kund es war, zwei Gegebene,
Gabe Bonwetfch's intereffiren. Schrifttext und eigene Gedanken, durch den Nachweis von

Hippolytus hat immer die Gund der praktifchen allerlei mehr oder weniger treffenden Einzelübereindimm-
Theologie befeffen, und einen feden Platz in der Ge- ungen als fich deckend, als in einander angelegt zu er-
fchichte der Predigt gehabt, den ihm feine Taufrede Mg weifen. So hier Mythus und Legende! Man glaubt,
xa ayia -d-eo<pav£ia verfchafft hat. Nachdem neuerdings j durch eine ganze Anzahl von Uebereindimmungen die
deren Echtheit bedritten id, find diefe georgifchen Pre- j Abhängigkeit zu erweifen und reiht doch nur Zufälliges
digten hoffentlich im Stande, ihn zu rehabilitiren. Die ; an Zufälliges. Ein durchfchlagender Beweis wäre genug.
Predigtweife der alten Kirche wird man fich aus ihnen j Dabei exidirt das eine der beiden Gegebenen oft nur
gut vergegenwärtigen können. in Form eines Podulates. Ferner find beide keine

Harnack condatirt in der voraufgefchickten Unter-
fuchung, dafs der erhaltene Briefwechfel Cyprian's auf
nicht weniger als 70 verlorene Briefe verfchiedenen Inhalts
hinweife. Er führt die Stellen, aus denen er feine
Schlüffe zieht, im Wortlaut an, und bemerkt dazu, was
fich über den Inhalt der ermittelten Briefe fagen läfst.
Dabei wird eine Menge kirchengefchichtlicher und
kirchenrechtlicher Fragen gedreift und beleuchtet, und
einige allgemeine Sätze über die Ueberlieferung des
Cyprianifchen Briefwechfels aufgedellt. — Klodermann

Einheiten, fondern in deter Umbildung begriffen: in
welcher Mannigfaltigkeit die Dioskurenvordellung auftritt
, lehrt ein Blick in Rofcher's Lexikon. Aber auch
die Legenden entwickeln fich: man kann die Frage
aufwerfen, ob es methodifch zuläffig fei, bei einer folchen
Unterfuchung auch jüngere Nebentriebe, z. B. die aethio-
pifche Thomaspredigt neben den alten Acten heranzuziehen
: mufste nicht, zumal wo wir bewufste Erfetzung
eines alten Mythus durch eine chridliche Legende annehmen
follen, das Bewufstfein um die urfprüngliche Be-
befpricht den Charakter und die Ueberlieferung von deutung der Heiligen mit dem Schöpfer derfelben ins
Eufebius' ,Ueber die Ortsnamen der h. Schrift'. Die Grab finken? Und doch deht fed, dafs Legenden auch
einzige, fchlechte Handfchrift, auf der auch Lagarde's weiterhin von dem ihnen zu Grunde liegenden Mythus
Ausgabe beruht, läfst fich aus Hieronymus, aus der LXX | Beeinfluffung erfahren haben, weil er fowohl als ihre Be-
und aus Prokop von Gaza vielfach corrigiren. ziehung zu ihm im Volksbewufstfein fortlebten (vgl.

Gelzer's feine Analyfe der Demetriusacten in ,Genefis der
byzantinifchenThemenverfaffüng'53—Ö4,dazuTh.L.Z. 1900
Sp. 112 fg.). Es deht auch fed, dafs heidnifche Cultdätten
direct in chridlich-kirchlichen Gebrauch überführt worden
find: das hat z. B. für Armenien Geizer in den Berichten

Königsberg i. Pr. H. Achelis.

Harris, J. Rendel, M. A., The Dioscuri in the Christian
legends. London 1903, C. J. Clay and Sons. (64 p. gr. 8.)

Eine fehr intereffante Studie in Ufener's Art, bei der j der k. fächf. Gefellfchaft derWiff. 1895, 109—174 erwiefen

auf Grund von Kalenderbeziehungen, Aehnlichkeit der '< Aber es gefchah doch nur vereinzelt. Mit der Annahme

Functionen und Verwandtfchaft der Cultusideen 5 Paare j bewufster Uebernahme und Umbildung von Mythen wird

chridlicher Heiliger als Erfatz localer Formen der Dios- j man zurückhaltend fein müffen. Das Meide vollzieht fich

kuren in Anfpruch genommen werden. Es find 1) Florus hier im Reiche des Unbewufsten und entzieht fich damit

und Laurus in Illyrien (18. Aug. griech. — lat. S. Helena's j unferer Erkenntnifs. Die Folkloridik hat etwas Verwandt-

Tag), Steinmetzen, die einen Tempel bauen follen, eine i fchaft mit der Alchimie.

chridliche Kirche daraus machen und dafür das Martyrium Das ficherde Mittel bietet jedenfalls der Cult, infonder

erleiden — fo die officielle Legende der Menäen; dem
ruflilchen Bauer find fie die Patrone der Pferde! 2) Judas

heit der Kalender. Und hier id in der That Harris' Beobachtung
frappant, dafs meid der 18./19. eines Monats

Thomas, der Apodel Indiens (19. Juni gr., 28. Oct. lat.), in j in Betracht kommt. Harris erklärt dies aus einer monat-
den edeffenifchen Thomasacten als Zwillingsbruder Jefu 1 liehen Feier im Cult der Dioskuren, denen ja vielfach die
gefafst. 3) Protafius und Gervafius in Mailand (14. Oct. : Beziehung auf Morgen- und Abenddern gegeben wurde;
gr., 19. Juni lat.), von Ambrofius nach Auffindung riefen- j der Mythus nennt fie Brüder der Helena, der Repräfen-
hafter Gebeine feiner Gemeinde als Vorkämpfer gegen tantin des Mondes. Schade nur, dafs gerade die cult-
den Arianismus vorgedellt. 4) Speufippus, Elafippus und gefchichtlichen Parallelen fo viel mit Podulaten arbeiten
Mefippus in Kappadokien (16. Jan.) mit ihrer Grofsmutter '. müffen. Völlig bewiefen wäre Harris' Thefe doch erd,
Neonilla: ihren Namen nach — wie Harris fagt — ent- wenn eine folche monatliche Feier anderweitig belegt
weder chridliche Jockeys oder die alten Pferdegötter in ; werden könnte.

einer auch fond bezeugten Drillingsform; 5) Kadorius I Auf viele der übrigen Parallelen kann man verzichten:
(18. Sept., Kadoulos 18. Dec.) und Polyeuktes (= Poly- i fie beweifen oft nichts oder zu viel: Die Dioskuren find
deukes), der berühmte Patron von Melitene (19. Mai und ' ficherTempelbauer, auch wenn die etymologifcheErklärung
19. Dec.), in deffen poetifcher, von Corneille dramatifirter j ihres Beinamens AovttQOai (= ap-ߣQ~/£iv) = XiO-ot-ooi
Legende die Liebe der Zwillinge, von denen nur einem ; fprachwiffenfehaftlich zu beandanden id, wie ich von Pro-
Underblichkeit zukommt, fich wiederfpiegelt. Am 19. Apr. feffor B. Delbrück lerne. Die Trias Speufippos, Elaüppos,
und 13. Oct. kennen die Kalender auch h. Dioskure. { und Mefippos kann ihre Beziehung zu einem Dioskuren-
Harris läfst, das giebt der Unterfuchung einen grofsen cult behalten, auch wenn ihre Grofsmutter Neonilla nicht
Reiz, den Lefer gleichfam an all feinen Experimenten mit Nemefis zufammenhängt. Dafs Heilige im Hymnus