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Ausgabe:

1903 Nr. 19

Spalte:

527-528

Autor/Hrsg.:

Niebergall, Friedrich

Titel/Untertitel:

Ein Pfad zur Gewissheit 1903

Rezensent:

Lobstein, Paul

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Seite 1

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527

Theologifche Literaturzeitung. 1903. Nr. 19.

528

Ethik Luther's auch da ihre Grenze, wo die fupranaturale mus, eine reiche Mannigfaltigkeit von Fragen und Gegen

Sphäre und die Glaubenspflege aufhört, Welt und Cultur

(fänden berührt, die fleh aber alle fchliefslich auf das in

anfängt. Wie (feilt fleh Luther zu ihr? K. hat diefe j der Ueberfchrift angedeutete Thema concentriren. In
Frage, die doch auch unter das Thema: Religion und den zwei erften Nummern tritt befonders die Feinheit
Moral gehört, überhaupt nicht aufgeworfen, da er fleh j der religionspfychologifchen Analyfe hervor; die zwei
auf jene fupranaturale Ethik befchränkt. Der Katholi- letzten Nummern liefern werthvolle Beiträge zu einer
cismus hatte auch hier eine Ethik zu entwickeln verftan- • auf eine klar und confequent durchgeführte Erkenntnifs-
den, kraft des Naturrechts, die den durch diefes legiti- 1 theorie fleh gründenden Apologetik. Nach einer pfycho-
mirten Staat, Cultur u. dgl. umfpannte in guter Gefchloffen- j logifchen Darlegung der religiöfen Grundthatfache des
heit und praktifcher Regfamkeit! Luther verfagte hier, nur j Chriftenthums, die bereits in dem erften Worte der Bergzögernd
hat er hier die Brücke gefunden, die alte Brücke j predigt befchloffen liege, zeigt N., wie die religiöfe Phan-
des Naturrechts. Wie weit? das wäre von K. zu zeigen 1 tafle auf die Darfteilung jenes Grunderlebnifses geftaltend
gewefen, wobei ihm E. Ehrhard's Studie: la notion du und erläuternd einwirkt. Die Befchreibung diefes noth-
droit naturel chez LutJier 1901 gute Dienfte hätte leiften | wendigen Umkleidungsproceffes der tiefften chriftlichen
können. — Wahrheiten könnte leicht den Eindruck erwecken, als

So hätte die Arbeit K.'s umfaffender angelegt werden ob die ganze Welt des Glaubens fleh in Illuflonen auf-
müffen; fie bleibt in dem richtigen und guten Anfatz löfen müffe, und fo drängt die ,hi(torifch-pfychologifche'
flecken. Immerhin gebührt K. befonderer Dank für die Darftellung zur Frage, ob denn auf diefem Gebiete Gekräftige
Herausftellung des richtigen Ausgangspunktes. wifsheit möglich und erreichbar fei. Diefe Frage ift nur
Giefsen Köhler unter der Vorausfetzung zu bejahen, dafs es fleh hier

um eine Gewifsheit eigener Art handelt. Nicht Beweisgründe
, fondern Beweggründe (22. 29) führen hier zum
Ziele. Näher kommt bei der chriftlichen Anfchauung
der hier allein durchfchlagende und mafsgebende Eindruck
dadurch zu Stande, dafs der Gegen (fand, nämlich
was mit Jefus Chriftus zufammenhängt, richtig aufgenommen
und angeeignet werde. ,Mit dem Sinn für das Hohe
und Gute und Heilige hebt es an, daraus wird Verlangen
nach einem Mehr von Güte und Wahrheit, daraus kann

Schultz, D. Hermann, Grundriss der christlichen Apologetik

zum Gebrauche bei akademifchen Vorlefungen. Zweite
erweiterte Auflage. Göttingen 1902, Vandenhoeck &
Ruprecht. (IV, 225 S. gr. 8.) M. 4.—; geb. M. 4.60

Die zweite Auflage diefes im Jahre 1894 zuerft er-
fchienenen Grundriffes (f. Th. Lztg. 1895, Nr. 3) ift
in der allgemeinen Gliederung und Anlage unverändert j erwachfen die Erkenntnifs, dafs in der geiftigen Welt
geblieben. Sie zerfällt, wie die erfte Auflage, in drei 1 der Wahrheit und Güte der Sinn der Welt und das Ziel

flaupttheile. Der erfte Theil bringt die Apologie der
religiöfen Weltanfchauung (8—84: Wefen der Religion
; Poftulate der religiöfen Weltanfchauung; die Vernünftigkeit
der religiöfen Weltanfchauung). Der zweite
Theil, der den allgemeinen Titel ,Religionsphilo-

des Lebens liegt, und endlich fchlägt diefe Ueberzeugung
um in die Gewifsheit, dafs in der gefchichtlich von
Jefus und allen Propheten und Apoffeln ausgehenden
Geifteskraft Hülfe Gottes zum Heil des kämpfenden
Menfchen gegeben ift. Von einer Etappe zur andern

fophie' führt, handelt von der Religion in ihren ge- ftärkt fleh die Luft am Guten und die Kraft zum Guten,
fchichtlichen Erfcheinungen (84—144: Naturreli- j Denn je höher das Anfehen und die Weltbedeutung des

gionen, Culturreligionen, Prophetenreligionen). Der dritte
Theil ift der Apologie des Chriftenthums gewidmet
(144—225: Wefen des Chriftenthums; Vollkommenheit
des Chriftenthums [das vollkommene Gut, die vollkommene
Offenbarung]). Wie die Anlage, fo find auch
Methode und Standpunkt des Grundriffes diefelben geblieben
. Das Neue des Buchs liegt in den zahlreichen
und höchft dankenswerthen Erweiterungen, welche die
Darftellung erfahren hat. Bald find die früher nur andeutenden
Anmerkungen dem Texte in ausführender und
begründender Geftalt eingefügt, bald der Text felbft fei
es durch Bezugnahme auf neuere Erfcheinungen und
Namen, fei es durch beftimmtere Erläuterungen wefent-
lich bereichert worden. Durch diefes Verfahren wollte
der Verf. feiner Darfteilung ,den Charakter des Dictates'

Guten fteigt, defto tiefer wurzelt es fleh in der Seele ein'
(29). Wer aus diefen und ähnlichen Erklärungen den
Schlufs ziehen wollte, dafs der Verf. das Chriftenthum
in lauter innere Erlebnifse auflöfe und die Bedeutung
der den Glauben weckenden Thatfache, der ,rettenden
That', unterfchätze, würde ihm fo gewifs Unrecht thun,
als er die Ausführungen des Büchleins nur unvollftändig
und ungenau in Betracht zöge. Dafs der geäufserte
Vorwurf wirklich gegen N.'s Pofition erhoben worden
ift, mufs Angefichts Erklärungen wie die folgende geradezu
^unerklärlich fcheinen: ,Chrift fein ift Vater fagen
zur höchften Macht Himmels und der Erde. Das lernt
man auf Grund des Herrfagens zu dem gekreuzigten
Jefus. Das ift das ganze Chriftenthum: Jefus mein Herr
und Gott unfer Vater; aber das richtige Thor zum Vater

benehmen, und das Lefen des Buches auch denen er- ift Jefus, denn nur wer die Dinge des Lebens abfehätzt,

leichtern, die nicht durch die erklärende und ausführende
Vorlefung unterftützt werden'. Dafs ihm dies vortrefflich
gelungen ift, wird felbft ein flüchtiger Vergleich der zwei
Auflagen feftftellen. Die Seitenzahl ift von 126 auf 225
gediegen. Freilich dürfte nicht ein Jeder die Erfetzung
der fehr gefälligen lateinifchen Lettern durch gothifche
Schriftzeichen als einen Fortfehritt begrüfsen. Unter den
neueren Beiträgen zum Ausbau der unter uns immer
noch fehr im Argen liegenden Apologetik behauptet
diefer Grundrifs eine hervorragende Stelle, und er wird
gewifs in diefer neuen Geftalt noch einen weiteren Kreis
gelehriger und dankbarer Lefer gewinnen.

Strafsburg i. E. P. Lobftein.

Niebergall, Pfr. Lic. F., Ein Pfad zur Gewissheit. Tübingen
1902, J. C. B. Mohr. (45 S. gr. 8.) M. 1.—

Ein geiftvolles und anregendes Büchlein, das in
frifcher lebendiger Form, ohne pedantifchen Schematis-

wie es Jefus that, der bekommt Muth und Einficht, an
das Ziel zu glauben, auf das alle Wege des Lebens hinführen
können' (36—37). — Die Streiflichter, die der Verf.
auf wichtige Punkte der Theorie des religiöfen Erkennens
fallen läfst, werden vielleicht dazu beitragen,
manche Mifsverftändnifse zu befeitigen, manche Unklarheiten
aufzuhellen. Seine Ausführungen find vornehmlich
denen zu empfehlen, die das theoretifche Welterkennen
und die religiöfe Glaubenserkenntnifs zu einem
zweideutigen Verftandes- und Gemüthsproduct zufam-
menquälen, und das treffende Wort des franzöfifchen
Denkers nicht zu faffen vermögen: Dieu est la cause de
toul, mais il n'est Vexplication de rien. —■ Wir verdanken
dem Verfaffer bereits manche werthvolle Gaben: diefe
Schrift ftellt fleh feinen früheren Veröffentlichungen ebenbürtig
zur Seite.

Strafsburg i. E. P^ Lobftein.