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Ausgabe:

1903 Nr. 18

Spalte:

508

Titel/Untertitel:

Holder, Das kirchliche Vermögensrecht des Kantons Freiburg 1903

Rezensent:

Frantz, Adolf

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Theologifche Literaturzeitung. 1903. Nr. 18.

508

Erörterungen der modernen deutfchen Philof. (S. 3, 83,87).
In ihnen unterfcheidet er vier Hauptrichtungen, den Pofi-
tivismus, Materialismus, Naturalismus und Idealismus, als
deren gemeinfames und für die Gegenwart charakterifti-
fches Merkmal er das feit dem Fall der rein fpeculativen
Philof. gewonnene freundfchaftliche Verhältnifs zu den
Einzelwiffenfchaften bezeichnet, das genauer befleht in
einer Ergänzung der Einzelwiffenfchaften ,durch Erkennt-
nifstheorie und Logik [=Wiffenfchaftslehre], durch eine fie
ausbauende und weiterführende [d. h. zu der jenfeits der
Erfcheinungswelt zu fuchenden wahren Realität hinführende
(vgl. S. 106, 112 ff., 62)] Metaphyfik [wobei jedoch
der Pofitivismus ausgenommen wird] und durch
Unterfuchungen, die im Geilte und mit den Methoden
der Einzelwiffenfchaften betrieben und durchgeführt
werden' (S. 7 h).

Mit dem zweiten Capitel beginnt dann die Behandlung
der einzelnen Richtungen in der angegebenen Reihenfolge
, und zwar verfährt der Verf. ftets fo, dafs er fie nach
einer einleitenden Ueberficht über den allgemeinen Charakter
und die Verbreitung der betreffenden Richtung in
der Philof. der Gegenwart durch Befprechung ihrer Hauptvertreter
in verftändlicher und meift auch, fo gut es bei
der nothwendigen Kürze möglich war, den Zufammen-
hang des Syftems berückfichtigenden Form zu fchildern
fucht, um fie alsdann einer Kritik zu unterziehen, die nur
beim Idealismus einen etwas gröfseren Raum einnimmt.
Dabei erfcheinen als Hauptvertreter des Pofitivismus Mach
und Dühring, des Materialismus Haeckel, des Naturalismus
Nietzfche und des Idealismus Fechner, Hartmann und —
last not least — Wundt. Külpe's Kritik lehnt indeffen
fämmtliche Richtungen ab, ohne fie jedoch bei allem Feit- j
halten an der Berechtigung der Metaphyfik in anderer
Weife zu erfetzen. Vielmehr weift er diefer hier nur die
fchon genannte Aufgabe zu (S. 106), und betont im
Schlufs-Capitel, dafs fie diefer Aufgabe allein dann gerecht
werden kann, wenn zunächft einmal der Pofitivismus
als ihr gefährlichfter Gegner durch einen Neorationalismus
überwunden ift, wozu vor Allem die Setzung eines fremden
Seelenlebens und einer gefchichtlichen Realität foll dienen
können (S. 113). —

Darf ich diefem Referate nun noch einige Einwände
hinzufügen, fo können diefelben nur die ganze Anlage
der befprochenen Werke betreffen. Dabei will ich die
Unangemeffenheit der Titel nur erwähnen; fie geben, wie
fchon aus dem Referate erfichtlich ift, den Inhalt in
beiden Fällen nicht mit der erforderlichen Genauigkeit
wieder. Gegen Riehl habe ich dann noch zu bemerken,
dafs er m. E. die Metaph. als eine über die wiffenfchaft-
liche Philof. hinausgehende Speculation allzu fcharf ver-
urtheilt. Ich glaube und hoffe nicht, dafsMenfchen jemals
aufhören werden, nach einer abgefchloffenen Lebens- und
Weltanfchauung zu ftreben, und ich fürchte, dafs die
nicht gewonnen werden kann, ohne die Flrkenntnifs der
F-rfcheinungen durch Speculation über die Dinge an fich
zu ergänzen. Dann aber ift es beffer, wenn fich grofse
und wiffenfchaftliche Geifter auch diefer metaphyfifchen
Aufgabe unterziehen, als wenn fie dem Belieben des
Einzelnen oder gar der ,Volksfeele' überlaffen bleibt.
Auch fcheint mir Riehl felbft in feinem philof. Monismus
den Standpunkt der ,wiffenfchaftlichen Philof.' ver-
laffen zu haben. — Külpe's Arbeit kann von vornherein
nicht beurtheilt werden ohne Berückfichtigung ihres populären
Zweckes. Aber gerade diefer Zweck veranlafst
mich zu gewiffen Ausftellungen. Dabei mufs ich freilich
von vorn herein auf einen naheliegenden und von Külpe
S. 11 felbft an die Hand gegebenen Einwand gegen die
Coordination der vier Richtungen verzichten, weil
der Verf. hierfür ,das Recht der perfönlichen Anficht'
(S. 4) in Anfpruch nimmt, das ich nicht anzutaften
habe. Darauf darf ich aber hinweifen, dafs es mir
nicht ganz verftändlich ift, inwiefern Nietzfche insbe-
fondere in der Darfteilung Külpes als Hauptvertreter

eines erkenntnifstheoretifch und metaphyfifch gerichteten
Naturalismus — und auf Erkenntnifstheorie und
Metaphyfik wollte fich der Verf. befchränken — gelten
kann, dafs es mir aber durchaus unverftändlich ift, wefs-
halb Haeckel, über deffen Werth der Verf. doch fehr wohl
unterrichtet ift (vgl. S. 41 f.), als Hauptvertreter eines
philof. Materialismus aufgeführt wird. Ich glaube, man
thut der Philofophie grofses Unrecht, wenn man ihr
alles in die Schuhe fchiebt, wofür fich andere Disciplinen
entfchieden bedanken. Endlich möchte ich noch darauf
hinweifen, dafs mir wohl eine an die Wiffenfchaften anknüpfende
Metaphyfik möglich zu fein fcheint, nicht aber
auch eine ,Metaphyfik als Wiffenfchaft', als ,inductive
Vollendung realwiffenfchaftlicher Erkenntnifse' in dem
oben erläuterten Sinne. Denn entweder ift die Metaph.
wiffenfchaftlich und inductiv und bleibt dann im Reich
der Erfcheinungen, oder fie richtet fich auf die Dinge
an fich, das Wefen der Welt, oder wie man fich fonft
ausdrücken will, hört dann aber auf, wiffenfchaftlich und
inductiv zu fein. Und ich fürchte defshalb fehr, dafs das
neue Reich einer wiffenfchaftlichen Metaphyfik, das der
Verf. ,aus dem Meere der Zeit fich erheben' fieht, nur
eine Fata Morgana ift.

Göttingen. Dr. Goedeckemeyer.

Holder, Das kirchliche Vermögensrecht des Kantons Freiburg.

Freiburg (Schweiz) 1902, Univerfitätsbuchhandlung.
(199 S. gr. 8.) M. . _

Mit der vorliegenden Arbeit, die zuerft in den Freiburger
Gefchichtsblättern erfchienen ift, hat der Verfaffer
fich auf ein bisher faft ganz unbebautes Gebiet des
Schweizerifchen Kirchenrechts begeben. Derfelbe hat es
fich zur Aufgabe gemacht, die Entwickelung des kirchlichen
Vermögensrechtes im Kanton Freiburg in knappen
Linien zu zeichnen. Dabei legt er, wie es in der Natur
der Sache liegt, befonderes Gewicht auf die Amortifa-
tionsgefetze,denen demgemäfs einverhältnifsmäfsiggrofser
Theil der Darftellung gewidmet ift. Im Einzelnen be-
fchäftigt fich Verf. zunächft mit der Erwerbsfähigkeit der
Kirche und fchildert bei diefer Gelegenheit eingehend
den Gang und die Schickfale der Amortifationsgefetz-
gebung bis in die Gegenwart. Sodann erörtert er die
auch im gemeinen Recht fehr ftreitige Frage, wer als
Subject, als Eigenthümer des Kirchenvermögens anzufeilen
ift. Des Weiteren wird von den kirchlichen Ver-
mögensobjecten im Allgemeinen und im Einzelnen gehandelt
und die Verwaltung und Verwendung des Kirchenvermögens
dargeftellt. In einem Schlufscapitel wird endlich
die Veräufserung der Kirchengüter einer Betrachtung
unterzogen. Ein Anhang befchäftigt fich mit dem Freiburger
Landrecht. Obfchon Verf. in der Vorrede fagt,
I dafs es ihm nicht darauf angekommen fei, das vorhan-
S dene Material bis ins Detail zu erfchöpfen, fo ift doch
das, was er bietet, eine recht gründliche und dankens-
werthe Leiftung, und wir können feinen in Ausficht ge-
ftellten weiteren Publicationen über Schweizerifches kirchliches
Vermögensrecht mit lebhaftem Intereffe entgegen-
fehen.

Kiel. Frantz.

Bibliographie

von Lic. theol. Paul Pape in Berlin.
iDeutfche fi-iteratur.

Cumont, F., Die Myfterien des Mithra. Ein Beitrag zur Religions-
gefchichte der röm. Kaiferzeit. Deutfch v. Geo. Gehrich. Mit 9 Ab-
bildgn. im Text u. auf 2 Taf. fowie e. Karte. Leipzig 1903, B. G.
Teubner. (XVI, 176 S. gr. 8.) 5 —i geb. 5.60

Cafpari, W., Die Religion in den affyrifch-babylonifchen Bufspfalmen.
(Beiträge zur Förderung chriülicher Theologie. VII. Jahrg. 1903.
4. Heft.) Gütersloh 1903, C. Bertelsmann. (92 S. gr. 8.) 1.80