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Ausgabe:

1903 Nr. 16

Spalte:

454-457

Autor/Hrsg.:

Rahmer, Moritz

Titel/Untertitel:

Die hebräischen Traditionen in den Werken des Hieronymus. Die Commentarii zu den zwölf kleinen Propheten. I. Hälfte 1903

Rezensent:

Bacher, Wilhelm

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Theologifche Literaturzeitung. 1903. Nr. 16.

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gehalten hat. Jedenfalls mufsten directe Unrichtigkeiten
vermieden werden. Solche waren in den erflen Heften
dadurch entftanden, dafs der Ueberfetzer eine veraltete
Recenfion des Urtextes zu Grunde gelegt hatte. In
den neuen Heften fcheint er einen guten Text benutzt
zu haben, nur in den Ignatiusbriefen erfcheinen noch
Spuren veralteter Textrecenfionen auch da, wo der
Zahn'fche und der Lightfoot'fche Text auf Grund der
beflen Handfchriften übereinftimmen. z. B. ad Magn. 3
liefs <pQovi[iovq ft. tpgoviuag ad Phil. 5 octgxi fh cäftaxi.
Das find aber Kleinigkeiten. Im Ganzen habe ich mit
Freude wahrgenommen, dafs der Ueberfetzer der in der
früheren Anzeige ausgefprochenen Bitte nachgekommen
ift, auf die Grundlage eines guten Originaltextes mehr
Gewicht zu legen und Schwerverftändliches durch Anmerkungen
zu erläutern. Vielleicht vermehrt er diefe in den
folgenden Heften und giebt zu jedem Stück die Einleitung
in ausführlicherer Weife. Dann würde feine Arbeit
ihrem Zwecke noch beffer entfprechen, die chriftliche Gemeinde
für diefe fo werthvollen Urkunden zu intereffiren.

Im Einzelnen mag Folgendes bemerkt werden. In
der Ueberfetzung der Apoftellehre Heft 4 hätten auch
die Unterabtheilungen der Capitel nach der Harnack-
fchen kleinen Textausgabe verzeichnet werden follen.
vaoldfiaTa (c. 1) follte mit ,Gnadengaben' nicht mit ,be-
fondere Gaben' wiedergegeben fein. frgdöog c. 3 ift mit
.Frechheit' zu fcharf überfetzt, beffer .Uebermuth'. Für
jtegl edyctgioxiaq (c. 9) ift /beim heiligen Abendmahl'
etwas fehr frei, das Wort .Euchariftie' mufste flehen
bleiben und konnte in der Fufsnote fprachlich und fachlich
erklärt werden. Mexcc rd tßJiXno&rjvca umfchreibt
Klein mit ,Ift die heilige Handlung vollendet'. Der
einfache Hergang ift damit zu rituell bezeichnet und die
wörtliche Ueberfetzung: /Nach der Sättigung' mufste
flehen bleiben. Der Parallelismus der Gebete hätte im
Druck hervorteten müffen. Für xaig hätte die andere
Erklärung .Knecht' wenigftens angemerkt werden können.
In den Schlufsfätzen hat fich Kl. die efchatologifche
Auslegung angeeignet, die ich für falfch halte, und hat
Igylod-co mit ,gehe ihm entgegen' überfetzt. Hier und
da geht die Feinheit des griechifchen Ausdrucks durch
die Uebertragung zu fehr verloren, fo z. B. c. 16 ,nicht
ungegürtet fein' für ,u// IxXveod-ai1. Das fünfte Heft
(Märtyreracten III) enthält den Brief der Chriften zu
Vienne und Lyon. Die Ueberfetzung lieft fich gut. Nur
Kleinigkeiten find zu bemerken: c. I liefs Widerfacher ft.
Satan "für ävTtxelftsvog', p. 10 Z. 2, lies: vertheidigen ft.
vereidigen; p. 10 Z. 13 ift yvyöioq unüberfetzt geblieben;
ebenfo xdi 'ioxiv; p. 12 lies jüngft getauft ft. jüngft ^ erweckt
für vso<pcöriOtog; p. 21 ftatt .Markt' für jcavnyv-
Qiq, beffer: ein öffentliches Feft. Leider ift die Capitel-
eintheilung weggelaffen.

Das fechste Heft (Märtyreracten III) bringt die Acten
der Perpetua und Felicitas. Diefe Uebertragung darf
als befonders wohlgelungen gerühmt werden. An einigen
Stellen hat Kl., um Anftofs zu vermeiden, die zu con-
crete antike Ausdrucksweife abgemildert, beim Martyrium
der Felicitas aus demfelben Grunde einen Satz weggelaffen
(p. 27 a sanguine ad sangiänem etc.) c. 16 hat er
eine Umftellung der Sätze vorgenommen, um den Zu-
fammenhang klarer zu machen, (unutn adicientes docutnen-
tum de ipsius constantia et anitni sublimitatc ausgelaffen;
fpäter: da trat Perpetua hochgemuth und tapfer vor ihn
hin). Das geht fchon etwas weit.

Am meiften Schwierigkeit machten dem Ueberfetzer
die Ignatiusbriefe, von denen er in Heft 7 die an
die Smyrnäer, Magnefier, Philadelphier darbietet. Hier
bringt es die Abficht des Verf. durch die Ueberfetzung
das fchwer Verftändliche zugleich zu erläutern, mit fich,
dafs oft der Sinn der Stelle geändert oder die Prägnanz
des ignatianifchen Ausdrucks zu fehr abgefchwächt ift.
Da hätte die englifche Ueberfetzung des Bifchofs Light-
foot dem Verf. gute Dienfte leiften können. Ich verzichte
darauf, auf alles Einzelne einzugehen. Nur das
pofitiv Falfche fei kurz vermerkt. Ad Sm. 3 ift xdi
jciOzsvco dvxa mit ,im Fleifch ift' nicht ,war' zu überfetzen
, ebenfo ift das ,war' am Schlufs des Capitels nicht
correct; ad Sm. 6 (beffer 7) mufste es heifsen: .welcher
für unfere Sünden gelitten hat und welchen der Vater
in feiner Güte auferweckte' ftatt ,und zwar fo gewifs wie
er' u. f. w.; top xgaößvxegim wäre immer mit ,dem Pres-
byterium wiederzugeben ftatt ,den Aelteften'. Seite 14 fagt
Kl. in der Anmerkung, die Liebesmahle der erften
Kirche hätten mit dem heiligen Abendmahl in engfter
Verbindung geftanden. Beffer wäre es zu fagen: Agape
und Euchariftie waren in ältefter Zeit (auch bei Ign.)
ein und dasfelbe. Kl. hebt felbft hervor, dafs Ign. Taufe und
Agape hier fo als ein Paar zufammennennt, wie fpäter
immer Taufe und Abendmahl zufammen genannt werden;
p. 15 Z. 2 von unten mufs das ,einmal' geftrichen werden
, da Ign. ja dringend fo bald wie möglich zu Gott
kommen möchte. Wenn Kl. ,xaq Jiagd-evovq xdg Xeyo-
fitvaq yp/pßg' überfetzt ,die Frauen, die Wittwen find, und
doch den Jungfrauen gleich leben' fo dreht er den Wortlaut
des Textes jedenfalls geradezu um. Ad Magn. 2.
p. 18 Z. 5 v. unten lies ,fehen' ft. fprechen; c. 3 (p. 19
Mitte) liegt die falfche Lesart cpgovifim ft. (pgovlfiovq der
Ueberfetzung zu Grunde; c. 8 geht'bei Ueberfetzung
des Xoyoq düio Oiyfjq jiqoeX&cov dg xaxct jcdvxa evrjgtaxijOi
xä> jctßipavxi aizdv (in Ihm, feinem Wort, das aus der
Stille kam, in Ihm, auf dem in allen Stücken das Wohlgefallen
deffen ruhte, der ihn entfandt hatte) die ganze
Feinheit des ignatianifchen Satzes verloren. Ad Phil. 5
ift nach der beffern Lesart das Evangelium nicht als
,Blut' fondern als .Fleifch' Chrifti bezeichnet. Ich
breche ab. Nur mufs ich noch bemerken, dafs ich den
Brief an die Trailer hier vermiffe, während der an die
Smyrnäer mit dem an Polykarp zufammengehört hätte.
Hoffentlich erfcheinen auch die beiden noch fehlenden

| Ignatiusbriefe und der Brief des Polykarp an die Philipper
bald und dann wenigftens ausgewählte Stücke aus

| I und II Clem. Denn wenn auch diefe Sammlung für
wiffenfchaftliche Zwecke weniger Bedeutung hat, fo ift
ihr doch eine recht weite Verbreitung in der chriftlichen
Gemeinde zu wünfchen.

Berlin. Ed. von der Goltz.

Rahmer, Rabb. Dr. Moritz, Die hebräischen Traditionen

in den Werken des Hieronymus. Durch Vergleichung

mit den jüdifchen Quellen und älteften Verfionen

kritifch beleuchtet. Die Commentarii zu den zwölf

kleinen Propheten. I. Hälfte. (2 Hefte.) Berlin 1902,

M. Poppelauer. (gr. 8.) M. 4.50

L Hofea, Joel, Arnos. (VI, 47, 19 u. 48 S.) — II. Obadja,
Jona, Micha. (III, 60 S.)

Die im Jahre 1861 mit der Schrift ,Die hebräifchen
Traditionen in den Werken des Hieronymus. Erfter
Theil: Quaestiones in Genesiri begonnenen Forfchungen

I über die jüdifchen Quellen des Hieronymus fetzte
der Verfaffer in den feither verfloffenen vier Jahrzehnten
in gröfseren Unterbrechungen, aber mit ungefchwächtem
Eifer fort. Er wandte fich den Commentarien zu den
zwölf kleinen Propheten zu und liefs in der Frankel'-
fchen Monatsfchrift, in den Jahrgängen 1865—1867, feine
Studien zu Hofea, in derfelben Monatsfchrift, dreifsig
Jahre fpäter (1897, 1898), die zu Joel und Arnos, in den
letzten Jahren in dem von ihm felbft herausgegebenen

, Jüdifchen Litteraturblatte' die zu Obadja, Jona und

, Micha erfcheinen. Diefe Studien find in der vorliegenden
Publication vereinigt, und zwar die zu Hofea in
ftark vermehrter neuer Bearbeitung (von den 48 Nummern
find einige beträchtlich erweitert, etwa 20 neu hinzugekommen
), die übrigen in unverändertem Abdrucke.

i Es ift fehr erfreulich, dafs die an verfchiedenen, zum