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Ausgabe:

1903 Nr. 15

Spalte:

426-429

Autor/Hrsg.:

Zscharnack, Leopold

Titel/Untertitel:

Der Dienst der Frau in den ersten Jahrhunderten der christlichen Kirche 1903

Rezensent:

Goltz, Eduard Alexander

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Theologifche Literaturzeitung. 1903. Nr. 15.

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bezweifelt und die Frage geftellt, ob es fich dabei nicht
ähnlich verhalte, wie bei der johanneifchen Stelle von den
drei Zeugen: dafs eine urfpriinglich dem lateinifchen
Text eigene Erweiterung dann auch in den griechifchen
Text gekommen iit.

Riggenbach hält zwei Fragen forgfältig auseinander:
die Frage nach dem Text von Mt. 28, 19 und die Frage
nach der Authentie des darin berichteten Herrenwortes
überhaupt. Der erfteren Frage ift der Haupttheil der
Arbeit gewidmet (S. 7—85). Da die Handfchriften keine

ung auf Chriftus läfst die Vermuthung nicht zu,
wir hätten es hier nur mit einer Abbreviatur zu
thun' (fo Riggenbach S. 92 f.). Statt nun den mit Noth-
wendigkeit (ich ergebenden Schlufs zu ziehen: da in der
apoftolifchen Zeit fich nur die kürzere Formel findet,
und diefe auch in der nachapoflolifchen fich noch vielfach
erhalten hat, kann die dreitheilige nicht auf einem
Befehle Chrifti beruhen, — ftatt diefen nothwendigen
Schlufs zu ziehen, beginnt R. jetzt zu parlamentiren, und
erreicht fo fchliefslich doch das gewünfchte Refultat von

belangreichen Varianten aufweifen, liegt der Schwer- der Authentie der Formel. Diefe Erwägungen find aber
punkt der Unterfuchung in der Beurtheilung des patri- den vorhergehenden fo wenig ebenbürtig, dafs ich lieber
ftifchen Materials. Dasfelbe ift von Riggenbach noch j darüber fchweigen möchte. Am meiften Eindruck wird

vollftändiger gefammelt als es von Refch in feiner
fchon fehr reichhaltigen Sammlung gefchehen ift (Aufser-
kanonifche Paralleltexte zu den Evangelien, 2. Heft
[== Texte und Unterfuchungen von Gebhardt und Har-
nack X, 2] 1894, S. 393 ff.). Der Ausgangspunkt wird,
wie billig, bei Eufebius genommen (S. 10—32). An
zwölf Stellen (Riggenbach Nr. 4—8, 10—13, 16, 17 und
ig) findet fich die oben genannte kürzere Formel, an
vier oder fünf (Nr. 26—29 und vielleicht Nr. 24) die gewöhnliche
dreitheilige. Letzterer Umftand beweift, dafs
Eufebius die dreitheilige Formel nicht nur aus dem Gebrauch
der Kirche gekannt, fondern auch im Texte des
Matthäus gelefen hat. Aber wie ift dann die zuerft erwähnte
befremdliche Thatfache zu erklären? Riggenbach
glaubt, dafs die ,Unterdrückung' der trinitarifchen
Formel durch Eufebius an fo vielen Stellen eine von
ihm beabfichtigte, und aus der Arkandisciplin zu erklären
fei (S. 29 ff.). Er felbft aber hebt S. 26 fehr ftark die
Gründe hervor, welche dafür fprechen, dafs Eufebius
,die ihm eigenthümliche Textgeftalt irgend einer Bibel-
handfchrift entnommen hat'. Das Citat wird in diefer
Form wiederholt und zu ganz verfchiedenen Zeiten gegeben
. Ja an einer Stelle (Nr. 5) analyfirt Eufebius den

vielleicht auf manche Lefer die Berufung auf die frühe
Abfaffung des Matthäus-Evangeliums machen, die mit
Harnack ,nicht fpäter als höchftens etwa 75 nach Chr.'
anzufetzen fei (S. 94). Ich halte meinerfeits diefe frühe
Anfetzung für unwahrfcheinlich. Aber das Entfcheidende
ift nicht die Frage nach der Abfaffungszeit, fondern die
Frage: wer hat das 1. Evangelium gefchrieben und auf
welchen Quellen ruht fein Schlufs? Und da ift doch
Folgendes in hohem Grade wahrfcheinlich und von den
meiften unbefangenen Forfchern anerkannt: 1. das erfte
Evangelium ift auf Grund literarifcher Quellen gearbeitet,
alfo nicht von einem Apoftel, 2. für die Leidens- und
Auferftehungsgefchichte ift Marcus die Quelle, 3. da bei
Marcus der Schlufs fehlt, hat der erfte Evangelift einen
folchen ex suis hinzugefügt, hat alfo für denfelben keine
fchriftliche, und höchft wahrfcheinlich überhaupt keine
authentifche Quelle gehabt. Der literarhiftorifche Befund
ift demnach in keiner Weife geeignet, das oben bereits
gewonnene Refultat zu entkräften, dient demfelben vielmehr
zur Beftätigung.

So unbefriedigend demnach auch die letzten zehn
Seiten der Arbeit find, fo gebührt dem Verf. doch unfer
Dank nicht nur für die Reichhaltigkeit des dargebotenen

Wortlaut des Citates und behandelt das kv tw ovo/mri 1 Materiales, fondern auch für die im Ganzen bewiefene

fiov in feiner Exegefe als nothwendigen Beftandtheil des
Textes. Diefe Thatfachen fcheinen doch zu der Annahme zu
drängen, dafs Eufebius nicht nur die längere, fondern
auch die kürzere Form des Textes in den ihm bekannten
Handfchriften vorgefunden hat. — Bei Origenes (S. 32
bis 42) hängt alles von dem Urtheil ab, welches man
über den Charakter der lateinifchen Ueberfetzung feiner
Schriften fich bildet. In diefer findet fich nämlich das
Citat mit der dreitheiligen Formel nicht ganz feiten; aus
den griechifch erhaltenen Schriften (welche bekanntlich

Umficht bei der Beurtheilung desfelben.

Göttingen. E. Schürer.

Zscharnack, Lic. theol. Leopold, Der Dienst der Frau in
den ersten Jahrhunderten der christlichen Kirche. Göttingen
1902, Vandenhoeck & Ruprecht. (VIII, 192 S.
gr. 8.) M. 4.80

Als ich die erfte Anzeige diefes Buches fah, ver-
die Minderzahl bilden) läfst fich dagegen kein ficherer I muthete ich nach dem Titel, dafs uns hier eine Schilde-

Beweis dafür beibringen, dafs Origenes die dreitheilige ; rung der chriftlichen Liebesthätigkeit der Frauen der
Formel in feinem Matthäus-Text gelefen hat. Trotzdem 1 alten Kirche in gemeinverftändlicher Darfteilung geboten
wird man letzteres mit R. als fehr wahrfcheinlich be- j fein würde. Das ift nicht der Fall. Denn die vortrachten
dürfen, da doch kaum anzunehmen ift, dafs j liegende Schrift ift eine rein wiffenfchaftliche, z. Th.
alle Stellen der lateinifchen Schriften ihre Form erft ziemlich trockene Unterfuchung. Eine folche war aller-
durch den lateinifchen Ueberfetzer erhalten haben. — j dings von Nöthen, ehe jene andere Darftellung gewagt
Die Unterfuchung der übrigen patriftifchen Zeugen be- j werden kann. Die Vorftellungen über die Mitarbeit der
ftätigt weiter das hohe Alter des dreitheiligen Textes; 1 Frauen, über Wittwen- und Diakoniffeninftitute litten an
namentlich ift kein Zweifel darüber, dafs das Abendland j nicht geringen Unklarheiten und weil man ftatt die zeitfeit
Tertullian keinen andern gekannt hat. j liehen und örtlichen Verfchiedenheiten zu beachten die
Auf Grund der fo gewonnenen Beftätigung der Ur- j Frage zu allgemein behandelte, blieb auch der ziemlich

fprünglichkeit des herkömmlichen Textes (die mir ange
fichts des Eufebius-Zeugnifses doch nicht über allen
Zweifel erhaben zu fein fcheint) unterfucht R. in dem
Schlufsabfchnitt S. 85—103 die Authentie des fraglichen
Herrenwortes felbft. Er hebt zunächft fehr ftark die
Gründe hervor, welche gegen diefelbe fprechen. Noch

complicirte Charakter des zu Gebote flehenden Quellenmaterials
den Meiften verborgen. Es ift höchft dankens-
werth, dafs zunächft einmal durch nüchterne hiftorifche
Unterfuchung hier gröfsere Klarheit gefchaffen wird,
A. W. Dieckhoff, Th. Schäfer, Uhlhorn und neuerdings
Acheiis (RE3 Bd. IV) hatten dazu einzelne wich-

im zweiten Jahrhundert findet fich vielfach die Taufe mit tige Vorarbeiten geliefert. Eine zufammenhängende
ler kürzeren Formel: ,auf den Namen Chrifti'. Von Ge- wiffenfchaftliche Erörterung bietet nun Zfcharnack.

d

wicht ift aber namentlich das Zeugnifs des Neuen Tefta-
mentes, welches die dreitheilige Formel, abgefehen von
Mt. 28, 19 überhaupt nicht kennt, fondern nur ßajtri^E-
ö&at hv rm ovöfictTt 'Jnoov (Apgefch.) oder dg Xqioxov
(Paulus). ' ,Das kann unmöglich auf Zufall beruhen
, und die Händige Wiederkehr der Bezieh-

Voran ftellt er die Befprechung von drei Vorfragen:

1. Die allgemeine Werthung der Frau im Chriftenthum,

2. Die Stellung der Frauen zum Chriftenthum, 3. Die
Pnncipien der altchriftlichen Gemeindeverfaffung. Damit
hat er fich dann den Boden bereitet, um I. den Dienft
der Frau in der Grofskirche, II. den Dienft der Frau